DIE Internet-Zeitung

Mai 2004

Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.

"Perspektivkongress"

Neue Konzepte für Steuergerechtigkeit und Bürgerversicherung

Unter dem Motto "Es geht auch anders!" ging am Montag in der TU Berlin der „Perspektivkongress“ zu Ende. An den rund 125 Veranstaltung nahmen nach Angaben der Veranstalter circa 2.000 Teilnehmern teil. Der Kongress sei veranstaltet worden, um Alternativen zur neoliberalen Politik und Strategien zu ihrer Durchsetzung aufzuzeigen. In den Vorträgen, Workshops und Podien sei deutlich geworden, dass es - anders als von Regierung und Opposition behauptet - viele realisierbare Alternativen gäbe, so attac. Attac fordert statt des Abbaus und der Privatisierung sozialer Sicherungssysteme, umfassende Bürgerversicherungen für alle Menschen und Einkunftsarten. Auf große Zustimmung soll auch das Konzept einer "Solidarischen Einfachsteuer" von ver.di und Attac gestoßen sein, das kleine und mittlere Einkommen entlasten, während Steuerflucht bekämpft würde. Den aktuellen Bestrebungen, die Arbeitszeiten zu verlängern, setzte der Kongress laut attac die Forderung nach Umverteilung und Verkürzung der Arbeitszeiten entgegen. Auf breite Ablehnung sollen die Hartz-Gesetze, gestoßen sein. Attac forderte stattdessen „existenzsichernde Löhne, auskömmliche Renten und eine Grundsicherung für alle“.

Mängel bei Beratung

Gesundheitsrisiko Sonnenstudio!

In Sonnenstudios wird häufig schlecht beraten. Das ist das Ergebnis einer aktuellen "WISO"-Stichprobe bei mehreren Betrieben in Essen. Kein Sonnenstudio hielt den Mindeststandard einer Erstberatung ein, wie er zwischen Industrie und Bundesamt für Strahlenschutz vereinbart worden ist. Wäre die "WISO"-Testperson den Anweisungen gefolgt, wäre sie mit dem 2,5- bis 4- fachen der für sie empfohlenen Maximaldosis bestrahlt worden. Sechs der sieben gestesteten Sonnenstudios empfahlen eine Sonnenbank, deren UV-Strahlung höher war als die höchste natürlich vorkommende UV-Strahlung am Äquator. Die Testperson hätte in allen sieben Studios eine Hautschädigung davon getragen. Die Kunden riskieren dadurch schwere Gesundheitsschäden.

Übergewicht

Gesundheits- und Verbraucherministerium uneinig über Gesundheitsprogramm der WHO

Zwischen dem Bundesgesundheitsministerium und dem Bundesverbraucherministerium gibt es widersprüchliche Positionen zu einem weltweiten Programm der Weltgesundheitsorganisation zur Bekämpfung von Übergewicht. Während das Bundesverbraucherministerium das WHO-Programm unterstützt, lehnt das Bundesgesundheitsministerium in einer Stellungnahme gegenüber der WHO die wichtigsten Punkte zur Umsetzung des Programms in Deutschland ab. Umstrittene Punkte im WHO-Programm seien mögliche Auflagen für das Marketing einzelner Lebensmittel. Viele Produkte, insbesondere sogenannte Kinderlebensmittel, würden stark überhöhte Fett- und Zuckerwerte aufweisen und würden dennoch häufig als besonders gesund vermarktet. Umstritten sind auch Empfehlungen an die Lebensmittelhersteller, den Gehalt von Fett und Zucker in ihren Produkten zu senken. Die Weltgesundheitsversammlung in Genf will das Programm in dieser Woche verabschieden.

Verbraucherschutz

Bundesdatenschutzbeauftragter fordert Gesetzesänderung gegen "Schnüffel-Chips"

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar fordert im Interview mit dem Magazin Focus vom Montag eine Gesetzesänderung zur Regulierung von Funk-Chips, den sogeannten RFID-Chips. Die Gesetzesänderung soll festlegen, dass Produkte, die mit Chips ausgestattet sind zu kennzeichnen sind, die Verbraucher die darin gespeicherten Informationen einsehen können und dass der Chip nach dem Kauf permanent zu deaktivieren sein müsse. Zusammen mit der US-amerikanischen Verbraucherschützerin Katherine Albrecht habe der FoeBuD den in den Payback-Kundenkarten versteckten Chip im Metro Extra Future Store entdeckt.

