Korruption
Wer für neue, zentrale Kohlekraftwerke spricht, vertrete automatisch auch die Interessen der Atomkonzerne. "Der aggressive, einseitige und für einen Umweltminister unwürdige Einsatz für Kohlekraftwerke lässt schlimme Erinnerungen hochkommen. Die ehemaligen Minister Werner Müller, Wolfgang Clement und selbst Ex-Kanzler Schröder erhielten nach ihrem politischen Einsatz für die Interessen großer Energiekonzerne von diesen hinterher als Dank hochdotierte Posten", erinnert Fell.
Er erwähnt nicht, dass die ehemalige Vorstandssprecherin der Grünen, Gunda Röstel, im September 2000 einen Managerposten bei der E.On-Tocher Gelsenwasser erhielt, nachdem der so genannte Atomkonsens beziehungsweise "Atomausstieg" zwischen Atomwirtschaft und der rot-grünen Bundesregierung unter Dach und Fach war. Der einstige grüne Spitzenpolitiker Rezzo Schlauch wurde offenbar noch als Wirtschaftsstaatssekretär zum 1. Oktober 2005 in den Beirat des Atomkraftwerksbetreibers EnBW berufen.
Mit dem Atomkonsens behielt die Atomindustrie weitreichende Privilegien und sie darf ihren Atommüll, für den es noch immer kein Endlager gibt, auf absehbare Zeit in standortnahe Zwischenlager verschieben. Es kam bislang lediglich zur Abschaltung der beiden kleinen Atomkraftwerke Obrigheim und Stade. Alle großen Leistungsreaktoren blieben bislang am Netz.
Die standortnahmen Zwischenlager wurden vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das dem Bundesumweltministerium untersteht, genehmigt. Der damalige BfS-Beamte Bruno Tomauske war maßgeblich für die Genehmigungsverfahren zuständig. Nachdem er dies offenbar weitgehend im Interesse der Atomindustrie erledigt hatte, wurde er 2003 Prokurist beim Atomkraftwerksbbetreiber Vattenfall. Diesen Posten musste er allerdings nach den brisanten Störfällen in den Atommkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel wieder aufgeben.
"Korruption in Deutschland funktioniert so: bezahlt wird hinterher"
Selbst Spitzenbeamte des Bundesumweltministeriums wechselten in der Vergangenheit wiederholt in hohe Positionen der Atomindustrie. 1994 wurde der Abteilungsleiter für "Reaktorsicherheit, Strahlenschutz und nukleare Entsorgung", Walter Hohlefelder, vom damaligen Atomkraftwerksbetreiber Veba (heute E.On) zum Generalbevollmächtigen des Unternehmens befördert. Später wurde Hohlefelder in den Vorstand von Deutschlands führendem Atomkraftwerksbetreiber berufen.
Somit wechselte der Leiter der Bundesatomaufsicht direkt zu einem der von ihm bis dahin beaufsichtigten Unternehmen. Kritiker sehen darin eine Belohnung des Konzerns für eine zurückhaltende staatliche Aufsicht gegenüber der Atomindustrie. Seit April 2004 ist Hohlefelder Präsident des Deutschen Atomforums, einer der wesentlichen Lobbyorganisationen der Atomindustrie.
Mit Gerhard Hennenhöfer wechselte nach dem Regierungswechsel 1998 zu Rot-grün ein weiterer Spitzenbeamter der Atomaufsicht zum Atomkonzern VIAG, heute ebenfalls E.On. Auch Hennenhöfer war offenbar auf Seiten der Atomindustrie maßgeblich am Aushandeln des Atomkonsenses beteiligt.
Ein SPD-Bundestagsabgeordneter sagte angesichts solcher Karriereschritte einmal: "Korruption in Deutschland funktioniert so: bezahlt wird hinterher."
Es gibt aber ganz offensichtlich auch die Bezahlung schon zu Amtszeiten. So wurde 2006 bekannt, dass zahlreiche Politiker von Großkonzernen bezahlt wurden. So erhielt beispielsweise der einflussreiche CDU-Wirtschaftspolitiker Laurenz Meyer - damals CDU-Generalsekretär, heute Vorsitzender der Unions-Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie - regelmäßig Zuwendungen von RWE. Die FDP-Technologiepolitikerin Ulrike Flach wurde vom Atomkraftwerks- und Transrapid-Hersteller Siemens bezahlt.
RWE-Power-Aufsichtsrat Clement versus Ypsilanti: Kohle & Atom gegen "Neue Energie"
Auch der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) war an den Atomkonsens-Verhandlungen zwischen rot-grüner Bundesregierung und Atomindustrie beteiligt. Clement versuchte nach Aussage Beteiligter zudem vehement, die Förderung der erneuerbaren Energien durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu verhindern. Inzwischen ist Clement Aufsichtratsmitglied des Atomkraftwerksbetreibers RWE Power.
Im hessischen Landtagswahlkampf rief SPD-Mitglied und RWE-Power-Aufsichtsrat Clement in einem Zeitungsinterview Anfang Januar indirekt zur Nicht-Wahl der hessischen SPD auf, weil die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti gemeinsam mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer als Minister für Wirtschaft und Umwelt eine Energiewende in Hessen durchsetzen wollte. Ypsilanti und Scheer versprachen im Wahlkampf, das RWE-Atomkraftwerk Biblis zügig durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Gegen Clement läuft in der SPD inzwischen ein Parteiausschlussverfahren.
Sein Aufsichtsposten bei RWE dürfte hingegen sicher sein.