DIE Internet-Zeitung
"Das muss zur Selbstverständlichkeit werden"

Wirtschaft verlangt mehr soziale Einschnitte

Am

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hat von der kommenden Regierung ein deutlich höheres Reformtempo verlangt, als von Rot-Grün bislang praktiziert. Bereits im Wahlkampf müssten die politischen Parteien der Bevölkerung in schonungsloser Ehrlichkeit sagen, was an sozialen Einschnitten in der neuen Legislaturperiode auf sie zu komme, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben der Chemnitzer "Freien Presse". Es dürfe nicht mehr um den heißen Brei herumgeredet werden. Als eines der wichtigsten Ziele nannte der DIHK-Hauptgeschäftsführer die Senkung der Arbeitskosten. Dazu zähle, für den gleichen Lohn länger zu arbeiten. Im Osten sei das längst Realität.


"Das muss auch im Westen zur Selbstverständlichkeit werden", forderte Wansleben. Hinzu komme, dass auch im sozialen Bereich die Arbeitnehmer bereit sein müssten, mehr Kosten über eine Selbstbeteiligung individuell zu tragen. Was bei der Kfz-Versicherung gang und gäbe sei, müsse schrittweise auch für Kranken-, Pflege- oder Arbeitslosenversicherung eingeführt werden.

Nachdrücklich sprach sich Wansleben für Änderungen bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall aus, die die Unternehmen jährlich rund 30 Milliarden Euro koste. So sollten Ausfalltage bei Bagatellkrankheiten wie Erkältung künftig nicht mehr bezahlt werden. Dafür wären drei "Karenztage" der richtige Weg. Das heißt, drei Tage Lang würde die Lohnfortzahlung ausfallen und erst ab dem vierten Krankheitstag wieder einsetzen. Ebenso sei mehr "Eigenverantwortung" bei der Arbeitslosenversicherung nötig. Wenn in den ersten vier Wochen der Erwerbslosigkeit auf das Arbeitslosengeld verzichtet werde, könne das zu Entlastung der Beitragszahler beitragen.

Blockade der Erdölförderung in Ecuador

Sozialer Protest

Seit mehr als einer Woche legen offenbar tausende Menschen im ecuadorianischen Amazonasgebiet die Erdölföderung und die Transportwege lahm. Sie protestieren damit gegen eine ihrer Ansicht nach ungerechte Verteilung der Gewinne und gegen die Schäden für Menschen und Natur. Das Militär soll brutal gegen die Demonstranten, die zum Teil von den Provinzbehörden unterstützt werden, vorgegangen sein. Verteidigungsminister Solón Espinosa ist am Freitag zurückgetreten, nachdem er den Ausnahmezustand verhängt hatte. Sein Nachfolger, Ex-General Jarrin schließt offenbar Schusswaffengebrauch gegen Demonstranten nicht aus. Derweil reagieren die Ölmärkte mit immer neuen Höchstständen beim Ölpreis. In den Provinzen Sucumbíos und Orellana im Amazonasgebiet von Ecuador kommt es seit Tagen zu Protesten. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Regionen fordern eine Verbesserung der Infrastruktur und eine Beteiligung an den Gewinnen aus der Ausbeutung des Rohstoffreichtums des Landes.

In einem von dem linken Mediennetzwerk "indymedia" übersetzten Kommuniqué der Demonstranten vom Freitag heißt es: "Der Kampf im Amazonasgebiet ist gegen die Erdölkonzerne, für die Absage aller Verträge mit der Oxy (Occidental Petroleum), Encana, Petrobras (...). Die jährlichen Gewinne von 1200 Millionen US-Dollar, die die Oxy macht, sollten hier im Land investiert werden, in Gesundheit, Bildung und Arbeit (...)."

Einem Bericht von "Indymedia Ecuador" zufolge soll am Freitag der Bürgermeister von Lago Agrio, der die Proteste unterstützt habe, von Soldaten festgenommen und verschleppt worden sein. Sein jetziger Aufenthaltsort sei unbekannt.

Das "Handelsblatt" bezeichnet die Proteste als "gewaltsame Streiks". Eine bei Indymedia veröffentlichte "Erklärung des Zusammenschlusses der Völker von Sucumbios und des Amazonischen Netzwerkes für das Leben" vom Mittwoch spricht hingegen von einem brutalem Vorgehen von Militär und Polizei. Zudem habe nach "harten Auseinandersetzungen" die Bevölkerung einen Soldaten festgenommen, "der am Nachmittag mit 69 Festgenommenen ausgetauscht wurde."

Indymedia bringt auch die Westdeutsche Landesbank (WestLB), die zum Teil dem Land Nordrhein-Westfalen gehört, mit den Unruhen in Verbindung. Die WestLB hatte mit einem Kredit in Höhe von 1 Milliarden Dollar ein Erdölprojekte unterstützt, das von entwicklungspolitischen Organisationen in Deutschland immer wieder kritisiert wird.

