DIE Internet-Zeitung
Unterschiedliche Meinungen über Aussteigerprogramm | Verfassungsschutz betreut 39 Ex-Neonazis

Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) Rückblende

Am

In dem vor einem Jahr von der Bundesregierung initiierten Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten werden derzeit noch 39 Personen betreut. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der PDS-Fraktion hervor. Demnach wurden von 170 potenziell Ausstiegswilligen, die sich bis März 2002 bei der Telefon-Hotline des Verfassungsschutzes meldeten, insgesamt 66 in das Programm aufgenommen. 27 Betreuungsfälle seien wieder beendet worden. Das Ergebnis stieß bei Regierung und PDS am Dienstag auf unterschiedliche Beurteilungen.


Das Bundesinnenministerium wertete die Einjahresbilanz als "deutlichen Erfolg". Zusammen mit den Programmen der Länder und der privaten "Exit"-Initiative trage das Programm der Bundesregierung "zur tiefen Verunsicherung der rechtsextremen Szene und der NPD bei" und schwäche diese, sagte eine Ministeriumssprecherin. Sie warnte davor, "nur auf die Zahlen zu starren".

Die innenpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion, Ulla Jelpke, kritisierte dagegen, von der "großspurig angekündigten Schwächung der rechten Szene" könne "keine Rede sein". Das von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) jetzt präsentierte Ergebnis sei "ein Flop".

Der Antwort auf die PDS-Anfrage zufolge gehörten von den 66 Ausstiegswilligen 30 rechten "Kameradschaften" und 23 rechtsextremistischen Parteien an. Nur zehn Personen hätten keine Vorstrafe. 13 Rechtsextremisten half der Verfassungsschutz, einen Arbeits- oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Drei Personen wurde bei der Gründung einer neuen Existenz geholfen. Zudem unterstützte der Verfassungsschutz der Antwort zufolge Ausstiegswillige finanziell, etwa mit Zahlungen für den Lebensunterhalt.

Über die genaue Höhe der Kosten machte die Bundesregierung keine Angaben. Der "Etat für die operativen Tätigkeiten" des Bundesamtes für Verfassungsschutz sei jedoch "angemessen erhöht" worden. Ziel des Programms ist es laut Bundesinnenministerium, die rechtsextremistische Szene personell zu schwächen und so genannte Mitläufer bei der Abkehr von neonazistischen Strukturen zu helfen.

Am 09-04-2002

Ehemaliger Staatsschützer erhebt schwere Vorwürfe gegen Verfassungsschutz

"V-Leute wurden hochgestachelt"

Günther Brasche, ehemaliger Staatsschutzbeamter, hat im Zusammenhang mit dem NPD-Verbotsverfahren gegenüber der ZEIT schwere Vorwürfe gegen den niedersächsischen Verfassungsschutz erhoben. Brasche, bis 1993 Leiter des Fachkommissariats Ausländerextremismus, Rechtsextremismus, Terrorismus und Spionageabwehr bei der Polizeiinspektion Braunschweig, sagt, die V-Mann-Führer des Landesamtes hätten V-Leute aus der rechtsradikalen Szene regelrecht "hochgestachelt".

Brasche, der als Polizist enge Kontakte in dem Milieu aufgebaut hatte, berichtet, dass der Verfassungsschutz häufig seine Kontakte genutzt habe, um V-Leute anzuwerben. "Die Leute kamen teilweise nachher zu mir und sagten: Wir sollen hier eine vollkommen neue Ebene der Provokation erzeugen. Es sind konkrete Aufforderungen zu Straftaten dabei gewesen." So soll ein V-Mann von den Verfassungsschützern beispielsweise aufgefordert worden sein, "doch mal was gegen die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber in Braunschweig zu unternehmen."

Brasche wurde 1994 aus dem Polizeidienst entlassen, weil sein Arbeitgeber ihm vorwarf, einen Anschlag auf sich selbst inszeniert zu haben. Der Sprecher des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Rüdiger Hesse, widersprach Brasches Schilderung in diesem Verfahren. Gleichzeitig räumte er ein, der Verfassungsschutz helfe seinen V-Leuten bei finanziellen Notlagen. Hesse wörtlich: "Wenn ein V-Mann zu einer Geldstrafe verknackt wird, und er ist knapp bei Kasse, dann greifen wir ihm finanziell unter die Arme. Das ist üblich."

