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Wissenschaft und Philosophie

Vernunft in Gefahr? Jürgen Beetz über Esoterik, Dummheit und Manipulation

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Der Autor Jürgen Beetz erweckte in seinem Buch »Eine phantastische Reise durch Wissenschaft und Philosophie« Don Quijote und Sancho Pansa wieder zum Leben und ließ sie hundert Streitfragen zwischen den beiden Denkgattungen ausdiskutieren. Im Exklusiv-Interview mit NGO Online erklärt er, warum er Vernunft und kritischen Zweifel in Gefahr sieht, inwiefern er die Atombombe als moralisch neutral betrachtet und wo die Dummheit grassiert.


NGO: Was war Ihre wichtigste Motivation, das Buch zu schreiben?

BEETZ: Vielleicht eine innere Stimme, die mir sagte: „Du musst doch mal das übliche Gemuschel von Argumenten – besonders die Abwertung rationalen Denkens – etwas auseinanderharken!“ Also der Versuch, die teilweise überlappenden Fragen und Antworten der wissenschaftlichen und philosophischen Sicht einander gegenüberzustellen. Mit allen Ungereimtheiten, die mir in diversen Diskussionen begegnet sind. Denn ich treffe zu viele Menschen, die frei von Fakten, Wissen und Erfahrungen zu diversen Gebieten eine unerschütterliche Meinung äußern, die durch nichts zu verändern ist. Dummerweise: Wenn ich morgens in den Spiegel schaue, sehe ich einen von ihnen. Doch Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.

Was würden Sie als die zentrale Botschaft ihres Buches bezeichnen?

Beetz Phantastische Reise

BEETZ: „Botschaft“, das klingt so missionarisch. Das hatte ich nicht im Sinn. Vielleicht war es die Anregung zum Nach-Denken – mit Bindestrich! –, zum Zweifeln, zum Hinterfragen. Das war auch schon mein Anliegen in meinem ersten Buch „Denken – Nach-Denken – Handeln“. Oder wie ein früherer Kollege zu sagen pflegte: „Use your brain!“ Ich wollte auch den Graben zwischen vermeintlich schöngeistigem Denken (der Philosophie) und reduktionistischem Beobachten (der Wissenschaft) zeigen und dazu anregen, diesen Graben öfter mal zu überspringen. Ach was, Botschaft... Ich wollte eigentlich nur den Inhalt verschiedener konfuser Gespräche und vielleicht nicht minder konfuser Gedanken zu Papier bringen. Der Rufer in der geistigen Wüste wollte ich nie sein.

Inwiefern halten Sie die Vernunft für bedroht? Wer oder was bedroht sie?

BEETZ: Eine Bedrohung kommt aus der Unwissenheit und dem Unvermögen, die zunehmende Komplexität der Welt zu durchschauen. Ich stimme dem Satz von Bernd-Olaf Küppers zu: „Nur Wissen kann Wissen beherrschen.“ Die Regression in alte Glaubensinhalte oder in mystische Zustände führt nicht weiter. Echte Spiritualität ist etwas anderes. Auch die geistige Evolution bewegt sich nur vorwärts, nie zurück. „Zurück zur Natur“ – das ist eine Illusion. Die zweite Bedrohung ist die Manipulation: der politisch-medial-industrielle Komplex mit seiner Überzeugungs- oder Überredungsmacht, der vernünftiges Denken mit subtilen Wunscherfüllungen zuschüttet. Doch auch hier darf man keine einfachen Zusammenhänge annehmen – Stichwort „Volksverdummung“ durch die bösen Medien. „Rückkopplung“, eines meiner zentralen Themen, ist auch hier im Spiel. Weder verdummen Meinungsmanipulatoren die arglosen Konsumenten, noch befriedigen sie nur als gehorsame Dienstleiter die Wünsche der blöden Massen. Der Konsument verlangt, was er bekommt, und bekommt, was er verlangt. Ein sich selbst nährender rückgekoppelter Prozess.

Haben Sie da ein konkretes Beispiel im Sinn?