In den letzten Jahren wurden bereits mehrere Regierungen durch soziale, indigene Bewegungen - meist unter Führung des Nationalen Rates der indigenen Völker Ecuadors (CONAIE) - gestürzt. "Ist Präsident Alfredo Palacio der nächste?", fragt vor diesem Hintergrund Martin Link im "Neuen Deutschland". Die sozialen Bewegungen im Andenstaat seien zwar noch nicht stark genug, aus ihren eigenen Reihen eine Regierung zu stellen. "Zum Stürzen missliebiger Präsidenten sind sie indes durchaus in der Lage."

Mit der Blockade der Ölförderung träfen sie das Rückgrat der Wirtschaft: die Ölindustrie stehe für ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts und einen Großteil der Devisenerlöse. "Lange wird Palacio eine Blockade politisch nicht durchhalten können."

Die Weltbank ist offenbar ein anderer einflußreicher Akteur beim Kräftmessen in Ecuador. Der Versuch des einstigen Finanzministers Rafael Correa, mit Erdölerlösen Sozialprogramme zu finanzieren, habe die Weltbank mit einer Kreditsperre quittiert. Correas sei daraufhin zurückgetreten.

Am 22-08-2005

Bischöfe fordern Reform des Sozialstaats

Wahlaufruf

Die katholischen deutschen Bischöfe rufen eindringlich zur Stimmabgabe bei der Bundestagswahl am 18. September auf. Ohne für eine bestimmte Partei einzutreten, erheben sie in ihrem traditionellen Wahlaufruf mehrere politische Forderungen. In der am Dienstag in Bonn veröffentlichten Erklärung, die am kommenden Sonntag in allen katholischen Gottesdiensten verlesen werden soll, fordern sie eine "Erneuerung" des Sozialstaats und wenden sich gegen eine "schleichende Aushöhlung des Familienbegriffs". Der Sozialstaat müsse durch eine "langfristig angelegte Politik erneuert" werden, heißt es in dem Aufruf. Die Menschen wollten "auch in Zukunft soziale Sicherungssysteme, auf die sie sich verlassen können". Der moderne Sozialstaat müsse die Solidarität mit den Schwachen gewährleisten und zugleich Eigeninitiative fördern. Neid zu schüren, sei unverantwortlich. Mit Blick auf die steigende Staatsverschuldung mahnen die Bischöfe: "Wir leben auf Kosten kommender Generationen."

Bischöfe für "Reformen des Steuersystems, des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme"

Die Bischöfe halten es für "nicht hinnehmbar", dass in Deutschland fast fünf Millionen Menschen arbeitslos seien. Die Politik müsse die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft so gestalten und die "Reformen des Steuersystems, des Arbeitsmarktes und der sozialen Sicherungssysteme" so nachhaltig betreiben, dass Arbeitsplätze erhalten würden und neue entstehen könnten.

Die Bischöfe wenden sich "gegen eine schleichende Aushöhlung des Familienbegriffs". Sie fordern "eine Politik, die Ehe und Familie schützt und fördert" und wehren sich gegen eine Gleichstellung "abweichender, so genannter alternativer Lebensformen". Eine zentrale Aufgabe der Politik sei die "Bekämpfung der strukturellen Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft gegenüber Familien, die in der Ehe gründen und sie voraussetzen".

Als ein "zentrales Grundproblem" der Zukunft sehen die Bischöfe den "sich beschleunigenden" Bevölkerungsrückgang. "In Deutschland werden zu wenige Kinder geboren", meinen sie. Zuwanderung behebe das Problem nicht. Die Politik dürfe "darüber nicht weiter hinweggehen". Deutschland brauche "eine Gesellschaft, die Freude an Kindern hat".

Am 30-08-2005

Bundesverfassungsgericht billigt den "Gedanken des sozialen Ausgleichs"

"Den Solidargedanken verwirklichen"

Der milliardenschwere Finanzausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen in West- und Ostdeutschland ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Der so genannte Risikostrukturausgleich verwirkliche den "sozialen Ausgleich" in der gesetzlichen Krankenversicherung kassenübergreifend und bundesweit, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. Diesem Zweck diene auch die Einbeziehung der ostdeutschen Versicherten in diesen "gesamtdeutschen Solidarverband". Die Karlsruher Richter verwarfen die Normenkontrollklage der Unions-geführten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen gegen die 1994 eingeführte Regelung. Die Kläger wollten erreichen, dass der Ausgleich unter den Krankenkassen nicht gesamtdeutsch, sondern getrennt in den ost- und westdeutschen Bundesländern vorgenommen wird. Die drei Südländer sahen im Risikostrukturausgleich einen Eingriff in die Finanzautonomie der Länder. Sie machten eine "Ungleichbehandlung" geltend, da die West-Krankenkassen zugunsten der Ostkassen "gezielt belastet" würden.