Am 17-07-2002

Parlament soll in der kommenden Wahlperiode Grenzen für V-Leute debattieren

Nach Verfassungsschutz-Affäre

Eine parlamentarische Debatte über den Einsatz von V-Leuten wird es trotz der neuen Vorwürfe gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) voraussichtlich erst nach der Bundestagswahl geben. Mitglieder des Bundestags-Innenausschusses schlugen nach einer Anhörung von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zur Affäre Mirko H. vor, in der kommenden Wahlperiode im Bundestag über die Grenzen für V-Leute zu diskutieren. Einzelheiten über den Fall des Neonazis H., der zugleich V-Mann des BfV gewesen sein soll und für den Vertrieb tausender Neonazi-CD's verantwortlich gemacht wird, gab Schily aus Geheimhaltungsgründen nicht bekannt.

Die Details würden im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) erörtert, sagte der Minister. Schily hob hervor, wer die "konspirativen Strukturen" der rechtsextremistischen Musikszene aufbrechen wolle, sei auf den Einsatz von V-Leuten angewiesen. Die Gefahr gehe von den Rechtextremisten aus, "nicht von denen, die solche Aktivitäten bekämpfen", unterstrich Schily.

Auf den CDs, die H. zusammen mit Toni S., der für den Brandenburger Verfassungsschutz gearbeitet haben soll, und vermutlich einem weiteren Rechtsextremisten vertrieb, wird zum Mord an Michel Friedman, Rita Süssmuth (CDU), Alfred Biolek und weiteren Prominenten aufgefordert.

Für den FDP-Innenexperten Max Stadler ist damit die Grenze der Bagatellstraftat eindeutig überschritten. Stadler sagte, er teile Schilys Auffassung, wonach V-Leute sich zur Tarnung an Straftaten beteiligen dürften, generell nicht. Das Prinzip "der Zweck heiligt die Mittel" dürfe nur "höchst ausnahmsweise" gelten, unterstrich Stadler.

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, sagte, V-Leute müssten, wenn sie "schwere" Straftaten verübten, sofort abgeschaltet und strafrechtlich verfolgt werden. Von einem Straftatvorsatz sei aber nicht unbedingt auszugehen, wenn Informationen für den Verfassungsschutz gesammelt werden sollten.

Der SPD-Politiker äußerte sich "erstaunt" über die "Skandalisierung" des V-Leute-Einsatzes generell. Die Notwendigkeit des Einsatzes von V-Leuten unterstrichen auch die innenpolitischen Sprecher der Union, Erwin Marschewski (CDU) und der Grünen, Volker Beck. Marschewski forderte eine Diskussion im Innenausschuss über die Frage, innerhalb welcher Grenzen V-Leute agieren dürften.

Die Grünen wollen nach Becks Worten in der kommenden Wahlperiode eine grundsätzliche Debatte im Parlament darüber anstoßen. Ziel müsse eine Stärkung der parlamentarischen Kontrolle sein. Das PKG müsse über jeden V-Mann-Einsatz informiert werden. Wenn das Kontrollgremium Einwände habe, müsse die Maßnahme beendet werden. Den Bedarf einer generellen parlamentarischen Erörterung des Themas V-Leute hob auch Stadler hervor.

Beck regte ferner an, den brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) vor den Innenausschuss zu laden, um den Fall Toni S. zu klären. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) nahm beide V-Leute zum Anlass, einen besseren Informationsaustausch unter den Verfassungsschutzämtern von Bund und Ländern zu fordern.

Stadler und Bosbach äußerten darüber hinaus die Befürchtung, dass das angestrebte Verbot der NPD erschwert werden könnte. Die Beweisführung der Antragsteller werde "jedenfalls nicht erleichtert", hielt Stadler fest. Bosbach sagte, die NPD könne den "Sachzusammenhang" als "Indiz" vorbringen, um ihre Legende der Unterwanderung mit Agenten zu stützen. Das Bundesverfassungsgericht hatte das Verfahren im Frühjahr vorübergehend gestoppt, nachdem maßgebliche NPD-Funktionäre als V-Leute enttarnt worden waren.

