DIE Internet-Zeitung
Interview mit Wolf von Fabeck

"Geringere Förderung der Solarenergie ist verantwortungslos"

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Die Spitzen von Union und FDP haben sich auf eine Kürzung der Förderung von Solarstrom geeinigt. Wie CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich mitteilte, will die schwarz-gelbe Koalition die Förderung von Solaranlagen auf Dachflächen zum 1. Juni um 16 Prozent zurückfahren, auf Freiflächen zum 1. Juli um 15 Prozent. Damit will die Regierung eine angebliche "Überförderung" des Solarstroms stoppen. Für Wolf von Fabeck, Geschäftsführer des Solarenergie-Fördervereins Deutschland, ist das eine verantwortungslose Politik. Im Interview mit ngo-online sagt er: "Die Firmen brauchen stabile und verlässliche Förderbedingungen."


ngo-online: Herr von Fabeck, vorgestern hat Umweltminister Norbert Röttgen erklärt, er wolle rasch aus der Atomenergie aussteigen. Wie beurteilen Sie seine Äußerung?

Wolf von Fabeck: Diese Äußerung ist die Wiederholung einer Äußerung vom November 2009 gegenüber der "Bild"-Zeitung, in der Röttgen darauf aufmerksam machte, dass die Bevölkerung die Atomenergie nicht akzeptiert. Mit solchen Äußerungen verschafft sich Röttgen kurzfristig Sympathien.

Doch seinen Worten lässt Röttgen keineswegs Taten folgen, sonst würde er sich für die schnellere Einführung der Nachfolgetechniken, insbesondere der Sonnenenergie und der Windenergie im Binnenland einsetzen. Da aber hapert es erheblich.

Am 20. Januar hatte Röttgen die "Eckpunkte der künftigen Photovoltaikvergütung im EEG" bekannt gegeben. Er will die Einspeisevergütung zum 1. April noch einmal um weitere 15 Prozent absenken und künftig das Mengenwachstum der Photovoltaik auf 3000 Megawatt pro Jahr beschränken.

3000 Megawatt Photovoltaik erzeugen im Jahr etwa so viel Strom wie ein Drittel Atomkraftwerksblock. Das Wachstum der Photovoltaik soll sogar noch stärker gebremst werden, wenn pro Jahr mehr Solaranlagen installiert werden als 3000 Megawatt.

Jetzt hat die schwarz-gelbe Regierungskoalition beschlossen, die Förderung von Solaranlagen auf Dachflächen zum 1. Juni um 16 Prozent zurückfahren.

Vor kurzen noch plädierte sogar die Photovoltaik-Branche für eine Absenkung der Vergütungssätze für Solarstrom. Jetzt laufen die Verbände gegen die von Umweltminister Röttgen geplante Förder-Reduzierung Sturm. Wie ist das zu erklären?

Von Fabeck: Es gibt keine einheitliche Photovoltaik-Branche, es gibt vielmehr Zig-Tausende von Akteuren auf diesem Gebiet. Sehr grob lassen sie sich in vier Gruppen einteilen, wobei die Grenzen fließend sind und manche Akteure durchaus auch mehreren Gruppen angehören.

Zur ersten Gruppe gehören Firmen, die mit der Herstellung von Solaranlagen Geld verdienen. Viele davon sind organisiert im BSW, dem Bundesverband Solarwirtschaft, der als Branchenvertreter auftritt.

Zur zweiten Gruppe gehören die Betreiber von Solarstromanlagen, zumeist Privatleute, die ein eigenes Dach haben und darauf Solarstrom produzieren oder produzieren wollen.

Zur dritten Gruppe gehören Menschen, die sich Sorgen wegen des Klimawandels und wegen der wachsenden radioaktiven Hinterlassenschaften machen und dagegen etwas unternehmen möchten.

Zur vierten Gruppe gehören diejenigen, die sich nach außen als Freunde und Fachleute für Solarenergie darstellen, aber in der Diskussion um diese Technik die Interessen der Stromwirtschaft vertreten.

Beginnen wir mit der letztgenannten Gruppe: Diese fordert bereits seit Jahren, die Einspeisevergütung für Solarstrom müsse dringend abgesenkt werden, da die Hersteller von Solaranlagen sich eine "goldene Nase" verdienen würden und damit die Stromverbraucher unzumutbar belasten würden. Dahinter steckt bei einigen der Akteure vielleicht Naivität, aber bei anderen steht sicherlich die Erkenntnis dahinter, dass man das Aufwachsen einer neuen Technik am besten bremsen kann, wenn man ihr schlicht den Geldhahn zudreht.