Der Kassen-Finanzausgleich, der zunächst nur Einkommen, Alter und Geschlecht der Mitglieder berücksichtigt hatte, war durch ein Reformgesetz vom Dezember 2001 fortentwickelt worden. Es sieht vor, dass der Ausgleich ab 2007 komplett am Gesundheitszustand der Versicherten ausgerichtet wird. Bereits seit 2002 gilt ein so genannter Risikopool, mit dem die Kosten für überdurchschnittlich kostenintensive Versicherte zwischen den Kassen ausgeglichen werden.

Bis dahin konnte eine Kasse enorme Beitragssatzvorteile erzielen, wenn sie viele gesunde und wenige - chronisch - kranke Versicherte hatte. Insbesondere die Ortskrankenkassen litten unter dem alten System, weil sie einen hohen Anteil von Menschen mit geringer Beitragsleistung bei gleichzeitig hoher Leistungsinanspruchnahme unter ihren Versicherten haben.

Aus den Entscheidungsgründen

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat der Bund das Gesetzgebungsrecht für den Risikostrukturausgleich. Eine bundesgesetzliche Regelung sei zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich gewesen.

Die Einführung des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs ist nach Auffassung des Gerichts verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dieser verwirkliche "den Solidargedanken" länderübergreifend. Für das vom Grundgesetz gebilligte System der gesetzlichen Krankenversicherung sei typisch, "dass sich leistungsstärkere Mitglieder an den Kosten des Krankenversicherungsschutzes von leistungsschwächeren Mitgliedern ihrer größeren Leistungsfähigkeit entsprechend beteiligen".

Derartige "Umverteilungen", wie sie der Risikostrukturausgleich im Verhältnis zu den Ostkassen vornehme, seien daher keine Fremdlasten, die als Staatsaufgabe von Verfassungs wegen zwingend aus dem Steueraufkommen finanziert werden müssten.

Eine andere Beurteilung ist nach Auffassung der Richter auch nicht deshalb geboten, weil die Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung Ost mit der Deutschen Einheit zusammen hängen. Mit der Verwirklichung eines in Ost und West gleich hohen Versicherungsniveaus zu Beiträgen, die für alle Mitglieder tragbar seien, verwirkliche der Gesetzgeber den für die Krankenversicherung "charakteristischen Gedanken des sozialen Ausgleichs" im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz.

Am 31-08-2005

Neuauflage der iberoamerikanischen Sozialkonvention beschlossen

Sozialstandards

Die Arbeitnehmer eines iberoamerikanischen Landes können zukünftig die Sozialversicherungsbeiträge, die sie in ihrem eigenen Land eingezahlt haben, in jedem anderen Staat Iberoamerikas anerkennen lassen und können dann dort ihre Pensionsleistungen erhalten. Darauf einigten sich am Freitag – nach einem Bericht der peruanischen Zeitung "El Comercio" - die Arbeitsminister und Verantwortlichen für Sozialversicherungen von 22 iberoamerikanischen Ländern im spanischen Segovia. Die Staats- und Regierungschefs wollen diese Vereinbarung auf dem 15. Iberoamerikanischen Gipfel am 14./15. Oktober unterzeichnen. Das neue Abkommen aktualisiert und vertieft bereits bestehende entsprechende Konventionen im spanisch-sprachigen Raum, die die soziale Sicherheit von Emigranten verbessern sollen. Der spanische Arbeits- und Sozialminister, Jesús Caldera, würdigte auf dem Treffen den Beitrag, den die 500.000 derzeit in Spanien lebenden lateinamerikanischen Arbeitsmigranten für die spanische Sozialkasse leisteten. Er bezifferte die Beiträge der Emigranten auf mehr als 900 Millionen Euro. Derzeit bezögen 16.269 Emigranten aus Lateinamerika in Spanien Pensionsleistungen.

Kommt ein Emigrant weder über die Anrechnung der spanischen, noch über vorherige in seinem Heimatland bezahlte Sozialversicherungsbeiträge auf die in Spanien festgelegte Mindestrente von 400 Euro monatlich, so muss das Heimatland – so legt die Konvention fest - den Rest dazu zahlen. Die Korrespondentin des "Comercio" weist jedoch darauf hin, dass die Umsetzung der Konvention mit viel Bürokratie verbunden sei und sich daher die Rentenauszahlungen häufig verzögerten.