Am 29-08-2002

Friedensratschlag protestiert gegen Beobachtung durch Verfassungsschutz

Vorwurf des Antiamerikanismus

Der Bundesausschuss Friedensratschlag protestiert in einem Brief an den Bundeskanzler gegen die neuerliche Aufnahme seiner Organisation in den vom Innenministerium herausgegebenen "Verfassungsschutzbericht 2002". Der Bundesausschuss Friedensratschlag befände sich dort nach eigenen Angaben – zwischen VVN-BdA (der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) und PDS - zwar in einer durchaus ehrenwerten Gesellschaft, vermute aber, dass die Verfasser des Verfassungsschutzberichts dies nicht so positiv gemeint hätten. Der "Friedensratschlag" war maßgeblich beteiligt bei der Mobilisierung von Protest anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten Bush im Mai vergangenen Jahres, er war Mitinitiator der großen Friedensdemonstration, die am 15. Februar in Berlin mehr als 500.000 Menschen auf die Straße brachte.

Der Ausschuss wurde 1994 gegründet und versteht sich als Kommunikationsnetzwerk Hunderter von Friedensinitiativen aus dem ganzen Land und gehört zur breiten Opposition gegen jegliche Militarisierung der deutschen und europäischen Außenpolitik.

Aus der pazifistischen und am Völkerrecht und der UN-Charta orientierten Politik des "Friedensratschlags" habe der Verfassungsschutzbericht in denunziatorischer Absicht eine "in erster Linie antiamerikanischen und gegen das westliche Bündnis gerichtete ´Friedensbewegung`" gemacht, kritisiert die Organisation. Konkret werde dem Friedensratschlag vorgeworfen, er habe im Kampf gegen den drohenden Irakkrieg "den USA unterstellt, sie beabsichtigten weder einen ´Antiterror-Kampf` noch die Beseitigung von Massenvernichtungswaffen oder die Herstellung von Demokratie und Menschenrechten. Es gehe ihnen vielmehr um die Durchsetzung geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen in einer der energiereichsten (Öl-)Regionen der Welt." (Verfassungsschutzbericht 2002, S. 135).

Der Bundesausschuss Friedensratschlag wies die Vorwürfe jedoch zurück. Die Formulierungen seien Teil des herrschenden friedenspolitischen Diskurses dieses Landes und der Vereinigten Staaten. Mit "Antiamerikanismus" habe er nichts zu tun.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag forderte den Innenminister daher auf, die Observierung der Friedensbewegung durch den Verfassungsschutz sofort einzustellen. Etwaige frei werdende personelle Kapazitäten sollten auf fremdenfeindliche, rassistische und kriegsverherrlichende Bestrebungen "umgelenkt" werden. Hier sei größerer Bedarf vorhanden. Es bestehe auch deshalb kein Anlass, den Friedensratschlag zu observieren, weil er alle seine Erklärungen, Broschüren, Memoranden und Buchveröffentlichungen an Regierungsstellen und Abgeordnete zur Kenntnisnahme schicke und zu seinen Veranstaltungen nicht nur die Öffentlichkeit, sondern regelmäßig auch Bundespolitiker einlade.

Am 26-05-2003

Teile des sächsischen Verfassungsschutzgesetzes sind nichtig

DDR-Erfahrung

Teile des sächsischen Verfassungsschutzgesetzes sind nichtig. Das entschied der Verfassungsgerichtshof des Landes am Donnerstag in Leipzig. Die Leipziger Richter erklärten vor allem die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes bei der Beobachtung der Organisierten Kriminalität sowie den Großen Lauschangriff in großen Teilen für nicht mit der Landesverfassung vereinbar. Gegen die Vorschrift hatten 29 PDS-Landtagsabgeordnete (jetzt: Linkspartei) und eine FDP-Parlamentariern vor einem Jahr Klage eingereicht.