Mitbestimmung

Jedes dritte Bürgerbegehren in Teilen Deutschlands verboten

In Teilen Deutschlands ist jedes dritte Bürgerbegehren wird verboten. Nach Angaben des Vereins "Mehr Demokratie" liege das an den regionalen Unterschieden in Bezug auf die Mitbestimmung. So seien zum Beispiel in Nordrhein-Westfahlen Bürgerbegehren zu bestimmten Themen wie Bebauungs- und Flächennutzungsplänen, Windkraft- und Mobilfunkanlagen grundsätzlich verboten. "Während die Münchner derzeit aufgrund eines Bürgerbegehrens über den Bau von Hochhäusern in der Stadt diskutieren, bleiben die Kölner Bürger bei der gleichen Frage vor der Tür", kritisierte NRW-Landesgeschäftsführer Daniel Schily.

Sonntagsfrage

Zustimmung für die SPD sinkt wieder

Die politische Stimmung für die SPD verschlechtert sich wieder. Nach einer leichten Erholung in den vergangenen Wochen kommen die Sozialdemokraten aktuell nur noch auf 21 Prozent (minus fünf Prozenpunkte) Zustimmung. Die CDU/CSU erreichen nach dem am Freitag in Mainz veröffentlichten ZDF-"Politbarometer" 53 Prozent (+2). Die Grünen bleiben unverändert bei elf Prozent, ebenso wie die FDP bei sechs Prozent, während die PDS wieder auf vier Prozent (+1) zulegt.

Investieren

GEW will 20 Milliarden Euro für Bildung und Forschung

Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) verlangt 20 Milliarden Euro für mehr für den Ausbau von Bildung und Forschung bis 2010. Die Bildungsgewerkschaft legte zur Finanzierung ihres Forderungspakets einen Maßnahmenpaket zur Erhöhung der Einnahmen von Bund, Ländern und Kommunen vor. Gerade die Ergebnisse der Pisa-Studie belegten einen Reformbedarf im Bildungswesen der Bundesrepublik. Die Bundesrepublik liege bei den öffentlichen Bildungsinvestitionen mit 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ein halbes Prozent unter dem OECD-Schnitt.

Reiche sollen wieder zahlen

Neues Steuer-Konzept soll Umverteilung zu Lasten der "kleinen Leute" beenden

Der Finanznot der öffentlichen Kassen und dem zunehmenden Rückzug von Firmen und Gutverdienern aus der Staatsfinanzierung wollen die Gewerkschaft ver.di und das globalisierungskritische Netzwerk Attac ein eigenes Steuerkonzept entgegensetzen. In einer gemeinsamen Pressekonferenz stellten die beiden Organisationen am Donnerstag ihr Konzept für eine "gerechte und einfache" Steuerpolitik vor. Das von sieben Wirtschaftswissenschaftlern erstellte Konzept sieht vor, kleinere und mittlere Einkommen deutlich zu entlasten. Unter 8.000 Euro Jahreseinkommen sollen Bürger überhaupt keine Steuern zahlen, danach der Steuersatz von 15 auf 45 Prozent steigen. Wichtig sei eine gerechte Verteilung der Steuerlasten. Während der Anteil der Lohnsteuer an den gesamten Steuereinnahmen in den Jahren 1977 bis 2002 von 30 auf 35 Prozent stieg, hat sich derjenige der Gewinn- und Vermögensteuern von 29 auf 14 Prozent halbiert. Der Anteil der Mehrwert- und Verbrauchsteuern stieg von 33 auf 44 Prozent. Diese Umverteilung zu Lasten der "kleinen Leute" wollen ver.di und Attac mit ihrem Konzept ändern.