Am 12-09-2005

Ältere Ostdeutsche leiden offenbar unter hoher sozialer Verunsicherung

"Ostidentität befördert"

Ostdeutsche Bürger ab 50 Jahren fühlen sich zunehmend sozial verunsichert. Nach einer Studie des ostdeutschen Sozialverbands Volkssolidarität äußern von den 50 - bis 60-Jährigen 43 Prozent Befürchtungen in Bezug auf ihre Zukunft und auf allgemeine soziale Entwicklung. Besonders die Situation auf dem Arbeitsmarkt und schlechtere Einkommensentwicklungen führen zu steigenden Unzufriedenheiten. 11 Prozent haben dagegen noch Hoffnungen und positive Erwartungen. "Insbesondere ältere Menschen verbanden mit der Einheit konkrete Vorstellungen auf eine freiheitliche, demokratische und sozial gesicherte Lebensqualität", sagte Volkssolidaritäts-Präsident Gunnar Winkler am Dienstag in Berlin. Die rot-grüne Politik der vergangenen Jahre habe allerdings "in einem bisher nicht bekannten Maße soziale Verunsicherungen" hervorgebracht, so Winkler.

Die Politik habe eine "Ostidentität" befördert, die zum Teil auch durch die "bewusste Abgrenzung" von West-Politikern wie die Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber zum Wahlverhalten in Ostdeutschland verstärkt werde.

Die Studie kommt weiter zu dem Schluss, dass die Ostdeutschen die deutsche Einheit nicht in Frage stellten, aber die Integration bislang als nicht ausreichend bewerteten. Während Bürger der neuen Länder ab dem 60. Lebensjahr die Einheit vor allem als Gewinn betrachteten, würden von den 50- bis 60-Jährigen 42 Prozent vor allem Verluste sehen.

Die konkrete Aussage "Ich will die DDR wiederhaben" werde vor allem von der Altersgruppe der 40- bis 60-Jährigen getroffen und ist nach den Worten Winklers von der schwierigen Situation auf dem Arbeitmarkt geprägt.

Am 13-09-2005

Künast und Kuhn sind neue Fraktionschefs der Grünen

Modernisierung des Sozialstaats

Die früheren Grünen-Vorsitzenden Renate Künast und Fritz Kuhn stehen künftig an der Spitze der Bundestagsfraktion ihrer Partei. Die neue Fraktion wählte Künast am Dienstag im zweiten Wahlgang mit 33 Stimmen zu ihrer Vorsitzenden. Die 49-Jährige setzte sich gegen Bundesumweltminister Jürgen Trittin durch, der 17 Stimmen erhielt. Es gab eine Enthaltung. Anschließend wurde Kuhn im ersten Wahlgang mit 37 Stimmen zum Ko-Vorsitzenden der Fraktion gewählt. Der 50-Jährige setzte sich gegen die bisherige Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt durch, die auf zehn Stimmen kam. Es gab vier Enthaltungen. Künast sagte nach der Wahl, Ziel der Grünen sei es, die Meinungsführerschaft in der Opposition zu übernehmen. Dabei stellten die Grünen die richtigen Fragen und hätten auch die richtigen Antworten. Sie freue sich, dass sie und Kuhn an die "bewährte Zusammenarbeit" anknüpfen können, sagte Künast mit Blick auf die gemeinsame Zeit als Parteivorsitzende von Juni 2000 bis März 2001 hinzu.

Kuhn sagte, es sei für Künast und ihn nichts Neues, im Team zu arbeiten. Er kündigte eine harte aber auch konstruktive Opposition an. Man werde sowohl Differenzen als auch Schnittmengen zu den anderen Parteien deutlich machen. Zugleich solle die Fraktion eine "Ideenwerkstatt" für politische Lösungen sein. Als inhaltliche Schwerpunkte nannten die beiden eine gerechte Modernisierung des Sozialstaats, die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Umweltschutz sowie eine Politik "weg vom Öl".

Trittin selbst wertete sein Abschneiden bei der Wahl der Fraktionsvorsitzenden als "anständiges Ergebnis". Er müsse "nicht mehr Karriere machen", fügte Trittin hinzu. "Ich bin alles geworden, was man als Grüner werden kann."

In seinem Amt bestätigt wurde der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck. Die Fraktion wählte ihn im ersten Wahlgang mit 34 Stimmen. Sein Gegenkandidat, der bisherige Parlamentarische Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, Matthias Berninger, unterlag mit 17 Stimmen. Beck hat das Amt seit 2002 inne. Ebenfalls bestätigt wurden die Parlamentarischen Fraktions-Geschäftsführerinnen Undine Kurth und Irmingard Schewe-Gerigk.

Vertagt wurde dagegen die Entscheidung, wen die Grünen-Fraktion für das Amt einer Bundestagsvizepräsidentin vorschlagen will. Der neuen Grünen-Fraktion gehören 29 Frauen und 22 Männer an. Mit 51 Abgeordneten stellen die Grünen künftig vier Parlamentarier weniger als in der auslaufenden Legislaturperiode.