Zwar dürfe der Verfassungsschutz auch bei der Organisierten Kriminalität tätig werden, allerdings nur, wenn dies zugleich dem Schutz der verfassungsgemäßen Ordnung im Freistaat diene, erklärte der Vorsitzende Richter des Verfassungsgerichtshofes, Klaus Budewig. Ein Einsatz des Geheimdienstes bei herkömmlicher Gefahrenabwehr und Strafverfolgung hingegen sei nicht zulässig. Dies sei vor allem aus den Erfahrungen aus der DDR abzuleiten, wo Polizei und Geheimdienst nur unscharf voneinander abgegrenzt gewesen seien.

Beim Großen Lauschangriff bewerteten die neun Richter die grundrechtlich garantierte Unverletzbarkeit der Wohnung höher als die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Selbst ein "überwiegendes Interesse der Allgemeinheit" müsse dahinter zurückstehen, sagte Richter Budewig. Er wies daraufhin, dass zudem das Abhören einer Wohnung sofort abzustellen oder zu unterbrechen sei, wenn private Gespräche geführt werden.

Das Verfassungsschutzgesetz verstößt nach Ansicht der Richter auch deswegen gegen die Verfassung, weil es dem Geheimdienst die Weitergabe von Informationen an Polizei und Staatsanwaltschaft gestattet, die diese Behörden legal nicht selbst hätten erheben können. Eine ausreichende Kennzeichnung der Herkunft der Daten sei in dem Gesetz nicht vorgesehen, erklärte Richter Budewig.

Das Gericht setzte dem Gesetzgeber eine Frist bis 30. Juni 2006, um die jetzt als verfassungswidrig eingestuften Gesetzespassagen zu überarbeiten.

Am 21-07-2005

Verfassungsschutz beobachtet angeblich Wissenschaftler Grottian

Sozialforum

Der Wissenschaftler und Mitbegründer des Berliner Sozialforums Peter Grottian wird laut einem Bericht des Magazins "Der Spiegel" vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Behörde sammle seit Jahren Informationen über die Aktivitäten von Grottian und über linke Gruppen, die gegen den rot-roten Senat in Berlin opponierten.

Bundes- und Landesamt für Verfassungsschutz hätten den Professor und Mitstreiter des Sozialforums sogar durch V-Leute ausspähen lassen, schreibt das Nachrichtenmagazin. Der Berliner Verfassungsschutz bestreite jedoch offiziell jede Überwachung. Das Bundesamt wolle sich nicht dazu äußern. Intern werde die umstrittene Operation damit gerechtfertigt, dass Autonome im Sozialforum "mitmischten" und ihre Einflussnahme auf das Bündnis beobachtet werde.

Grottian sagte der Nachrichtenagentur ddp am Samstag, er habe erst durch den "Spiegel"-Bericht von der Überwachung erfahren. Es habe zuvor Mutmaßungen beim Sozialforum darüber gegeben, die aber nicht ernsthafter Natur gewesen seien. Die Überwachung sei "wieder ein Nachweis, dass die Kontrollwut beim Verfassungsschutz ohne jeden Sinn und Verstand" ist.

Die Maßnahme sei geeignet, Bürgern mit Blick auf ihr politisches Engagement Angst zu machen, sagte Grottian. Er sprach von einem Fall der "Selbstdynamisierung des bürokratischen Apparats". Dienste wie der Verfassungsschutz könnten nicht reformiert, sondern nur "auf ein Minimum reduziert oder sogar ganz abgeschafft" werden.

Der Wissenschaftler forderte, dass die "Bespitzelung" eingestellt und allen Betroffenen Akteneinsicht gewährt werde. Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) und der Verfassungsschutz selbst müssten Stellung zu dem Vorgang beziehen. Der Sprecher des Berliner Verfassungsschutzes, Claus Guggenberger, sagte der "Berliner Morgenpost", das Sozialforum sei kein Beobachtungsobjekt.