BEETZ: Ohne Anwesenheit meines Anwaltes ist die Frage schwer zu beantworten. Vielleicht kann ich es so andeuten: Das Fernsehpublikum ist der vielen hoch gestochenen Talkshows müde, in denen schwierige Sachverhalte mit wohlgesetzten Worten hin- und hergewälzt werden. Die Einschaltquoten sinken, und sie werden in den Dritten Programmen oder auf späten Sendeplätzen entsorgt. Zeigt aber ein populärer Moderator, dass man das Interesse vor allem der jungen Generation an politischen Diskussionen durchaus wecken kann, indem er die Themen bis auf das Niveau einer Boulevardzeitung oder des Stammtisches verflacht, dann bekommt er Schelte von den Intellektuellen, und zwar zu Recht. Quintessenz dieses langen Satzes ist: Die Zuschauer wollen einfache Antworten, der Sender bietet sie an und hält damit das geistige Niveau niedrig.

Wo begegnet Ihnen in der Öffentlichkeit die Missachtung mathematischen und naturwissenschaftlichen Denkens, die Sie beklagen?

BEETZ: Überall und immer. Es ist auch mehr, eine generelle Missachtung des vernünftigen Zweifels. Und die grassierende Zunahme des „New Age for Dummies“, das mit seinen „Wünschen an das Universum“ eine fundierte wissenschaftliche und philosophische Betrachtung der Welt untergräbt. Besonders die ohne großes Nachdenken und Abwägen „aus dem Bauch heraus“ entstehenden Meinungen und Einstellungen halte ich für gefährlich, weil oft unrealistisch. Wunsch- oder Angstträume. Manchmal würde es schon reichen, einfach nur mal nachzurechnen. Man muss aber dagegenhalten: Wir breiten die Filzdecke unserer Vorurteile, die wir „Erfahrung“ nennen, über den Dingen aus und kommen damit ganz gut durch. Andernfalls wäre unsere Spezies schon ausgestorben, denn die exakte Wahrheit mit allen Details herauszufinden ist langwierig bis unmöglich.

Gibt es nicht auch gegenteilige Tendenzen? Ist es nicht problematisch, wenn nur solche Erkenntnisse als Fakten gelten, die man in Zahlenform ausdrücken kann?

BEETZ: Das ist eines der häufigsten Missverständnisse von „Wissenschaft“, um es nicht als „Killerargument“ zu bezeichnen. Viele Erkenntnisse, viele Fakten lassen sich nicht quantifizieren, sind aber trotzdem „wahr“, also wissenschaftlich gesichert. Oder durch andere Dinge abgesichert, zum Beispiel durch gegenseitiges Vertrauen oder Erkenntnisprozesse jenseits der Zahlenwelt. Und die „gegenteiligen Tendenzen“ kommen leider in zwei gegensätzlichen Gewändern daher: einerseits als rückwärtsgewandter – teils esoterischer – uralter Aberglaube, der jeglicher aufgeklärter Geisteshaltung Hohn spricht. Andererseits als spirituelle Erweiterung der – zugegebenermaßen engen – Sicht wissenschaftlicher Betrachtungsweise. Die Bewusstseinsforschung zeigt uns hier interessante und vielversprechende Wege.

Sehen Sie kein Problem darin, wenn im Meinungsstreit Zahlen und Statistiken als Argumente eingesetzt werden, um fragwürdige Thesen und Prognosen zu begründen? Wie stehen Sie zu der Zahlengläubigkeit, die das möglich macht?

BEETZ: Ambivalent. Einerseits sind Zahlen und Fakten besser als bloße Meinungen. Einer meiner Lieblingssätze ist: „Eine starke Behauptung ist besser als ein schwacher Beweis.“ Aber nicht weil ich ihm zustimme, sondern weil wir oft nach diesem Motto hereingelegt oder auch nur scheininformiert werden. Wenn ich höre, dass „die Menschen immer ärmer werden“, dann wüsste ich gerne, welche und wie viele Menschen wie arm geworden sind. Umgekehrt darf man natürlich nicht jeder Zahl glauben, besonders dann nicht, wenn sie aus einem Berg widersprüchlicher Daten herausgepickt wurde. Aber mit diesen Zahlen habe ich wenigstens einen Ansatzpunkt, um fragwürdige Thesen auszuhebeln. Denn Quantität ist auch immer Qualität. Die Dosis macht das Gift. Und die möchte ich gerne kennen.