Trittin übernimmt Aufgaben von Künast im Kabinett mit

Bundesumweltminister Trittin wird für kurze Zeit Doppelminister im Kabinett von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Wie der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung mitteilte, soll Trittin die Aufgaben von Verbraucherschutz- und Agrarministerin Renate Künast (Grüne) mit übernehmen, wenn deren Rücktritt rechtskräftig wird. Künast hat Steg zufolge ihr Rücktrittsgesuch dem Kanzler schriftlich übergeben.

Rechtskräftig werde der Schritt, wenn Bundespräsident Horst Köhler Künast die Entlassungsurkunde überreicht. Ein Termin steht laut Steg noch nicht fest. Es kristallisiere sich aber der Dienstag heraus.

Am 28-09-2005

IG BAU sagt "unsozialen Unternehmern" den Kampf an

"Krisenschmarotzer"

Die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) sagt "unsozialen Unternehmern und Krisenschmarotzern" den Kampf an. Der Gewerkschaftsvorsitzende Klaus Wiesenhügel sagte am Mittwoch auf dem Gewerkschaftstag in Bonn, "Unternehmer, die Gewerkschafter aus ihrem Betrieb heraushalten wollen und keine Betriebsratswahlen zulassen, sind unsere Feinde. Und Feinde muss man bekämpfen, bis hin zur Vernichtung." Noch in diesem Jahr werde eine "schnelle Eingreiftruppe" aufgebaut, kündigte der IG BAU-Chef an. Sie solle gegen Betriebe eingesetzt werden, die sich nicht "an die Spielregeln eines fairen Wettbewerbs halten und ihre Arbeitsnehmer unmenschlich behandeln". Er verwies dabei auf das Vorbild amerikanischer Gewerkschaften, die mit teilweise unkonventionellen Methoden ihren betrieblichen Einfluss geltend machen.

Der Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), Frank Dupré, reagierte empört auf die Äußerungen und forderte Wiesehügel auf, "endlich seine undifferenzierte Unternehmerbeschimpfung einzustellen". Die IG BAU müsse damit aufhören, "alle Unternehmer in einen Sack zu stecken und drauf zu hauen".

Die angekündigten "Wild-West-Methoden auf den deutschen Baustellen" bezeichnete Dupré als nicht akzeptabel. Er warnte die Gewerkschaft davor, illegale Maßnahmen zu ergreifen. "Wenn die Gewerkschaft wirklich mit Eingreiftruppen den Baumarkt bereinigen will, beschwört sie das Ende der Sozialpartnerschaft herauf", sagte der ZDB-Präsident.

Am 05-10-2005

Sozialverbände warnen vor Rentenkürzungen

Politiker diskutieren Stilfragen

Die von der designierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Aussicht gestellte Nullrunde für Rentner stößt bei Sozialverbänden auf scharfe Kritik. Der Präsident der Volkssolidarität, Gunnar Winkler, betonte am Donnerstag, die angespannte Haushaltslage rechtfertige keine "Koalition der Sozialdemontage". Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, zeigte sich von der Ankündigung nicht überrascht, warnte Union und SPD aber vor einer Kürzung der Renten. Parteifreunde Merkels warfen ihr "schlechten Stil" vor. Diese hatte am Vortag deutlich gemacht, dass es im kommenden Jahr kaum Chancen auf eine Erhöhung der Rentenbezüge gebe. Winkler lehnte eine weitere Nullrunde mit dem Hinweis ab, die Rentner seien nicht die "Sparschweine der Nation". Der Chef des mit 360.000 Mitgliedern größten Sozial- und Wohlfahrtsverbandes im Osten forderte Union und SPD auf, nicht nur auf Null- oder Minusrunden für Rentner zu verzichten, sondern auch die Unterschiede zwischen Ost und West in den Altersbezügen wesentlich schneller abzubauen. Das Ziel gleicher Pensionen bis 2030 würden 80 Prozent der Volkssolidarität-Mitglieder "nicht mehr erleben". Im Falle einer Nullrunde drohte Winkler mit dem Widerstand einer "Koalition der Betroffenen" der Volkssolidarität und anderer Sozialverbände.

Kritik äußerte auch Merkels Parteifreund Blüm. Er habe nicht "die prognostische Kraft, die offenbar Frau Merkel hat, zu wissen, wie die Löhne in diesem Jahr steigen", sagte der Sozialexperte. Er lehne es ab, dass der Staat "nach Gutsherrenart" bestimme, ob eine Erhöhung gerade machbar sei oder nicht. Die für die Rentenanpassung maßgebliche Lohnentwicklung des laufenden Jahres wird erst im nächsten Frühjahr festgestellt.