Am 12-06-2006

Bremer Verfassungsschutzchef bestreitet Fälschungen im Fall Kurnaz

"Ablenkungsmanöver"

In der Kurnaz-Affäre hat der Bremer Verfassungsschutzchef Walter Wilhelm bestritten, Berichte über den ehemaligen Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz gefälscht zu haben. "Es ist abstrus und abwegig zu behaupten, wir hätten irgendwelche Informationen erfunden", sagte Wilhelm am 22. Februar vor dem BND-Untersuchungsausschuss in Berlin. Der Geheimdienst habe weder Kurnaz noch seine Bekannten abgehört, beteuerte der Verfassungsschutzchef. In Medienberichten war Wilhelm vorgeworfen worden, Akten manipuliert zu haben. Der Verfassungsschutz sei erst nach der Festnahme von Kurnaz in Pakistan Ende 2001 auf den Bremer Türken aufmerksam geworden, behauptete Wilhelm. Das Euroäische Parlament glaubt das offenbar nicht.

Das Europäische Parlament geht in seinem in der vergangenen Woche verabschiedeten Bericht zur CIA-Affäre davon aus, dass "einheimische Geheimdienste" Kurnaz schon vorab überwacht haben müssen. So nahm das Europaparlament offiziell "zur Kenntnis, dass Murat Kurnaz in den Verhören Details aus seinem persönlichen Leben vorgehalten worden sind". Diese dränge den Verdacht auf, "dass Murat Kurnaz bereits vor seiner Abreise aus Deutschland mit einer Intensität überwacht worden ist, wie sie für gewöhnlich nur von einheimischen Geheimdiensten aufgebracht werden kann".

Der einheimische Bremer Verfassungsschutzchef schildert das ganz anders. Kurnaz' Mutter habe Sorgen geäußert, ihr Sohn sei in einer Moschee islamisiert worden und könne etwas tun, "was nicht richtig ist". Dies sei der Anlass gewesen, sich die "gefährliche" Szene um die Bremer Abu Bakr Moschee "genauer anzusehen und Informationen zu sammeln".

Der Bremer Verfassungsschutzchef erzählte vor dem BND-Untersuchungsausschuss etwas von Vermutungen, wonach Kurnaz Kontakte zu einem so genannten Hassprediger gehabt haben könnte. Seine Behörde habe den Verdacht gehabt, der Türke wolle in Afghanistan an der Seite der Taliban kämpfen. Diese Informationen habe der Bremer Verfassungsschutz 2002 auch an das Bundesamt weitergeleitet.

Amnesty: Fakt ist, dass Rot-grün eine Einreisesperre verhängte

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty international sprach von einem "durchsichtigen Ablenkungsmanöver". Versuche von Mitgliedern und Vertretern der früheren und heutigen Bundesregierungen, mit "alten und unbelegten Vorwürfen" Kurnaz in die Nähe des islamistischen Terrorismus zu rücken, "sind nichts als ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver".

"Egal in welcher Form und Verbindlichkeit 2002 ein Angebot zur Freilassung Kurnaz vorlag: Fakt ist, dass die damalige Bundesregierung eine Einreisesperre verhängte. Und alles deutet darauf hin, dass sie aktiv seine mögliche Wiedereinreise verhindert hat", sagte Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von Amnesty Deutschland.

Sie wies darauf hin, dass Murat Kurnaz in Deutschland geboren ist. Seine Familie lebe hier. "Er saß fünf Jahre unschuldig in Haft und war schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Die Bundesregierung wusste das. Sie hätte sich aktiv um seine Freilassung aus Guantánamo bemühen müssen - und gegebenenfalls um Überstellung an ein ordentliches Gericht, wenn es stichhaltige Hinweise auf eine Verwicklung in terroristische Aktivitäten gegeben hätte. Solche hat aber auch die fünfjährige Ermittlung der Staatsanwaltschaft Bremen nicht ergeben", so Lochbihler.

Der letzte Woche vorgelegte Bericht des EU-Parlaments zur Beteiligung europäischer Staaten an den Verschleppungen der CIA in Geheimgefängnisse stelle fest, dass es "im Jahr 2002 eine Aussicht auf Freilassung von Murat Kurnaz aus Guantánamo gegeben hat, die von den deutschen Behörden nicht angenommen wurde". Das EU-Parlament fordere weiterhin eine vollständige Klärung der Umstände des Falls Kurnaz. Der Bericht verweist explizit darauf, dass diese im BND-Untersuchungsausschuss geklärt werden müssten. "Dieser Bericht entlastet den damaligen Kanzleramtschef Steinmeier also nicht", so Lochbihler.