Wie sind Sie darauf gekommen, die Streitfragen Don Quijote und Sancho Pansa in den Mund zu legen?

BEETZ: Das war ein spontanes Gefühl: Nach einer der vielen Diskussionen mit Freunden hatte ich das Empfinden, wie Don Quijote gegen die Windmühlen von – in meinen Augen merkwürdigen – Ansichten zu kämpfen. Zum Beispiel, dass der Mond das Wachstum der Haare beeinflusst. Oder „Erdstrahlen“ meinen Schlaf. Dann dachte ich mir, Don Quijote kämpft vielleicht gegen die Dummheit und für Weisheit und Erkenntnis. Ein idealistischer Wahrheitssucher, ein Philosoph. Und der Knecht der Philosophie ist die Wissenschaft, also Sancho Pansa. Nur, dass sie sich emanzipiert hat und der Knecht zum Herrn der modernen Welt geworden ist. Und ein genialer Einfall, wie ich zugeben muss: Ich brauche kein Meinungsverkündungsbuch zu schreiben, sondern kann alle Gegensätze im Dialog und manchmal im Streit zwischen den beiden auch mal unaufgelöst stehen lassen.

Sie möchten Ihre eigene Meinung nicht deutlich werden lassen?

BEETZ: Doch, doch. Aber manchmal bin ich selbst unsicher, welche Position „richtig“ ist. „Was kümmern mich die Fakten, ich habe doch schon meine Meinung!“ – dieser Spruch ist nicht mein Ding. Das ist die Zwiebelnatur der Wahrheit: Je mehr man sich mit den Dingen beschäftigt, desto vielschichtiger werden sie.

Ist Ihnen schon mal jemand begegnet, der diesen Satz gesagt und ernst gemeint hat?

BEETZ: Nein, gesagt und ernst gemeint hat ihn noch keiner. Dazu müsste man sehr selbstironisch sein. Aber die Haltung einiger Menschen lässt mich vermuten, dass dies ein inneres Leitmotiv ihrer „Wahrheitssuche“ – in Anführungsstrichen – ist.

Wenn Don Quijote und Sancho Pansa sich so richtig streiten – mit wem halten Sie dann mehr?

BEETZ: Zu beiden, denn „Zwei Seelen wohnen, ach!, in meiner Brust“. Wie gesagt: In vielen Fragen verstehe ich beide Standpunkte und finde es manchmal schwer, Position zu beziehen. Aber natürlich nicht immer, in grundsätzlichen Fragen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit kann man sich nicht auf Kompromisse zurückziehen. Und Sie werden gemerkt haben, dass ich durchaus der Meinung der Naturwissenschaft zuneige. Aber ich muss noch mal wiederholen, was im Vorwort steht: Nicht alle Aussagen mache ich mir zueigen, viele sind auch nur der Spiegel der Meinungen anderer, die ich in Diskussionen kennen gelernt habe.

Sind technische Erfindungen wie die Atombombe wirklich moralisch neutral? Haben solche Techniken nicht Rückwirkungen auf das Denken der Menschen, die damit umgehen? Sie gehen im Buch ja selbst auf Rückkopplungen ein.

Möglicherweise sind sie es nicht, das gebe ich zu. Aber was ist „böse Technik“, wo ziehen wir die Grenze? Beim Baseballschläger, beim Dynamit, bei der Kalaschnikow, bei der Genmanipulation? Schon Alfred Nobel hat damit gerungen. „Uh, die Atombombe ist böse“ – das ist mir zu simpel. Jede Technik – vom Faustkeil bis zum Internet – kann zum Töten benutzt werden. Es scheint mir noch am einfachsten und sichersten – aber vielleicht ist es auch zu einfach –, die wissenschaftliche Erkenntnis und die technische Erfindung an sich als moralisch neutral anzusehen und erst ihre Verwendung einer ethischen Beurteilung zu unterwerfen. Das gilt ebenfalls für die „friedliche“ Nutzung der Kernenergie, die ja auch einige dieser Fragen aufwirft. Nicht die Wissenschaft ist böse oder die Technik, sondern die Menschen. Der der Atombombe entsprechende Sündenfall in Biologie, Gentechnik und den Neurowissenschaften steht uns ja noch bevor. Und, klar, der Mensch erschafft die Technik... und die Technik formt den Menschen – diese Rückkopplungen sind wie überall schwer zu entwirren und schon gar nicht auf einen linearen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zu reduzieren.

