Neben Bayer gehören Dow Chemikals und GE Plastics zu den größten Herstellern des Kunststoffs Bisphenol A. Bayer produziert Bisphenol A in Baytown (USA), Uerdingen, Antwerpen, Shanghai und Map Ta Phut (Thailand).
Nach Angaben der Europäischen Lebensmittelbehörde wurde "die Sicherheit" von Bisphenol A neubewertet und "die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI)" festgelegt. Nach einer umfassenden Überprüfung, die auch sämtliche verfügbaren neuen Daten der letzten fünf Jahre beinhaltet habe, sei ein wissenschaftliches Gremium der Behörde zu dem Ergebnis gekommen, "dass nunmehr die vorläufige tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake, TDI) durch einen 'vollständigen' TDI-Wert ersetzt werden kann. Nach Schätzungen liegt die Exposition der Menschen mit BPA durch die Nahrung, die auch Säuglinge und Kinder einschließt, deutlich unter dem neuen TDI-Wert."
EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit: "Tatsache"
Neue Studien haben nach Angaben der EU-Behörde "signifikante Unterschiede zwischen Menschen und Nagetieren nachgewiesen", wie etwa "die Tatsache", dass Bisphenol A bei Menschen weitaus schneller als bei Nagetieren verstoffwechselt und ausgeschieden werde. Das jedoch schränke die Relevanz von Wirkungen niedriger BPA-Dosen, die in einigen Studien an Nagetieren berichtet worden seien, für die Risikobewertung beim Menschen weiter ein.
Außerdem hätten Studien gezeigt, dass Mäuse besonders empfindlich gegenüber Östrogenen seien. "Das Vertrauen in die Risikobewertung wird auch dadurch gestützt, dass Bisphenol A ein schwaches Östrogen ist und bei 5 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht und darunter keine schädigenden Wirkungen in einer neuen aussagekräftigen Studie an Mäusen und zwei Generationen von Nachkommen gefunden wurden", so die EU-Behörde.
Neuer Grenzwert: Früher 10 Mikrogramm, jetzt 50 Mikrogramm erlaubt
Die Behörde hat den Grenzwert von Bisphenol A kürzlich angehoben - statt 10 Mikrogramm dürfen nun täglich 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen werden. Begründet wurde der Schritt mit den Ergebnissen einer Studie des amerikanischen Research Triangle Institute.
Nach Darstellung der Coordination gegen BAYER-Gefahren wurde die Untersuchung vom Industrie-Verband American Plastics Council finanziert und ist bis heute unveröffentlicht. Dem American Plastics Council gehören 13 Unternehmen an, darunter BASF, BAYER, Shell und Dow Chemicals. Das European Chemicals Bureau, das die Studie im Auftrag der EFSA auswertet, räumte den Angaben zufolge in der vergangenen Woche ein, dass die Risikoanalyse für Bisphenol A noch nicht abgeschlossen sei.
153 von 167 öffentlich finanzierte Studien ergaben Negativ-Effekte - Industriestudien mit gegenteiligem Ergebnis
Nach Angaben der Bayer-Kritiker stellten von den weltweit 167 öffentlich finanzierten Studien zu Risiken von Bisphenol A 153 Studien negative Effekte schon bei niedrigen Konzentrationen fest. Nur in 14 dieser Studien wurden offenbar keine Negativ-Effekte gefunden.
Alle 13 von der Industrie geförderten Studien seien zu dem Schluss gekommen, dass Bisphenol A eher harmlos sei.
"Vor dem Hintergrund, dass die von den Unternehmen finanzierten Untersuchungen zu völlig anderen Ergebnissen kommen als unabhängige Studien, ist es unverantwortlich, dass die europäischen Behörden dem Druck der Kunststoff-Hersteller nachgeben", meint Philipp Mimkes von der Coordination gegen BAYER-Gefahren.
Mimkes: Säuglinge sind besonders gefährdet
Die hormonellen Risiken von Bisphenol A (BPA) sind seit Jahrzehnten bekannt. Die Chemikalie wird bei der Herstellung von Plastikflaschen, der Innenbeschichtung von Konservendosen, in Lebensmittel-Verpackungen und in Zahnfüllungen eingesetzt.
Säuglinge, deren Hormonsystem noch nicht ausgereift ist, sind nach Auffassung von Mimkes "besonders gefährdet" - Unfruchtbarkeit, Fehlbildungen und verfrühte sexuelle Reife könnten die Folge einer Exposition sein.
Wegen der hormonellen Risiken von Bisphenol A sei in den USA im März eine Sammelklage gegen die Hersteller von Babyflaschen eingereicht worden, so Mimkes. "Auch das Umweltbundesamt möchte die Verwendung von Bisphenol A einschränken."
"Die skandalösen Vorgänge um Bisphenol A zeigen ein weiteres Mal, dass die Industrie im Interesse ihrer Profite auch vor der Schädigung menschlicher Gesundheit nicht halt macht", kritisiert die Coordination gegen BAYER-Gefahren. Der BAYER-Konzern trage dabei als größter deutscher Hersteller "herausragende Verantwortung", so Axel Köhler-Schnura, Vorstandsmitglied der Bayer-Kritiker. Die Organisation fordert "ein sofortiges Verbot von Bisphenol A in allen Produkten, die mit Nahrungsmitteln in Kontakt kommen".