Am 23-02-2007

Laut Verfassungsschutzbericht neuer Höchststand "rechter" Straftaten

"Diskussionen beobachtet"

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat sich besorgt über den Anstieg "rechter" Kriminalität in Deutschland in geäußert. Laut dem am Dienstag vorgestellten Verfassungsschutzbericht 2006 stieg die Zahl der "politisch rechts motivierten Straftaten mit extremistischem Hintergrund" um fast 15 Prozent. Auch die Teilmenge politisch rechts motivierter Gewalttaten mit extremistischem Hintergrund sei im Jahr 2006 gegenüber dem Vorjahr um rund 9,3 Prozent angewachsen. Insgesamt stieg die politisch motivierte Kriminalität dem Bericht zufolge in 2006 um rund zehn Prozent auf einen neuen Höchststand von 29.050 Delikten. Davon waren 18.142 Straftaten rechts, 5363 links motiviert. Bei linksextremen Gewalttaten habe es einen leichten Rückgang gegeben. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen sagte Schäuble, dass "die größte Bedrohung für die Stabilität und die Sicherheit in Deutschland" weiterhin vom "islamistischen Terrorismus" ausgehe.

Als Beleg für diese These führte der Minister "die fehlgeschlagenen Attentate durch Kofferbomben auf zwei Regionalzüge im Juli des vergangenen Jahres" sowie zwei im März und April diesen Jahres im Internet veröffentlichten Videobotschaften an. Dies zeige deutlich, "dass auch Deutschland mit einer neuen Qualität terroristischer Aktivitäten rechnen muss", so Schäuble.

Bezogen auf "rechtsextreme Organisationen" sagte Schäuble, dass diese "mehr und mehr in die gesellschaftliche Mitte" vordringen würden. Er konstatierte eine "zunehmende Attraktivität der Szene für junge Menschen", etwa durch Freizeitangebote. Die NPD habe ihre Mitgliederzahl um rund 1000 auf 7000 erheblich ausgebaut. Ein neues NPD-Verbotsverfahren lehnte Schäuble ab. Dazu müsste die Beobachtung durch die Geheimdienste eingestellt werden, was aus Sicherheitsgründen nicht möglich sei.

Der CDU-Politiker warb für eine schnellstmögliche Gesetzesregelung zu den umstrittenen Online-Durchsuchungen der Geheimdienste. Terroristen verlagerten sich zunehmend in die virtuelle Welt. Das Internet sei "Werbeträger, Fernuniversität, Think-Tank und Trainingscamp in einem".

Mit Blick auf den G8-Gipel im Juni in Heiligendamm warnte Schäuble, die Gewaltbereitschaft der links-autonomen Szene sei "ungebrochen". Warnungen vor einer "neuen RAF" wies Bundesverfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm aber als "völlig gegenstandslos" zurück. Allerdings würden in der Szene "Diskussionen beobachtet", "ob es zweckmäßig ist, zu Anschlägen auf Personen zurückzukehren". Personenschäden würden bei Anschlägen zum Teil bereits in Kauf genommen.

Die Linkspartei bleibe im Visier des Verfassungsschutzes. Es gebe nach wie vor "Anhaltspunkte für linksextremistische Bestrebungen", die eine weitere Beobachtung notwendig machten, sagte Schäuble.

Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sprach von einem "Skandal". Der Verfassungsschutzbericht sei "Beleg für Schäubles bedenkliche Sicht auf die Freiheitsrechte, seine Kurzsichtigkeit im Bezug auf den Rechtsextremismus und seinen absurden, politisch geprägten Blickwinkel auf die Linkspartei.PDS". Die Zahlen zu rechter Kriminalität umfassten lange nicht alle relevanten Aktionen. "Wenn nicht blind, so ist der Verfassungsschutz hier zumindest kurzsichtig."