Börsengang der Bahn

Schienennetz soll in staatlicher Hand bleiben

Sowohl der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), als auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) warnten am Donnerstag davor, die Deutsche Bahn (DB) AG als Ganzes zu privatisieren. Anlässlich der DB-Bilanzpressekonferenz betonten beide Verbände, die Schienen-Infrastruktur müsse unbedingt in staatlicher Hand bleiben. Der Börsengang dürfe nicht zum Selbstzweck werden, mahnte der VCD-Bundesvorsitzende Michael Gehrmann. Maßgeblich müsse vielmehr sein, wie die verkehrspolitischen Ziele am besten erreicht werden könnten. Wenn die Bahn mitsamt dem Netz an die Börse gehe, sei der Schienenverkehr in der Fläche gefährdet, warnte der vzbv. Auch Fragen der Sicherheit müssten beachtet werden. "Das Beispiel Großbritannien sollte uns hier ein mahnendes Beispiel sein", verwies vzbv-Vorstand Edda Müller auf die katastrophalen Verhältnisse beim Bahn-Privatisierungs-Vorreiter.

Gesetz geändert

Geringere Hürden für Volksinitiativen in NRW

Volksinitiativen in Nordrhein-Westfalen werden einfacher. Künftig können die nötigen Unterschriften frei gesammelt werden und müssen nicht mehr auf Ämtern geleistet werden. Auch wird der Landtag nach einer erfolgreichen Unterschriftensammlung zur Anhörung der Initiatoren verpflichtet. Das Parlament beschloss am Donnerstag einen von SPD und Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Nachbesserung dieses vor zwei Jahren neu eingeführten Demokratie-Instruments. Die Initiative "Mehr Demokratie" begrüßte die Reform.

Gen-Soja im Futter

Schlauchboote bei Anti-Gentechnik-Protest zerstört

Bei Protesten gegen den Import von Gentechnik-Soja ist es am Donnerstag zu einem gefährlichen Zwischenfall gekommen. Zwei Schlauchboote der Umweltorganisation Greenpeace wurden zerstört, als der Frachter "Perast" trotz der Protestaktionen im Hafen von Brake/Niedersachsen anlegte. Eines der Boote sei gesunken, teilten die Umweltschützer mit. Die Aktion sei daraufhin abgebrochen worden. Die Besatzungen der Boote seien "auf unverantwortliche Weise gefährdet worden. Viele deutsche Futtermittel-Hersteller versuchen derzeit, die Entstehung gentechnikfreier Märkte zu verhindern. Umweltschützer fordern dagegen, den Landwirten Ware ohne Gen-Pflanzen überall und zu normalen Preisen anzubieten.

BUND-Gütesiegel verliehen

Elisabeth Klinik ist "Energie sparendes Krankenhaus"

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin) zeichnet die Elisabeth Klinik mit dem Gütesiegel "Energie sparendes Krankenhaus" aus. Die Auszeichnung geht an Krankenhäuser, die sich in besonderer Weise für Energieeffizienz und Klimaschutz im Hause engagieren. Die Elisabeth Klinik erfüllt als elftes Krankenhaus bundesweit die Kriterien zum Klimaschutz. Die moderne 170-Betten-Klinik reduzierte ihren Energieverbrauch seit 2000 um rund 30 Prozent. 612 Tonnen Kohlendioxid bleiben so der Atmosphäre erspart, soviel wie ca. 20 Durchschnittshaushalte jährlich ausstoßen.

Gentechnik

Venezuela will Aussaat transgener Pflanzen verbieten

Der venezolanische Präsident Hugo Chavez Frias hat ein Ausaatverbot gentechnisch veränderten Saatgutes auf venezolanischem Boden angekündigt - als evtl. stärkste Beschränkung für transgene Organismen in der westlichen Hemisphäre. Obwohl die genauen Detaills der künftigen Politik noch nicht veröffentlicht sind, soll es schnellstmöglich zu einem Vertragsabbruch mit Monsanto (Konzernbasis in den USA) kommen.

Europäischer Gerichtshof

Staudamm von Itoiz wird geflutet - Einspruch in Straßburg erfolglos

Ein langer Kampf nähert sich dem Ende. Mit der Befüllung des Staudamms von Itoiz versinken auch die Hoffnungen vieler in die europäische Justiz. Große Hoffnungen hatten die Bewohner der beiden wertvollen Täler des Irati und des Urobi in die europäischen Institutionen gesetzt, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg den Fall sogar als Eilverfahren angenommen hatte. Doch die Ablehnung des Widerspruchs enttäuscht die Gegner des Stausees in der nordspanischen Provinz Navarra.

