Juni 2006
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Bundeswehrkommando fliegt am Wochenende in den Kongo
Ein Erkundungskommando des deutschen Kontingents für den Afrika-Einsatz der Europäischen Union soll am Wochenende in die Demokratische Republik Kongo fliegen. Das Kommando werde Einzelheiten der Verlegung sowie der Logistik vor Ort klären und Kontakte mit möglichen Partnern für den Bau eines Feldlagers aufnehmen, sagte ein Bundeswehrsprecher am Donnerstag in Koblenz. Mitte Juni folge dann ein größeres Vorauskommando.
Scholl-Latour bezeichnet Terrornetzwerk Al-Qaida als "Mythos"
Der Islam-Experte Peter Scholl-Latour sagte im Gespräch mit der "Neuen Presse", das Terrornetzwerk Al-Qaida sei "eher ein Mythos, den die Amerikaner hochgespielt haben, der im Irak und der gesamten arabischen Welt aber keine so große Rolle spielt." Scholl-Latour bestritt auch, dass der offenbar von den USA getötete Abu Mussab el Sarkawi Chef von Al-Qaida im Irak gewesen sein soll: "Ich weiß nicht, wer das erfunden hat. Das ist Unsinn." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wertete die Nachricht vom Tod des Terroristenführers hingegen als Erfolg im "Kampf gegen den Terrorismus". US-amerikanische Soldaten sollen angeblich ein Massaker an iraktischen Zivilisten verübt haben.
Karlsruhe schützt Vermögen auch bei behaupteten Atomgeschäften
Bei der Beschlagnahmung von Vermögen eines mutmaßlichen Straftäters müssen Gerichte strenge Maßstäbe anlegen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss. Die Karlsruher Richter gaben damit der Verfassungsbeschwerde eines 63-jährigen Unternehmers statt, der verdächtigt wird, Libyen bei der Entwicklung von Atombomben unterstützt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Mannheim wirft dem angeklagten Unternehmer vor, an der Entwicklung und Lieferung von Gasultrazentrifugen beteiligt gewesen zu sein, die in Libyen zur Urananreicherung verwendet werden sollten.
Europarats-Generalsekretär kritisiert eilige Abwehr-Reaktionen auf Marty-Bericht
Der Generalsekretär des Europarates, Terry Davis, hat die Arbeit des Europarats-Sonderbeauftragten Dick Marty gegen Kritik aus den europäischen Staaten verteidigt. "Dick Marty hat unter sehr schwierigen Bedingungen sehr gute Arbeit geleistet", sagte Terry Davis, Generalsekretär des Europarates, nach der Veröffentlichung des Berichts von Dick Marty über Geheimgefängnisse und Gefangenentransporte innerhalb der Mitgliedsstaaten des Europarates. Marty habe in Bezug auf die Verwicklung mehrerer europäischer Länder sehr schwerwiegende Anschuldigungen gemacht. Einige Regierungen hätten diese Vorwürfe "unverzüglich abgestritten", kritisierte Davis die eilige Abwehr-Reaktionen. "Ich bin jedoch der Meinung, dass diese Regierungen klarstellen sollten, ob sie diese Anschuldigungen vor ihrer Zurückweisung auch untersucht haben." Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dieter Wiefelspütz hatte den Marty-Bericht unmittelbar nach der Veröffentlichung angegriffen und behauptet, er enthalte "Gerüchte".
Merkel spricht sich gegen Kinderarbeit aus
Anlässlich des Welttags gegen Kinderarbeit am 12. Juni sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen Kinderarbeit aus. Sie verwies hierbei auf das von Deutschland unterstützte Programm der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) gegen Kinderarbeit. Ziel ist nach Angaben der Bundesregierung "die weltweite Ächtung und effektive Bekämpfung von Kinderarbeit, nicht nur in ihren schlimmsten Formen, wie Prostitution oder militärischer Einsatz, sondern auch der ausbeuterischen Beschäftigung von Kindern in Wirtschaftsbetrieben". Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) hatte am Donnerstag den Bayer-Konzern aufgefordert, sicherzustellen, dass in diesem Jahr nicht erneut Hunderte von Kindern zwischen 8 und 14 Jahren bei indischen Saatgut-Zulieferern des Konzerns beschäftigt werden (ngo-online berichtete).