Die Menschen sind böse? Ist das wissenschaftlich gesichert?

BEETZ: Das weiß ich nicht. Michael Schmidt-Salomon hat ein ganzes Buch darüber geschrieben. Der Philosoph Don Quijote würde spätestens nach seinem sprachphilosophischen Vortrag über Wittgenstein erst einmal nachdenken, was „böse“ überhaupt bedeutet. In unserer durch die Erziehung geprägten Meinung sind sich die meisten Menschen aber durchaus sicher, dass es das Böse gibt. Aber sie sind nicht nur böse, sondern auch gut - beide Eigenschaften stecken in uns. Insofern wird das zu einem aussagefreien Satz. Zumindest haben sie das Potenzial, böse zu sein und den Hammer auf meinen Kopf anstatt auf den Nagel zu hauen.

Naturwissenschaftler und Techniker sind Menschen. Sie können also böse sein. Welche Auswirkung hat das auf ihre Arbeitsergebnisse?

BEETZ: Eine böse Auswirkung. Ist doch klar. Genau wie bei Ärzten, Priestern, Krankenpflegern, Politikern, Gefängniswärtern, Sozialarbeitern, Textern und Autoren. War diese Antwort böse genug?

Fehlen Ihnen an dieser Stelle nicht sozialwissenschaftliche Fragestellungen?

BEETZ: Ja, das gebe ich zu. Ein Manko, auf das ich schon hingewiesen wurde. Ich habe mich mit ihren Gesetzmäßigkeiten zu wenig beschäftigt, das muss ich einräumen. Auch sehe ich hier noch viel stärker als in den Naturwissenschaften das Problem, dass Paradigmen und Weltanschauungen die „Wahrheit“ formen.

Wo in der Gesellschaft konzentriert sich die Dummheit, die Sie bekämpfen? Ist es nur Dummheit, oder stecken auch Absichten der Verdummung dahinter? Wenn ja, welche Interessen könnten dahinter stecken?

BEETZ: Ganz klares „Ja“ beim zweiten Teil Ihrer Frage. Dummheit alleine ist ja keine Schande, um es mal platt zu sagen. Ich wende mich aber gegen die Borniertheit, die sich neuen Einsichten verschließt. Und manchmal auch gegen die political correctness, die – z. B. in Talkshows – jeden Unsinn unter dem Mäntelchen der Toleranz gegen Andersdenkende ungerügt durchgehen lässt. Damit wird sie zum Feind des geistigen Fortschritts. Jedoch, jemandem Bildungschancen vorzuenthalten, ist schon eher absichtlich. Auch hier nicht unbedingt eine einseitig gerichtete Absicht, sondern wieder so ein versteckter Rückkopplungskreis: Die Medien bedienen die Wünsche der Dummen, die durch die Medien erst erzeugt worden sind. Das ist nicht nur beim „Dschungelcamp“ so, es fängt schon bei der „Tagesschau“ an. Und die Urheber der Interessen sind die üblichen Verdächtigen: die, die ihre Herrschaftspositionen zementieren wollen.

Gibt es da einen, der Sie besonders stört?

BEETZ: Wie schon gesagt, ohne meinen Anwalt… einige von den Personen sind erfreulicherweise gerade zurückgetreten, gestürzt, abgewählt oder sonst irgendwie durch demokratische Prozesse an ihrem Wirken gehindert worden. In unserer gegenwärtigen Lage konzentriert sich der Verdacht besonders auf die Gruppe von Zeitgenossen, die wir so gerne mit dem Begriff „der Kapitalismus“ oder „der Markt“ entpersonifizieren.

Was wollen Sie damit sagen, dass der Philosoph ständig den Naturwissenschaftler um Rat fragt, aber so selten umgekehrt?