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, führte den Anstieg politischer Kriminalität auf einen Glaubwürdigkeitsverlust der Politik und eine zunehmende "soziale Spaltung" der Gesellschaft zurück. Der wachsende Zuspruch mache Rechtsextremisten mutiger, ihr wahres kriminelles Gesicht zu zeigen. "Zusammen" mit dem linken Widerstand setze sich eine "Spirale der Gewalt" in Bewegung.

Am 15-05-2007

Redakteur erhält nun doch Gipfel-Akkreditierung

Andere Journalisten ausgeschlossen

Der G8-Berichterstatter der Berliner "Tageszeitung" ("taz"), Felix Lee, erhält nun doch eine Akkreditierung für den G8-Gipfel in Heiligendamm. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm kündigte am Freitag an, er habe im Amt eine "Tendenz vorgegeben", hier doch eine Akkreditierung zu erteilen. Lee selbst erhielt am Nachmittag eine E-Mail des Bundespresseamts, in welcher die Mitarbeiter des Amts angewiesen wurden, die Akkreditierung doch zu erteilen. Dem stellvertretenden Chefredakteur der "taz", Reiner Metzger, zufolge war Lee zunächst die Akkreditierung bestätigt, dann unter Berufung auf eine BKA-Empfehlung wieder entzogen worden. Die Einwände kamen nach seinen Angaben vom Bundesamt für Verfassungsschutz.

Wilhelm und ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, dass wie bei Großveranstaltungen üblich standardisierte Sicherheitsüberprüfungen von Beteiligten vorgenommen würden. Die Federführung der Überprüfungen liege beim Bundeskriminalamt (BKA).

Lee betonte, auch nach der neuerlichen Anerkennung der Akkreditierung seien ihm keine Gründe für die zwischenzeitliche Ablehnung genannt worden. Beim Verfassungsschutz sei von einer "Panne" die Rede gewesen. Lee selbst verglich die Maßnahme mit den Razzien vor rund zwei Wochen gegen G8-Protestgruppen. Mit der Verweigerung der Akkreditierung sei das BPA jetzt "eindeutig übers Ziel hinausgeschossen".

20 Anträge auf Akkreditierung zum Pressezentrum abgelehnt

Laut Bundespresseamt wurden von 4700 Anträgen auf Akkreditierung zum Pressezentrum des G8-Gipfels etwa 20 abgelehnt, darunter auch jene einer freien Fotografin aus Hamburg, eines freien Kameramanns und eines polnischen Journalisten. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte, dass auch in den anderen Ablehnungsfällen die Zulassungen rasch erteilt werden müssten.

Die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Grietje Bettin, sagte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mache sich unglaubwürdig, wenn sie im Ausland Menschenrechte einklage, "im Inland aber missliebige Journalisten an ihrer Arbeit hindert".

Wilhelm behauptete, dass keine politischen Gesichtspunkte zu Ablehnungen führen würden. Dem Bundespresseamt liege daran, dass auch eine kritische Berichterstattung als "Salz der Demokratie" möglich sei, sagte er.

Am 01-06-2007

Verfassungsklage gegen Ausspähung durch Verfassungsschutz eingereicht

Krimineller Verbindungsmann des Verfassungsschutzes von Behörden gedeckt?

NRW-Landtag berät über V-Mann

Der Düsseldorfer Landtag wird sich mit einem angeblich zwielichtigen V-Mann des Verfassungsschutzes beschäftigen. Die nordrhein-westfälische Landesregierung widersprach am 4. September Vorwürfen, ein krimineller Verbindungsmann des Verfassungsschutzes sei von den Behörden gedeckt worden. Auf keinen Fall werde die Strafverfolgung von V-Leuten verhindert, sagte ein Sprecher von Innenminister Ingo Wolf (FDP) in Düsseldorf. Zu dem konkreten Fall wollte er aber keine Auskünfte geben.

An einem unbekannten Ort tagte am 4. September das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Landtags in Düsseldorf zu dem Fall. Ergebnisse der Sitzung wurden nicht bekannt. Das achtköpfige Gremium besteht aus Abgeordneten der vier Fraktionen CDU, SPD, FDP und Grünen, die den Verfassungsschutz kontrollieren sollen.