Kritiker fordern vom Bayer-Konzern ein Ende der Ausbeutung von Kindern
Nach Darstellung der Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) sollen rund 500 Kinder zwischen 8 und 14 Jahren im vergangenen Jahr bei indischen Saatgut-Zulieferern des Bayer-Konzerns gearbeitet haben. "Die Kinder stehen bis zu 13 Stunden täglich auf den Feldern, verdienen weniger als 50 Cent am Tag und tragen wegen der hohen Pestizidbelastung oftmals Gesundheitsschäden davon", schreibt die Organisation. Bayer müsse in der nun startenden Pflanz-Saison "sicherstellen, dass bei seinen Zulieferern keine Kinder mehr ausgebeutet werden", fordert Philipp Mimkes von den Bayer-Kritikern. Der Konzern habe im Prinzip zugesichert, das Problem anzugehen.
GTZ ist in 126 Ländern aktiv
Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) war im vergangenen Jahr weltweit in 126 Ländern aktiv. An 2282 Projekten arbeiteten dabei GTZ-Mitarbeiter und Beschäftigte vor Ort. Die Umsatzerlöse blieben 2005 mit 876 Millionen Euro fast unverändert. Das geht aus dem am Donnerstag in Berlin vorgelegten Jahresbericht der privatwirtschaftlich organisierten, aber dem Bund gehörenden Gesellschaft hervor. Hauptauftraggeber ist das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Ein Schwerpunkt der GTZ-Tätigkeit ist Afghanistan.
Glos subventioniert unternehmerische Selbständigkeit mit 35 Millionen Euro
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) möchte in den kommenden fünf Jahren mit rund 35 Millionen Euro "anspruchsvolle Projekte zur unternehmerischen Selbständigkeit an Hochschulen und Forschungseinrichtungen" unterstützen. Diese sollen den Hochschulen ermöglichen, Studierende und Wissenschaftler "für die Selbständigkeit zu motivieren und zu qualifizieren, Ideen mit Gründungspotenzial aufzuspüren und Gründungsvorhaben aktiv zu begleiten".
BUND warnt vor neuer EU-Grundwasserrichtlinie
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat vor einer Verschlechterung des Grundwasserschutzes in Europa gewarnt. Der wichtigsten Trinkwasserquelle drohe Gefahr, wenn der derzeit vorliegende Entwurf des EU-Rates zur Grundwasserrichtlinie vom Europäischen Parlament nicht deutlich nachgebessert werde. Die Standards zur Vermeidung des Eintrags giftiger Pestizide, Schwermetalle und Arzneimittelrückstände ins Wasser seien unzureichend. Für den Nitratgrenzwert von 50 Milligramm je Liter Grundwasser seien Ausnahmen vorgesehen, in deren Folge mit einer großflächigen Verschmutzung zu rechnen sei.
Folterpraktiken in europäischen Gefängnissen
Rechtsexperten haben auf einer Tagung in Greifswald auf die großen Unterschiede in der Strafvollzugspraxis in Europa hingewiesen. In vielen europäischen Gefängnissen herrschten teilweise katastrophale Zustände, lautete am Dienstag das Fazit von Kriminologen, Soziologen und Rechtsfachleuten auf der internationalen Versammlung. Überfüllte Anstalten, menschenunwürdige Haftbedingungen und sogar Folterpraktiken gehörten zum Alltag von Gefangenen. Die Wissenschaftler verwiesen auf den Europäischen Gerichtshof, der allein von 2000 bis 2004 in rund 100 Fällen die Verletzung von Menschenrechten in Vollzugsanstalten, vor allem in der Türkei, aber auch in Großbritannien, Frankreich und Polen gerügt habe.
Robbe kritisiert unklaren Auftrag bei Kongo-Einsatz der Bundeswehr
Aus der Bundeswehr gibt es weiter Kritik am geplanten Einsatz der Bundeswehr im Kongo. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, sagte am Freitag, bei den Soldaten gebe es Zweifel, ob der Einsatz richtig durchdacht sei. Robbe bedauerte insbesondere die völlige Unklarheit des eigentlichen Auftrages, weil die Politik nicht Klartext spreche. "Wenn wir dort ein korruptes Regime schützen und stützen sollen, dann muss man das auch klar und deutlich sagen, damit die Soldaten wissen, was sie tun", sagte Robbe. Verteidigungsminister Franz Josef Jung sagte dagegen, es gebe zwar Gefahren, die Bundeswehr sei aber gut vorbereitet.