BEETZ: Hmm... erst mal gar nichts. Vielleicht ist es mir nur so herausgerutscht. Ich könnte natürlich eine Rationalisierung hinterher schieben: dass faktisch die Wissenschaft die Bestimmung unserer Welt übernommen hat und die Philosophie sich nach ihr richten muss. Also zum Beispiel in der Bewusstseinsforschung, etwa beim Leib-Seele-Dualismus. Da kann man die Erkenntnisse der Neurowissenschaften nicht ignorieren oder gar für ungültig erklären. Aber je mehr ich mich mit philosophischen Fragen beschäftige, desto mehr erkenne ich ihre Bedeutung, die weit über die Sicht der Wissenschaft hinausgeht.

Was können Philosophen von Naturwissenschaftlern lernen, was Naturwissenschaftler von Philosophen? (das wichtigste)

BEETZ: Zur ersten Frage: das, was eigentlich beider Job ist – den Zweifel. Mein subjektiver Eindruck ist, dass manche Philosophen so begeistert von ihren filigranen Gedankengebäuden sind, dass sie sie immer weiter ausbauen und gar nicht hinterfragen, ob ihr Fundament überhaupt richtig ist. Manche verletzen bei ihren Schlussfolgerungen die einfachsten Gesetze der formalen Logik. Umgekehrt erlebe ich, dass viele Naturwissenschaftler nur das „Wie“ und „Wieviel“ im Auge haben, aber sich nicht um das „Warum“ und „Wozu“ kümmern. Daher kommen dann alle die Entgleisungen (um es mal milde auszurücken), die dann der Naturwissenschaft als solches angelastet werden. Stichwort „Atombombe“. Und sie lassen sich zu leicht vom Geld verführen, denn schließlich schaffen sie ja – ich bitte die Philosophen um Verzeihung – etwas Nützliches.

Wollten Sie in Ihrem Buch ausschließlich tiefgehende philosophische Fragen beantworten?

BEETZ: O nein! Es sind Fragen, die immer wieder in verschiedenen Köpfen auftauchen, nicht nur Fragen nach dem Sinn des Lebens oder: „Wie soll ich handeln?“ Ganz praktisch: ob man einen Freund, der etwas Ungesetzliches getan hat, verpfeifen darf. Oder wie man im täglichen Leben, etwa in der privaten Kommunikation, „Negativspiralen“ erkennt und bekämpft. Und Antworten gebe ich schon gar nicht – in schönster philosophischer Tradition. Es reicht oft, den Leuten die Frage bewusst zu machen. Jeder findet dann seine eigene Antwort.

Könnte es sein, dass Philosophen deshalb schlechter bezahlt werden als Naturwissenschaftler, weil sie so häufig die in sie gesetzte Hoffnung auf Antworten enttäuschen?

BEETZ: Ja, vielleicht. Ich glaube aber, dass sie durchaus Antworten geben. Sie sind jedoch weder industriell noch wirtschaftlich verwertbar und versprechen auch keinen kurzfristigen Gewinn. Vielleicht erfordern sie sogar ein Umdenken, eine Veränderung unseres Verhaltens, einen Verzicht auf Konsum, eine Verschiebung unserer Werte. Und wer macht das schon gerne?!? Carpe diem, lebe heute! Den Schlamassel, den wir hinterlassen, werden unsere Kinder schon richten.

Wie sehen Sie die Zukunft des Zusammenwirkens oder auch des Auseinanderdriftens der beiden Denkdisziplinen?

BEETZ: Ich bin kein Anhänger eines Streites oder Gegensatzes zwischen Wissenschaft und Philosophie – im Gegenteil. Beide versuchen, die Welt zu erkennen, beide haben eine kritische Grundhaltung. Das ist der Weg, den wir gehen müssen, in interdisziplinärer Zusammenarbeit. „Nur Wissen kann Wissen kontrollieren“, wie ich schon zitiert habe. Oder, wie Yann Arthus-Bertrand es in seinem Film „Home“ ausdrückt: „Für Pessimismus ist es zu spät“.

Ein prächtiges Schlusswort! Herr Beetz, ich danke für das Gespräch.

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