Wulff: Hoffnung aufrecht erhalten

Ähnlich äußerte sich der Bundesvorsitzende der Senioren Union, Otto Wulff. Man dürfe den Menschen nicht von vornherein jede Hoffnung nehmen, kritisierte der CDU-Politiker. Sollte eine Frühjahrsbelebung eintreten, sei seiner Ansicht nach sogar eine, wenn auch minimale, Erhöhung der Renten möglich. Er betonte, faktisch bedeute eine Nullrunde angesichts der Inflationsrate eine Kürzung für die Betroffenen.

Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger, übte ebenfalls Kritik am Zeitpunkt von Merkels Ankündigung, reagierte hingegen gelassen auf deren Inhalt. Eine erneute Nullrunde sei nichts Neues und aufgrund der gesetzlichen Regelungen ein "normaler Vorgang", unterstrich er.

Der VdK-Präsident warnte Union und SPD jedoch eindringlich vor Rentenkürzungen und damit vor einem Bruch ihrer Wahlversprechen. Nachdem es bereits 2004 und 2005 Kürzungen gegeben habe, könne er nur davon abraten, diese Politik fortzusetzen und die Bundeszuschüsse zu beschneiden. Wer die Renten weiter in Nähe des Sozialhilfeniveaus drücke, müsse damit rechnen, bei Wahlen von 20 Millionen Rentnern die Quittung zu erhalten, so Hirrlinger.

Am 20-10-2005

Sozialverband vermisst Arbeitsplätze für 67-Jährige

"Versteckte Rentenkürzung"

Der Präsident des Sozialverbandes VdK, Walter Hirrlinger kritisiert die Pläne von SPD und Union, das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre anzuheben. Er forderte in der "Berliner Zeitung" zugleich eine Selbstverpflichtung der Wirtschaft, ältere Mitarbeiter zu beschäftigen. "Wenn es zu keiner freiwilligen Zusage kommt, dann muss die Politik überlegen, wie sie die Unternehmen zwingen kann, Menschen bis ins hohe Alter eine Beschäftigung und Einkommen zu geben", sagte Hirrlinger. Bevor diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, dürfe die Politik nicht über eine Anhebung des Rentenalters auf 67 diskutieren. Alles Unsinn, sagt Professor Bernd Raffelhüschen. Es gehe gar nicht ums arbeiten, sondern um eine "versteckte Rentenkürzung".

Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hatte am Donnerstag nach der Koalitionsrunde mit CDU und CSU eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters in Aussicht gestellt. Ob die Grenze zum vollen Rentenanspruch von 65 auf 67 Jahre angehoben werde, entscheide sich 2007/2008. Müntefering betonte, die Möglichkeit sei eröffnet.

Professor: Unsinn - es geht gar nicht darum, länger zu arbeiten, sondern darum, die Renten zu kürzen

Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwirtschaft, hält den Plan von Union und SPD, die Lebensarbeitszeit ab dem Jahr 2011 schrittweise auf 67 Jahre zu verlängern, für unzureichend. "Dann hätten wir das Ziel der Rente mit 67 Jahren erst 2035 erreicht", sagte Raffelhüschen den "Ruhr Nachrichten". So werde es schwer fallen, die Beitragssätze unter 20 Prozent zu halten. Stattdessen sollte die Anpassung der Altersgrenze bereits zwischen 2011 und 2021 vollzogen werden. Nur so könne man den Druck von den Beitragssätzen nehmen.

Unsinn seien die Argumente der Kritiker, die eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit nur parallel zu einer Ausweitung der Arbeitsplätze für Ältere als sinnvoll erachten. "Es geht bei der Rente mit 67 nicht darum, dass auch länger gearbeitet wird", so Raffelhüschen.

Tatsächlich sei das Ziel einer solchen Maßnahme, dass die Arbeitnehmer höhere Abschläge auf ihre vorgezogenen Renten in Kauf nehmen. Wer den Wunsch habe, mit 65 Jahren in den Ruhestand zu gehen, erhalte dann zweimal 3,6 Prozent weniger jährliche Rente. "Das ist eine versteckte Rentenkürzung, so ehrlich muss man sein", sagte Raffelhüschen.

Am 28-10-2005

Handwerk kritisiert vorgezogene Sozialbeiträge

Sozialkassen

Im deutschen Handwerk wächst der Unmut über die jüngsten Beschlüsse zur Stabilisierung der Sozialkassen. Durch die Entscheidung, den Fälligkeitstermin für die Sozialversicherungen ab Januar um zwei Wochen vorzuziehen, würden zahlreiche Unternehmen überfordert, sagte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Otto Kentzler, der "Berliner Zeitung". Bei den Handwerksorganisationen häuften sich bereits die Anrufe von Betriebsinhabern, die mit Fassungslosigkeit und völligem Unverständnis reagierten. "Die kleinen und mittleren Unternehmen haben durch amtliche Mitteilung jetzt erfahren, was ihnen im kommenden Jahr droht", sagte Kentzler. Statt wie bisher 12 müssten sie durch das Vorziehen im kommenden Jahr 13 Beiträge für ihre Beschäftigten abführen. "Im auftragsflauen Monat Januar müssen am 15. die Beiträge für Dezember 2005 entrichtet werden, bereits 14 Tage später die Beiträge für Januar", sagte Kentzler. Dies werde die ohnehin liquiditätsschwachen Unternehmen stark belasten - in Einzelfällen über ihre finanziellen Möglichkeiten hinaus.

