Juli 2002
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Schweizer Luftfahrtbehörde fordert mehr Personal bei Flugsicherung
Eine Woche nach der schweren Flugzeugkollision über dem Bodensee ziehen die Schweizer Behörden erste Konsequenzen für die Flugsicherheit. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt wies die Flugsicherung skyguide am Dienstag an, alle Radarsektoren Tag und Nacht mit mehr als einem Fluglotsen zu besetzen. Zum Zeitpunkt der Katastrophe arbeitete die Flugsicherung nur mit einem Mann. Der andere Fluglotse machte gerade Pause. Zudem darf skyguide eigene Flugüberwachungssysteme nur noch dann für Wartungsarbeiten ausschalten oder einschränken, wenn zusätzliches Personal im Dienst ist. Die Klärung der Frage von Entschädigungsforderungen für die Angehörigen der 71 Opfer wird unterdessen nach Aussage des Kölner Anwalts Gerhart Baum noch längere Zeit beanspruchen.
Nörgeln als kulturelle Erscheinung
Notorische Nörgler sind in Dresden herzlich willkommen. Eine Studentin der Hochschule für Bildende Künste lädt vom 18. Juli zum Computerbesuch in ihre Diplomausstellung und zur Teilnahme am "1. Dresdner Nörgelwettbewerb" ein. Den Gewinnern verspricht Susanne Hanus "drei handgemachte Jammerlappen", die ebenfalls in der Ausstellung zu begutachten sind.
Suche nach Ausbildungsplatz immer schwieriger
Die Suche nach einem Ausbildungsplatz wird zunehmend schwieriger. Die Zahl der gemeldeten Stellen fällt immer mehr unter das Vorjahresniveau, wie die Bundesanstalt für Arbeit am Dienstag in Nürnberg mitteilte. Darüber hinaus hat sich auch die Zahl der noch unbesetzten Ausbildungsplätze gegenüber 2001 "beträchtlich verringert". Dadurch nahm die Differenz zwischen unbesetzten Ausbildungsstellen und nicht vermittelten Bewerben im Juni gegenüber Mai nicht wie sonst üblich ab, sondern wurde sogar noch größer als vor einem Jahr.
Wirtschaftsvereinigung Stahl gegen Subventionen
Die Montanunion findet nach 50 Jahren ein Ende. Der Vertrag zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) läuft am 23. Juli aus. Damit werden die beiden Branchen in den Geltungsbereich des EG-Vertrages übergeführt, wie der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Dieter Ameling, am Dienstag in Düsseldorf sagte. Auf rund 1,6 Milliarden Euro belaufen sich derzeit die seit den 50er Jahren angesparten Finanzmittel der EGKS. Dieses Vermögen wird laut Ameling auf die Europäische Gemeinschaft übertragen.
Schlechte Geschäfte mit Fachzeitschriften
Die deutschen Verlage und Buchhändler haben zu kämpfen. Das Buch steht bei den Deutschen zwar nach wie vor hoch im Kurs und bescherte der Branche 2001 einen Paperback-Boom, konnte die Gesamtbilanz aber nicht retten: Die geschätzten Umsätze gingen erstmals seit Einführung der Branchenstatistik 1976 im Jahresvergleich leicht um 0,1 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro zurück. Als Grund nannte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Dieter Schormann, am Dienstag in Frankfurt am Main den 8,8-prozentigen Umsatzeinbruch bei den Fachzeitschriften. Das Buchgeschäft legte derweil um 0,9 Prozent zu. Für 2002 erwartet die Branche ein Umsatzminus von rund zwei Prozent.
Das Brandenburger Tor
Das Brandenburger Tor symbolisierte jahrzehntelang die Teilung Deutschlands und die Trennung der Stadt. In dieser Zeit konnte es von den Ost-Berlinern und ihren Gästen lediglich aus der Ferne bewundert werden. Den einst mitten im Großstadttrubel gelegenen Pariser Platz riegelte die Mauer ab. In der "Maueröffnungsnacht" passierten Tausende Ost- und Westberliner im Freudentaumel das Tor, das als Symbol für die "unüberwindliche Betonwand" galt. Doch dann blieb das Portal zunächst wieder geschlossen und wurde erst zwei Tage vor Heiligabend 1989 geöffnet.
Brandenburger Tor frisch gereinigt
Das Brandenburger Tor in Berlins Mitte ist fast porentief rein. Einen Vorgeschmack auf das ab Oktober in Naturstein schimmernde Portal bekommen Berliner und Gäste bereits jetzt. Ein Torhäuschen wird seit Montag von den Planen befreit. Zugleich beginnt der Rückbau des gigantischen Baugerüstes. In vier Wochen legt dann auch das zweite Torhäuschen seinen Sanierungsmantel ab. Das Portal selbst soll am Tag der Deutschen Einheit enthüllt werden. Wie dieser symbolische Akt - ohne zuvor das Tor zu zeigen - vorbereitet werden kann, überlegen die Experten derzeit noch.