 Was sagen die Hersteller von Solaranlagen?

 Von Fabeck: Die erste Gruppe, die engere Solarbranche, ist daran interessiert, dass die angeschlossenen Firmen ein stetiges Geschäftswachstum haben. Sie brauchen stabile und verlässliche Förderbedingungen. Diese sind ihr noch wichtiger als ein besonders rasches Wachstum der Solartechnik. Die Branchenvertreter wollten vermutlich die Goldenen-Nasen-Neid-Diskussion rasch durch ein Bauernopfer beenden. Sie haben ein freiwilliges Angebot gemacht, auch mit deutlich weniger Einspeisevergütung - 5 Prozent weniger zum 1. Juli 2010 - Auskommen zu wollen.

Ein ungewöhnliches Angebot!

Von Fabeck: Ja! Stellen Sie sich vor, bei einer Tarifverhandlung würden die Fluglotsen von sich aus anbieten, sich ihr Gehalt um 5 Prozent kürzen zu lassen.

Dabei haben die Vertreter der Solarbranche offenbar die psychologische Wirkung dieses Angebotes völlig falsch eingeschätzt. In Öffentlichkeit und Politik wurde dieses Angebot als Schuldeingeständnis angesehen. "Ja, wir verdienen ja wirklich zu viel."

Warum?

Von Fabeck: Die Reaktion des Umweltministeriums kam prompt: Dann wird es also höchste Zeit, diese Überförderung sofort abzubauen. Nicht erst zum 1. Juli, sondern zum 1. April und nicht nur 5 Prozent, sondern 15 Prozent weniger. Jetzt wurden es für Dachflächenanlagen sogar 16 Prozent weniger.

Ihr Verein, der Solarenergie-Förderverein Deutschland gehört zur dritten Gruppe, die sich Sorgen wegen des Klimawandels und wegen der wachsenden radioaktiven Hinterlassenschaften macht. Wie sehen Sie den Vorwurf, die Branche würde sich goldene Nasen verdienen?

Von Fabeck: Vorab: Es sind schon im letzten Jahr durch den Zusammenbruch des spanischen Solarmarkts weltweit eine Menge von Solarfirmen ins finanzielle Trudeln geraten. Wirkliche Gewinne machten nur noch diejenigen, die sehr gut aufgestellt sind.

Aber beschränken wir uns einmal auf diejenigen, die tatsächlich bisher gute Gewinne machten. Sollen sie zukünftig weniger Gewinne haben? Wir sehen das ganz nüchtern. Wir leben in keiner Diktatur. Der Staat kann oder will keinen Kapitalgeber und keinen Unternehmer dazu zwingen, mit der Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle oder Gaskraftwerken aufzuhören und stattdessen in die Produktion von Solaranlagen, Windanlagen und dezentralen Stromspeichern zu investieren. Das einzige Mittel, das dem Staat dann noch bleibt, sind finanzielle Anreize über die Einspeisevergütung.

Aber die erzielbaren Renditen beim Bau oder Betrieb von Solarstromanlagen sind für einen kühlen Kapitalgeber, der nur an der Optimierung seines Gewinns interessiert ist, nur dann ein richtiger Anreiz, wenn sie mit den Renditen beim Errichten von Kohlekraftwerken oder beim Weiterbetrieb von Atomkraftwerken vergleichbar sind. Aber an solche Traumrenditen ist bei der Solarenergie überhaupt nicht zu denken.

Wollen Sie denn, dass die Hersteller von Solarstrom- oder Windenergieanlagen künftig so hohe Renditen erzielen, wie sie heute in der konventionellen Energiewirtschaft üblich sind? Wie würden Sie eine solche Entwicklung aus Sicht der Stromverbraucher beurteilen, die letztlich die Mehrkosten für den Solarstrom bezahlen müssen?

Von Fabeck: Die Stromverbraucher haben bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa auf diese Frage zum Jahreswechsel geantwortet: Bundesweit sprechen sich drei Viertel der Befragten für eine Aufrechterhaltung der Förderung der erneuerbaren Energien auf dem bisherigen Niveau aus, da sich sonst der Ausbau möglicherweise verlangsamen und die Vorteile für den Klimaschutz nicht voll genutzt werden könnten.