Rot-Grün hatte das Vorziehen des Fälligkeitstermins im vergangenen Sommer trotz massiver Proteste der Wirtschaft beschlossen. Auch die Union stimmte im Bundesrat zu. Mit dem Schritt soll das Beitragsaufkommen in den Sozialkassen erhöht werden. Kentzler sagte, auch die vorgesehene Möglichkeit einer Ratenzahlung verschaffe den Handwerksbetrieben keine Erleichterung. Diese sei sehr bürokratisch geregelt. Ohnehin werde die neue Fälligkeit den Verwaltungsaufwand und damit die Kosten der Unternehmen weiter erhöhen.

Zum Monatsende seien die Arbeitsstunden der Mitarbeiter in der Regel noch nicht ausgerechnet. "Es müssen also Abschlagszahlungen erfolgen, bevor die beitragspflichtige Lohnsumme vorliegt", sagte er. Weil diese Abschlagszahlungen später wiederum mit den tatsächlichen Beiträgen verrechnet werden müssten, seien die Betriebe gezwungen, künftig pro Monat 24 statt bisher 12 Abrechnungen zu erstellen.

Am 31-10-2005

Mehrere tausend Menschen protestieren in Berlin gegen Sozialabbau

"Sozialschmarotzer"

Mit einem Sternmarsch haben am Samstag in Berlin mehrere tausend Menschen gegen weiteren Sozialabbau protestiert. Auf Transparenten, in Sprechchören und vom Lautsprecherwagen forderten sie die Abschaffung von Hartz IV, Arbeitszeitverkürzung (30-Stundenwoche) bei vollem Lohnausgleich und ein Ende der Umverteilung von unten nach oben. Weiterhin wurde ein Ausstieg aus der Atomenergie und der Abzug der deutschen Truppen aus dem Ausland, speziell aus Afghanistan, gefordert. In Reden hieß es, dass die wahren "Parasiten" und "Sozialschmarotzer" nicht bei den Ärmsten der Armen, sondern in den Chefetagen der Firmen und unter den Politikern zu finden seien. An den Protesten nahmen Demonstranten aus dem ganzen Bundesgebiet teil. Sie machten mit Sprechchören, Trillerpfeifen und Trommeln ihrem Unmut Luft. Auf Transparenten und Plakaten waren Slogans wie "Weg mit 'Hartz IV', das Volk sind wir", "Stoppt den Sozialraub" und "Verbot aller faschistischen Organisationen!" zu lesen. Zu der Veranstaltung hatte ein Bündnis linker Initiativen aufgerufen.

Für den Fall der Fortsetzung des neoliberalen Ausplünderungskurses wurde "den herrschenden Parteien" ein Anwachsen sozialer Unruhen in Aussicht gestellt, heißt es bei Indymedia. Grußadressen gingen an die am gleichen Tag stattfindende Demonstration gegen die Atomkraft in Lüneburg und an eine Demonstration gegen Neonazis in Potsdam.

Am 07-11-2005

Soziale und ökologische Schäden durch Staudamm-Bauten

Studie

Der Bau von Großstaudämmen richtet nach einer Studie des WWF noch immer enorme soziale und ökologische Schäden an. Daran habe sich auch fünf Jahre nach den Empfehlungen der Welt-Kommission für Staudämme (WCD) nichts geändert, so die Umweltorganisation. Eine am Montag vorgelegte WWF-Studie listet sechs Dammbauprojekte aus den letzten fünf Jahren in Spanien, der Türkei, Australien, Island, Laos und Belize auf, die die Anforderungen nach Einschätzung der Umweltschützer nicht erfüllen. Der WWF kritisierte auch die Rolle der Bundesregierung. Obwohl Deutschland sich öffentlich zu den Empfehlungen der WCD bekannt habe, unterstütze die Bundesregierung weiterhin ökologisch und sozial bedenkliche Staudammprojekte. Laut der WWF-Studie legen Dämme Feuchtgebiete trocken und gefährden so wichtige Wasserressourcen. Häufig verschlechterten sie die Fischereierträge. Dämme bedrohten seltene Arten. Während oftmals billigere Energie und verbesserte Bewässerungssysteme versprochen würden, verschärften die Megaprojekte in vielen Fällen wirtschaftliche Probleme durch höhere Strompreise und die Umsiedlung zahlreicher Menschen, so der WWF. Weltweit seien durch Dammbauten bis heute 60 Prozent der Flüsse reguliert und bis zu 80 Millionen Menschen umgesiedelt worden.