Schlauchboot-Fahrt auf der Elbe erfolgreich beendet
Am Sonntag endete planmässig die BUND Tour "Dialog im Boot". 150 Teilnehmer, darunter viele Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft, haben gemeinsam mit Umweltschützern die "Wunder der Elbe" entdeckt. Neben den Begegnungen mit Bibern und Seeadlern, mit Sandstränden und Auenwäldern sowie mit dem UNESCO-Welterbe haben sie auch beängstigend viele neue Schotterhalden und ungeprüfte Baggerarbeiten an den Elbufern registriert. Gleichzeitig besichtigten die Teilnehmer mehrere junge Unternhehmen im Fluss-Tourismus.
West-Sahara-Konflikt - 101 marokkanische Kriegsgefangene freigelassen
Nach über 20 Jahren Gefangenschaft sind am Montag 101 marokkanische Kriegsgefangene freigelassen worden. Sie wurden Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes (IKRK) übergeben und konnten inzwischen mit einem IKRK-Flug nach Marokko zurückkehren. Bei der Übergabe durch die Frente Polisario in Tindouf war der deutsche Botschafter in Algerien, Hans Peter Schiff, anwesend.
A 17 von Dresden bis nach Tschechien wird 2005 fertig
"Bis Ende 2005 soll die neue Autobahn A 17 von Dresden bis zur tschechischen Grenze durchgängig befahrbar sein." Das sagte Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig am Montag im Beisein seines tschechischen Kollegen Schling anlässlich der Grundsteinlegung für die 720 Meter lange Lockwitztalbrücke, die im Zuge der BAB-Neubaustrecke Dresden-Prag entsteht. Der Brückenneubau, das größte Ingenieurbauwerk dieses Streckenabschnittes, markiert gleichzeitig den Baubeginn für den nächsten Abschnitt der A 17 von der Anschlussstelle Dresden-Südvorstadt bis zur B 172 bei Pirna. Dafür stellt der Bund rund 148 Millionen Euro zur Verfügung. Insgesamt sind für den 44,6 Kilometer langen deutschen Abschnitt Baukosten von rund 562 Millionen Euro veranschlagt.
Greenpeace protestiert bundesweit an Esso-Tankstellen
Mehrere hundert Aktivisten von Greenpeace protestierten Sonntag bundesweit in 12 Städten auf Inline-Skates gegen die Geschäftspolitik des Ölmultis Esso. Die Umweltschützer trugen T-Shirts mit dem Aufdruck "E$$O spinnt" und fuhren von einer Esso-Tankstelle zur nächsten. Unter anderem in Aachen, Frankfurt, Hamburg und Berlin entrollten sie jeweils vor den Aus- und Einfahrten der Tankstellen ein Transparent mit der Aufschrift: "Esso spinnt - die verheizen unser Klima". Außerdem verteilten die Umweltschützer Flugblätter an Autofahrer und informierten über die unverantwortliche Konzernpolitik des Ölmultis.
Krisengipfel zu Babcock Borsig - Bank lehnt Sanierungsplan ab
Die Verhandlungen zur Rettung des Oberhausener Maschinen- und Anlagebauers Babcock Borsig in allerletzter Minute laufen auf Hochtouren. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) traf sich am Montagmittag mit Großaktionären, Anteilseignern und Banken zu einem weiteren Krisengipfel. Die Hoffnungen auf eine Rettung des 111 Jahre alten Traditionsunternehmen sanken indes gen Null: Ein Sprecher der Commerzbank bezeichnete in Frankfurt am Main den ursprünglichen Sanierungsplan als nicht tragfähig.
44 Opfer identifiziert
Von den 71 Opfern der Flugzeugkatastrophe über dem Bodensee sind bislang 44 identifiziert worden. Darunter ist auch der Pilot der am Unglück beteiligten Boeing 757, ein 47-jähriger Brite. Dies gab die Landespolizeidirektion Tübingen am Montag bekannt. 33 Opfer der Kollision einer russischen Passagiermaschine mit einem Frachtflugzeug waren in der Nacht zum Montag in ihre russische Heimat geflogen worden. Wann die nächste russische Sondermaschine zur Überführung weiterer Leichen in Friedrichshafen ankommen wird, ist noch unklar.
Lebensmittelskandal, der ichweißnichtwievielte
Die Verbraucher müssen sich offensichtlich auf einen neuen Lebensmittelskandal einstellen. Seit Anfang Mai sind in Deutschland knapp 2300 vermutlich hormonbelastete Schweine aus den Niederlanden in Umlauf gekommen. Am stärksten betroffen ist Nordrhein-Westfalen mit 1800 Schweinen sowie Niedersachsen und Rheinland-Pfalz mit je 230 Tieren, bestätigten die zuständigen Länderministerien am Freitag. Zudem ist offenbar auch belastetes Futter nach Deutschland gelangt.
Ex-SS-Offizier Engel zu sieben Jahren Haft verurteilt
Der 93 Jahre alte ehemalige SS-Offizier Friedrich Engel ist am Freitag wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von nur sieben Jahren verurteilt worden. Das Hamburger Landgericht sah es als erwiesen an, dass Engel im Jahre 1944 die Hinrichtung von 59 italienischen Partisanen am Turchino-Pass nahe Genua befehligt hat.