Investitionskürzungen halten dagegen nur 21 Prozent der Befragten für angeraten.

Es geht allerdings um viel Geld ...

Von Fabeck: Mich bringt es immer wieder in Zorn, wenn beim Vergleich zwischen den konventionellen Energien und den erneuerbaren Energien nur die Erzeugungskosten betrachtet, die Folgekosten aus dem Betrieb von fossilen oder Atomkraftwerken aber ausgeblendet werden.

Die Verbraucher müssen letztlich diese Folgekosten auch noch bezahlen - die Beseitigung von Sturm- und Überschwemmungsschäden, die Umlagerung radioaktiver Abfälle in weniger gefährdete Lagerstätten, durch zusätzliche Steuern oder Katastrophensonderabgaben und durch Abnahme der Lebensqualität.

Wir sollten nie vergessen, dass diese Folgekosten unvergleichbar höher sein können und auch leider infolge des staatlichen Zögerns teilweise schon sein werden als alle Entwicklungs- und Investitionskosten in den Aufbau einer atom- und fossilfreien Energiewirtschaft.

Wenn es unser Staat nicht schafft, seine Bürger vor der Gefährdung von Leben und körperlicher Unversehtheit durch die konventionelle Stromerzeugung zu schützen, noch nicht einmal eine brauchbare Strategie dafür aufzustellen, dann verletzt er unserer Ansicht nach ein wichtiges Grundrecht. Beim Solarenergie-Förderverein denken wir deshalb über eine Verfassungsbeschwerde nach.

Die Stromwirtschaft beharrt auf der These, dass die heimischen erneuerbaren Energien niemals das Potential hätten, die Energieversorgung Deutschlands sicherzustellen. Wenn man schon auf erneuerbare Energien umsteigen wolle, dann brauche man die Unterstützung durch Sonnen- und Windenergie aus fernen Ländern. Stimmt das?

Von Fabeck: Diese Behauptung dient dazu, Mutlosigkeit zu verbreiten. Wir legen seit Jahren dar, wie die dezentralen erneuerbaren Energien 100 Prozent der erforderlichen Energie liefern können.

Mit Hilfe unseres Energiewenderechners können Interessierte sich selbst ein Bild von den Potentialen der erneuerbaren Energien in Deutschland verschaffen. Den Energiewenderechner findet man auf der Startseite des Solarenergie-Fördervereins Deutschland (www.sfv.de).

Wer fundiert mitreden will, sollte sich die Zeit nehmen, dieses Informations- und Rechenprogramm kennen zu lernen.

Werden die Kürzungen der Einspeisevergütungen den Boom der Solarenergie abwürgen?

Von Fabeck: Der Grund warum Kapitalgeber und Unternehmer in neue Fertigungsstätten investieren, ist die Aussicht auf Gewinne. Der Grund warum Dachbesitzer in eine Solaranlage für mehrere zehntausend Euro investieren, sind Gewinne.

Wenn sich die Gewinne vermindern, investiert man lieber wo anders, wo die Gewinne höher sind. Vielleicht kauft man RWE-Aktien. Die haben in den letzten zehn Jahren ihren Wert verdoppelt.

Kann es nicht geschehen, dass es aufgrund der Verbilligung sogar zu einer Attraktivitäts-Steigerung der Photovoltaik kommen könnte, weil sie dann weniger als "hoch subventioniert" wahrgenommen wird?

Von Fabeck: Wenn es nur um die Attraktivität der Photovoltaik ginge, hätte längst jeder Bürger eine Solaranlage auf dem Dach, denn die Photovoltaik ist bereits die weitaus beliebteste erneuerbare Energie.

Photovoltaik-Anlagen müssen aber in Fabriken hergestellt werden. Die Investition in eine neue Fabrik wird zukünftig zu einem hochriskanten Unternehmen. Wie leicht kann ein unvorhergesehener Kürzungsplan der Bundesregierung den Absatz zusammenbrechen lassen, so dass die frisch errichtete Fabrik in die Insolvenz gerät. Wie weiß man, mit welchen Einspeisevergütungen zukünftig zu rechnen ist? Wer kann noch planen? Wer wird sich jetzt noch auf die Errichtung neuer Produktionsanlagen einlassen?

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