Alternativen für die Staudämme würden dabei nur unzureichend untersucht. Oft werde der Bedarf für Strom und Trinkwasser zudem nicht richtig eingeschätzt. Derzeit werden nach Angaben der Umweltschützer weltweit etwa 400 neue Staudämme mit einer Höhe über 60 Meter gebaut.

Als Beispiel für die ökologischen Sünden nennt der WWF den 650 Millionen Dollar teuren Ermenek-Damm in der Türkei. Gemeinsam mit anderen Hydropower-Projekten bedroht er nach Einschätzung der Umweltschützer die Wasserversorgung und damit die Artenvielfalt im Delta des Göksu-Flusses. Die Bundesregierung unterstütze das Projekt durch eine Hermes-Bürgschaft. Der Melonares-Damm am Fluss Guadalquivir, der die südspanische Stadt Sevilla mit Trinkwasser versorgen soll, werde maßgeblich aus Mitteln des EU Kohäsionsfonds finanziert. Laut WWF wären hier umweltverträgliche und kostengünstige Alternativen möglich gewesen. Auch bei der jüngsten Entscheidung zum umstrittenen Staudamm Nam Theun II an einem Zufluss des Mekong in Laos habe die Bundesregierung die Finanzierung und Risikoabsicherung durch die Weltbank befürwortet.

"Die Bundesregierung muss in den von ihr mitgetragenen internationalen Institutionen, bei der Hermes Kreditversicherung und den Landesbanken die Einhaltung der WCD Empfehlungen einfordern", sagte WWF-Süßwasserexperte Martin Geiger. Sonst bleibe ihre angebliche Unterstützung der WCD nur eine leere Worthülse. Deutschland solle sich ein Beispiel an der britischen HSBC-Bank oder der Regierung Südafrikas nehmen. Beide hätten die WCD-Empfehlungen bei allen Entscheidungen für Staudämme berücksichtigt.

Am 14-11-2005

Bessere Hilfen für Opfer häuslicher Gewalt gefordert

"Sozialgesetzbuch ändern"

Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern haben Union und SPD aufgefordert, Opfern von häuslicher Gewalt besser zu helfen. Dazu müssten die Regelungen im Sozialgesetzbuch II (SGB II) grundlegend geändert werden, forderten am Donnerstag in Erkner bei Berlin 200 Teilnehmerinnen des 6. Fachforums Frauenhausarbeit. Ziel müsse sein, erwerbsfähigen Frauen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen. Von diesem Ziel müsse jede Maßnahme im SGB II abgeleitet werden. Die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen bemängelten, aktuell könne der Hilfebedarf von Gewaltopfern nicht erfüllt werden. Schuld seien die Rechtslage und "fachliche und organisatorische Defizite bei den für SGB II zuständigen Behörden".

Opfer häuslicher Gewalt hätten gegenwärtig erhebliche Probleme, von den zuständigen Behörden notwendige Hilfen zu erhalten, berichtet der Veranstalter des Fachforums, der Verein Frauenhauskoordinierung. Häufig hätten mittellose Frauenhaus-Bewohnerinnen beispielsweise Schwierigkeiten, eine Abschlagszahlung oder die Kosten für einen kurzfristigen Aufenthalt im Frauenhaus zu erhalten. Frauen werde in der Praxis zunehmend die Zuflucht in ein Frauenhaus erschwert.

Schutz und Sicherheit der Frauen müssten künftig "höchste Priorität" haben, forderten die Frauenhaus-Mitarbeiterinnen. Hilfe sei "unverzüglich und unmittelbar" erforderlich. Dabei müssten die Folgen häuslicher Gewalt für Frauen und Kinder besser berücksichtigt werden. Für alle Frauen müsse die Flucht in ein mit öffentlichen Mitteln gefördertes Frauenhaus möglich sein. Dort müssten sie von qualifizierten Fachkräften unterstützt werden. Doch derzeit seien sogar bestehende Frauenhäuser in ihrer Existenz gefährdet.

Nötig sei auch, betroffenen Frauen beim Aufbau eines eigenständigen, wirtschaftlich unabhängigen Lebens zu helfen. Derzeit werde den Frauen aber in der Praxis "eher selten" ein Arbeitsplatz oder die Teilnahme an einer Maßnahme zur beruflichen Qualifizierung angeboten. Häufiger sei, dass sie von einzelnen Leistungsträgern durch Auflagen zwar massiv unter Druck gesetzt würden, dabei aber kaum konkrete Stellenangebote erhielten.

Am 17-11-2005

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