Weg wieder frei für Stasi-Forschung
Mit dem neuen Stasi-Unterlagengesetz ist der Weg wieder frei für die Forschung an DDR-Geheimakten von Prominenten. Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen der DDR-Staatssicherheit, Marianne Birthler, sagte am Freitag, die Entscheidung des Bundestages könne die ins Stocken geratene Bearbeitung von Anträgen wieder in Bewegung bringen. Nach der Neuregelung sind Stasi-Akten von Prominenten künftig unter Auflagen wieder für Dritte zugänglich. Der Bundestag verabschiedete am späten Donnerstagabend ein entsprechendes Gesetz, das bespitzelten Personen bei der Offenlegung ihrer Geheimdienst-Akte ein Mitspracherecht einräumt. Indes bleibt die Akte von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) auch nach der Entscheidung des Bundestags unter Verschluss.
Scharfer Protest gegen erste Kinder-Abschiebe-Haftanstalt
Mit scharfer Kritik reagieren Pro Asyl, der Hamburger Flüchtlingsrat und der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge auf die Pläne des Hamburger Senats zur "geschlossenen Unterbringung" von ausländischen Minderjährigen. Bei der Präsentation des Konzepts zur geschlossenen Unterbringung für straffällige Kinder am 3. Juli in Hamburg, das in der Fachöffentlichkeit auf eindeutige Ablehnung stieß, wurde "nebenbei" die Einrichtung einer Abschiebungshaftanstalt für ausländische Minderjährige zum 1. Oktober 2002 vorgestellt. Es werden zunächst 15 Plätze für solche Minderjährige geschaffen, die "wegen illegalen Aufenthalts oder ihrer Straftaten" mit ihrer Abschiebung rechnen müssen. Dies wäre bundesweit die erste Abschiebungshaftanstalt speziell für Kinder. Flüchtlingsorganisationen haben es bereits in der Vergangenheit als Skandal bezeichnet, dass in Deutschland auch Kinder in Abschiebungsgefängnissen inhaftiert werden.
Verseuchtes Futter als Düngemittel verkauft
Ein neuer Düngemittelskandal mit Folgen für mehrere Bundesländer ist von der Polizei in Hamburg aufgedeckt worden. Verantwortliche einer Futtermittelfirma in der Hansestadt sollen nach einem Brand in ihrem Werk im August vergangenen Jahres erheblich kontaminiertes Tierfutter illegal als Düngemittel in Umlauf gebracht haben. Die so genannten Hopfenpellets waren durch die Vermischung mit Löschschaum der Feuerwehr zu besonders überwachungsbedürftigem Abfall geworden, wie die Polizei am Freitag mitteilte.
Ministererlaubnis für Übernahme von Ruhrgas durch E.ON erteilt
Das Bundeswirtschaftsministerium hat wie erwartet die Übernahme von Ruhrgas durch den Energiekonzern E.ON genehmigt. Mit der umstrittenen "Ministererlaubnis" setzte sich das Ministerium über die einhelligen Bedenken des Bundeskartellamtes, der Monopolkommission, von Verbraucher- und Umweltschützern, der Opposition und von Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) hinweg, die die Übernahme wegen der Verzerrungen auf dem deutschen Strom- und Gasmarkt ablehnen. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, der vor seinem Wechsel in die Politik Manager beim E.ON-Vorgänger Veba war und gerüchteweise auch nach den Wahlen wieder in die Energiebranche wechseln wird, schickte für die Genehmigung seinen Staatssekretär Alfred Tacke vor. E.ON und Ruhrgas äußerten sich befriedigt. Kritik kam von der CDU, den Grünen und der FDP. Verbraucherverbände wollen gegen die Genehmigung klagen.
Breites Bündnis gegen öffentliches Gelöbnis am 20. Juli
Das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr am 20. Juli in Berlin auch in diesem Jahr nicht ungestört verlaufen. Mit einer Demonstration, einer Kundgebung und phantasievollen Aktionen mobilisiert das "Bündnis Gelöbnix6" gegen das "anachronistische Militärspektakel". Mit der Etablierung von Gelöbnissen am 20. Juli beruft sich die Bundeswehr auf diejenigen Wehrmachtsoffiziere, die 1944 einen Putschversuch gegen Hitler unternahmen. Vorgeblich solle damit eine "antifaschistische" Traditionslinie aufgemacht werden, wobei jedoch unterschlagen werde, "dass die Mehrheit jener Offiziere den verbrecherischen Eroberungskrieg Deutschlands aktiv geführt haben und dabei eine Vielzahl von Kriegsverbrechen begingen", so die Kritik des Bündnisses. "Diese Traditionslüge bildet eine wesentliche Grundlage für das Streben der BRD nach weltweiter militärischer Expansion: Der "Krieg gegen den Terror" wird als ultima ratio verkauft, mit dem die "westlichen Werte" verteidigt werden sollen, wie schon der Angriff auf Jugoslawien im Zeichen von "Nie wieder Auschwitz" stand."