Untersuchungsausschuss zum Bankenskandal legt Abschlussbericht vor
Nach mehr als fünfjährigen Untersuchungen legte der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin zur Aufklärung der Vorgänge bei der Bankgesellschaft AG, der Landesbank Berlin und des Umgangs mit Parteispenden seinen Bericht vor. Als Ursache der Affäre, die 2001 fast zum Ruin der mehrheitlich landeseigenen Bankgesellschaft Berlin (BGB) führte, nennt der Untersuchungsausschuss das kollektive Versagen von Topmanagern, Politik, Wirtschaftsprüfern und Aufsichtsgremien. Die Folge ist aus Sicht des Ausschusses ein Schaden von mindestens 3 Milliarden Euro, für den die Steuerzahler aufkommen sollen. Die Überschriften der 54-seitigen Zusammenfassung sprechen Bände, zum Beispiel: "Die IBG/ Bavaria: Fehlgesteuerter Wachstumsmotor der Bankgesellschaft" - "Das Fondsgeschäft: Ein ruinöses Schneeballsystem aus Erträgen und Risiken" - "Konzernsteuerung: Schwerste Mängel beim Controlling der Bankgesellschaft" - "Wirtschaftsprüfer tragen Mitverantwortung" - "Kumulatives Versagen der Aufsichts- und Kontrollorgane" - "Selbstbedienungsmentalität von Bankmanagern".
Linkspartei fordert Ausbildungsplatzabgabe statt bloße Appelle
Jahr für Jahr stelle die Bundesregierung fest, dass es zum Beginn der Sommerpause eine Lehrstellenlücke gebe, schreibt das Vorstandsmitglied der Linkspartei, Rosemarie Hein. Jahr für Jahr werde dann "heftig mit den Armen gerudert, Jahr für Jahr ohne durchschlagenden Erfolg". Auch die Beratung des Bundeskabinetts sei "offensichtlich ohne Ergebnis zuende gegangen. Wieder nur Bitten und Appelle an die Unternehmen". Nach Auffassung von Hein kann es "nicht angehen, dass die Bundesregierung auf der einen Seite bei Hartz-IV-Empfängern die Daumenschrauben anziehen will, auf der anderen Seite aber für die Betroffenen weder Arbeit noch Ausbildung anbieten kann". Der Anspruch Fordern und Fördern müsse endlich auch für die Wirtschaft gelten.
Studenten protestieren in mehreren Bundesländern gegen Studiengebühren
Aus Protest gegen die Einführung von Studiengebühren sind am Mittwoch in mehreren Bundesländern Studenten auf die Straße gegangen. In Hessen protestierten mehrere tausend Studenten. In Berlin wurde kurzzeitig die Landesvertretung von Hamburg besetzt. In der Hansestadt blockierten Studenten zeitweilig zwei Gleise. Die Landesparlamente in Hamburg und im Saarland berieten am Mittwoch in erster Lesung über die Einführung von Studiengebühren.
Fortentwicklungsgesetz
Die Koalition verschärft den Druck auf die Arbeitslosen. Ihnen sollen bereits nach dreimaliger "Pflichtverletzung", etwa dem Ablehnen eines angebotenen "Jobs", die Leistungen komplett gestrichen werden können, beschloss die Koalition am Mittwoch im Sozialausschuss des Bundestags. Wie der SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner sagte, betrifft dies nicht nur den Regelsatz, sondern auch die Übernahme der Unterkunfts- und Heizkosten. Das so genannte Fortentwicklungsgesetz zu Hartz IV soll am Donnerstag im Bundestag verabschiedet werden. Bislang führte eine wiederholte "Pflichtverletzung" nur zu Kürzungen, wenn dies innerhalb eines Vierteljahres geschah. Künftig soll ein Zeitraum von einem Jahr gelten.
Bundestag beschließt Militäreinsatz in der Demokratischen Republik Kongo
Auf Antrag der Bundesregierung hat der Deutsche Bundestag am 1. Juni 2006 dem Einsatz von bis zu 780 Bundeswehr-Soldaten in der Demokratischen Republik Kongo zugestimmt. FDP und Linkspartei trugen den Einsatz deutscher Soldaten in dem zentralafrikanischen Land nicht mit. 440 Abgeordnete stimmten für den neuen Auslandseinsatz der Bundeswehr. 135 votierten dagegen. Sechs Parlamentarier enthielten sich ihrer Stimme. Nach Angaben von Parlamentsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) gab es 47 schriftliche Erklärungen zum persönlichen Abstimmungsverhalten. Die Grünen begründeten ihre mit großer Mehrheit getragene Zustimmung ebenfalls mit der "UN-Bitte" sowie der notwendigen "Hilfe" für eine friedliche Entwicklung in dem afrikanischen Land. Der SPD-Abgeordnete Christoph Strässer verwahrte sich gegen die Gleichstellung der UN-mandatierten "Kongo-Mission" mit dem "völkerrechtswidrigen Irak-Krieg". Der CDU-Abgeordnete Eckart von Klaeden begründete den Einsatz deutscher Soldaten in dem zentralafrikanischen Land damit, dass Kongo und andere rohstoffreiche Länder in ein faires, internationales System eingebunden werden müssten, das auch rohstoffarmen Ländern wie Deutschland die Nutzung ermögliche.