16. Mai 2004

Tag zum Schutz des Ostsee-Schweinswals

Dem Schweinswal in der Ostsee ist jeder dritte Sonntag im Mai gewidmet: Doch der Ehrentag ist kein Tag zum Feiern. Der Kleine Tümmler, wie der etwa 1,60 m lange schwarz-weiße Wal mit der stumpfen Schnauze auch heißt, ist in der Ostsee vom Aussterben bedroht. In der östlichen und zentralen Ostsee leben nach neuen Hochrechnungen nur noch 100 Schweinswale, in der westlichen Ostsee etwa 800. Etwas besser geht es dem Wal in Kattegat und Beltsee. Doch auch hier sterben mehr Tiere, als geboren werden.

Liberalisierung und Globalisierung

Mexikanischer Parlamentsabgeordneter prangert Continental vor Aktionären an

Verletzungen von Gewerkschaftsrechten in beiden mexikanischen Tochterfirmen werden in der Hauptversammlung der Reifenfirma Continental AG am Freitag den 14. Mai in Hannover angeprangert. Erstmals wird in einer Hauptversammlung eines deutschen Konzerns ein ausländischer Parlamentsabgeordneter als kritischer Aktionär sprechen. Der mexikanische Abgeordnete Pablo Franco wird in seinem Redebeitrag vom Continental Vorstand fordern, die Gesetze seines Landes zu respektieren. Im Zentrum des Streits steht die widerrechtliche Schließung des Euzkadi-Werks bei Guadalajara seit Dezember 2001.

Fernsehtipp für 16. Mai

Reportage über das Schicksal der Kindersoldaten in Uganda

Eine n-tv Reportage beleuchtet einen besonders krassen Fall des Missbrauchs von Kindern als Soldaten: Im ostafrikanischen Uganda wurden in den letzten 18 Jahren über 25.000 Kinder von den Rebellen der Lord's Resistance Army (LRA) entführt und als Soldaten, Lastenträger oder Sexsklaven missbraucht. Die LRA kämpft gegen das Regime von Präsident Museveni, doch findet sich kein politisches Programm hinter dem Terror, den die LRA vor allem im Norden des Landes verbreitet.

Private Pflege

Hohes Engagement bei der Betreuung von Pflegebedürftigen in Deutschland

Nach den Ergebnissen des vom DIW Berlin in Zusammenarbeit mit Infratest Sozialforschung erhobenen Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) beteiligten sich im Jahre 2003 rund fünf Prozent aller erwachsenen Männer und knapp acht Prozent aller Frauen an der Versorgung Pflegebedürftiger, so der aktuelle Wochenbericht des DIW Berlin 20/2004. Der zeitliche Umfang an einem durchschnittlichen Wochentag beträgt bei pflegenden Männern 2,5 Stunden und bei Frauen rund 3 Stunden. Männer pflegen damit zwar weniger häufig und in geringerem Umfang, beteiligen sich aber zu einem nicht unerheblichen Anteil ebenfalls aktiv an der Betreuung Hilfe- und Pflegebedürftiger.

Artensterben

UNO warnt vor Ende der Bambuswälder

Nach Angaben der UNO-Umweltorganisation UNEP sind mindestens 600 der 1.200 weltweit vorkommenden Bambus-Pflanzen massiv vom Aussterben bedroht. Die Bambuswälder sind aber nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Tierwelt ein wichtiges Habitat, berichtet BBC-Online. Bedroht ist auch der Handel mit Bambusprodukten, der immerhin jährlich Umsätze von rund 2,7 Mrd. Dollar bringt.

Tierrecht

Javaneraffe ist Versuchstier des Jahres 2004

Der Bundesverband Menschen für Tierrechte hat am Dienstag den Javaneraffen zum Versuchstier des Jahres 2004 gekürt. Diese Affenart wurde vom Landesverband Menschen für Tierrechte Hessen vorgeschlagen und aus mehreren Einsendungen von einer Jury ausgewählt. Die Kürung bildet den Auftakt einer Kampagne, die auf ein bundesweites Verbot von Primatenversuchen zielt. Der Javaneraffe (Macaca fascicularis) ist neben dem Rhesusaffen, Totenkopf- und Weissbüscheläffchen eine häufig in Tierversuchen verwendete Primatenart.