Anlass der streng vertraulichen Sondersitzung des PKG waren mehrere Medienberichte über Verwicklungen des Verfassungsschutzes mit der rechten Szene. Die "Frankfurter Rundschau" hatte berichtet, dass ein V-Mann des NRW-Verfassungsschutzes wegen Nötigung, Körperverletzung, Verstößen gegen das Waffengesetz und Drogenhandel verurteilt worden sei.

Der Mann soll Kokain geschmuggelt, mit Waffen gehandelt, an einem Raubüberfall mitgewirkt und für den Verfassungsschutz als V-Mann im Umfeld von Neonazis gearbeitet haben. Die Polizei habe das Telefon des Mannes überwacht. Daraus sei bekannt geworden, dass dieser als V-Mann geführt wurde, schrieb die Zeitung.

Bereits in der vergangenen Woche hatte die in Bielefeld erscheinende "Neue Westfälische" berichtet, dass der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz den schwerkriminellen Mann "in der rechtsradikalen Szene als Spitzel geführt" habe. Der Straftäter sei gezielt vor polizeilicher Verfolgung geschützt worden, berichtete das Blatt. Die SPD hatte daraufhin Aufklärung von Wolf gefordert.

Ein Ministeriumssprecher wollte zu dem konkreten Fall keine Auskunft geben. Allgemein sei es aber so, dass der Verfassungsschutz im Falle einer schweren Straftat die Zusammenarbeit mit V-Leuten beende.

Am 04-09-2007

Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt gegen NRW-Verfassungsschützer

Geheimdienstler unter Verdacht

Die Justiz sucht einen Geheimdienstler, der einen kriminellen V-Mann in der Neonaziszene vor Strafverfolgung geschützt haben soll. Die Bielefelder Staatsanwaltschaft ermittelt gegen unbekannte Mitarbeiter des NRW-Verfassungsschutzes wegen des Verdachts des Geheimnisverrates und der Strafvereitelung. "Wir ermitteln seit Mitte August", bestätigte der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgartl am 5. September einen Bericht der "Neuen Westfälischen". Nach ddp-Informationen aus dem Düsseldorfer Landtag soll ein "V-Mann-Führer" des Verfassungsschutzes seinen Verbindungsmann aus der rechten Szene vor polizeilichen Ermittlungen gewarnt haben.

Der Verdächtige soll den V-Mann angeblich dazu ermuntert haben, statt seines Mobiltelefons besser eine Telefonzelle zu benutzen, da diese abhörsicher sei.

"Frankfurter Rundschau" und "Neue Westfälische" hatten zuvor berichtet, dass der V-Mann ein Schwerkrimineller sei. Er sei bereits wegen Nötigung, Körperverletzung, Verstößen gegen das Waffengesetz und Drogenhandel verurteilt worden. Der Mann soll Kokain geschmuggelt, mit Waffen gehandelt, an einem Raubüberfall mitgewirkt und für den Verfassungsschutz als V-Mann im Umfeld von Neonazis gearbeitet haben. Die Polizei habe das Telefon des Mannes überwacht. Daraus sei bekannt geworden, dass dieser als V-Mann geführt wurde.

Am 12. September wird sich der Innenausschuss des Landtags mit dem Thema beschäftigten. Am Dienstag hatte das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) in Düsseldorf zu den Vorwürfen gegen den Verfassungsschutz getagt. Ergebnisse der Sitzung wurden nicht bekannt. Das achtköpfige Gremium besteht aus Abgeordneten der vier Fraktionen CDU, SPD, FDP und Grünen, die den Verfassungsschutz kontrollieren sollen.

Politiker hielten sich am 5. September mit Kommentaren zu dem Vorgang zurück. Man wolle in die Auseinandersetzungen zwischen Justiz und Verfassungsschutz nicht eingreifen, hieß es.

Die Landesregierung wies Vorwürfe, ein krimineller V-Mann des Verfassungsschutzes sei vor Strafverfolgung geschützt worden, erneut zurück. Auf keinen Fall werde die Strafverfolgung von V-Leuten verhindert, sagte ein Sprecher von Innenminister Ingo Wolf (FDP).

Am 05-09-2007

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