Oktober 2004
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Sechs Hauptforderungen an Bayer
Bayer soll aktiv werden gegen Kinderarbeit bei seinen Zulieferern, fordern Germanwatch, die Coordination gegen Bayer-Gefahren, die deutsche Sektion des Global March against Child Labour, die indischen MV-Stiftung, die Indien Komitees der Niederlande, der International Labor Rights Fund (USA), Amnesty International Niederlande, FNV Mondiaal (Niederlande), Hivos (Niederlande) und Novib/Oxfam Niederlande. Sie haben sechs Hauptforderungen formuliert:
Absolutes Handeslverbot rettet Papageien in letzter Minute
Zwei hochbedrohte Papageienarten - der Gelbwangenkakadu und die Blaukopfamazone - konnten kurz vor dem Aussterben gerettet werden. Ein absolutes Handelsverbot erweitert das existierende Exportverbot Indonesiens und Mexikos. Damit hat illegaler Handel auch Konsequenzen für die Importländer, zu denen auch Deutschland gehört, berichtet die Tierschutzorganisation Pro Wildlife. Das Exportverbot war umgangen worden indem wilde Vögel als angebliche Nachzuchten in andere Länder geschmuggelt wurden.
Hilfsorganisationen werfen Bayer-Zulieferern Kinderarbeit vor
Rund 1.500 Kinder unter 15 Jahren arbeiten in Zulieferbetrieben des Konzerns Bayer in der Produktion von Baumwollsaatgut. Diesen Vorwurf erheben Umwelt- und Hilfsorganisationen. Durch die niedrigen gezahlten Preise sei Bayer an den Zuständen mitschuldig. Die Organisationen reichten im Bundeswirtschaftsministerium eine Beschwerde gegen Bayer wegen Verstoßes gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein. Bayer betonte, für seine indische Tochter arbeiteten keine Kinder, und in Verträgen mit Bauern sei Kinderarbeit ausdrücklich verboten.
Gesundheitsreform teurer als erwartet
Die bei der Gesundheitsreform eingeführten Chroniker-Programme werden teurer als gedacht. Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenkassen geht nach Informationen der Tageszeitung "Rheinpfalz" in Ludwigshafen davon aus, dass jährlich rund 160 Euro pro Patient an Verwaltungskosten anfallen. Den Angaben zufolge beliefen sich die Verwaltungskosten der Disease Management Programme (DMP) im Vorjahr auf insgesamt zwölf Millionen Euro. Hinzu kämen Dokumentationskosten von zehn Millionen Euro. Dass diese höheren Ausgaben durch eine effizientere Versorgung der chronisch Kranken wieder aufgefangen würden, sei zu bezweifeln.
Kulturverbände warnen vor Länder-Ideen zur Kulturförderung
Kultur- und Musikrat warnen vor dem Kompromissvorschlag der Bundesländer zur künftigen Gestaltung der Kulturförderung. Ein einziges Bundesland könne danach Fördervorhaben verhindern. Diese Pläne stellten "eine gravierende Gefahr für die Bildungs- und Kulturlandschaft" dar.
Per Glücksspiel in die Pleite
Glücksspielanbieter haben gegenwärtig Konjunktur. Ob Online-Casinos, Automatenbetreiber oder Lotto-Tippgemeinschaften - immer mehr Leute hoffen auf das schnelle Geld zu sparen und werden dabei abgezockt. "Über das Internetauktionshaus eBay werden beispielsweise regelmäßig Lottosysteme mit angeblich '100-prozentiger Gewinngarantie' versteigert", nennt Ariane Lauenburg, Expertin der Zeitschrift "Finanztest", eine beliebte Methode. Doch auch der Staat unterstützt die Spielsucht.
Insgesamt weniger, in einigen Staaten aber mehr Hinrichtungen
Die Zahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen ist im letzten gesunken. Doch gleichzeitig haben einige Länder wie Afghanistan oder Indonesien den Anwendungsbereich für die Todesstrafe ausgeweitet. Der Irak hat die Todesstrafe 2004 sogar wieder zugelassen. Das geht aus Zahlen der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) hervor. Neben den 1.146 bekannten Exekutionen in 28 Ländern vermutet die Organisation aber noch eine enorme Dunkelziffer von bis zu 10.000 Hinrichtungen alleine in China. Die Volksrepublik ist vor dem Iran, den USA und Vietnam Spitzenreiter in der traurigen Statistik. amnesty fordert eine weltweite Ächtung der "unmenschlichsten und grausamsten Bestrafung".
Friedensnobelpreis an kenianische Vize-Umweltministerin
Der Friedens-Nobelpreis geht in diesem Jahr an die Kenianerin Wangari Maathai. Die 64-jährige Vize-Umweltministerin von Kenia ist die erste Afrikanerin, die den Preis erhält, wie das norwegische Nobelkomitee am Freitag in Oslo bekannt gab. Sie werde für ihren Einsatz für Umwelt und Menschenrechte sowie Demokratie und Frieden ausgezeichnet. Politiker wie auch amnesty international und der Bund für Umwelt und Naturschutz begrüßten die Wahl.
Konvention für Rechte indigener Völker immer noch nicht in Kraft
Deutschland soll endlich die Konvention für die Rechte der indigenen Völker zu unterzeichnen. Das fordert eine Koalition von Nichtregierungsorganisationen. Wenn die Bundesländer am Dienstag dem Vertragswerk nicht zustimmten, werde es zu den Akten gelegt. Die sogenannte Konvention ILO 169 wurde vor 15 Jahren verabschiedet, jedoch erst von 17 Staaten ratifiziert. Sie ist nach Einschätzung des Klima-Bündnisses der europäischen Städte das bislang einzige und wichtigste internationale Dokument, das Ureinwohner-Völkern weltweit gesetzlichen Schutz und Anspruch auf eine Vielzahl Grundrechten garantiert.
Hessen beschließt "verfassungswidriges" Kopftuch-Verbot
Der hessische Landtag hat am Donnerstag das umstrittene Kopftuchverbot für alle Lehrerinnen und Beamtinnen beschlossen. Die Humanistische Union (HU) kritisierte das Gesetz als verfassungswidrig. Das Land dürfe islamische Beamtinnen gegenüber Anhängerinnen anderer Religionsgemeinschaften nicht benachteiligen, forderte die Organisation unter Berufung auf die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.
Minister streiten über Käfige, Discounter werfen Käfig-Eier aus dem Sortiment
Die Unions-Mehrheit im Bundesrat und Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) haben sich auch am Donnerstag nicht auf eine Änderung der Legehennenverordnung geeinigt. Was für die Hennen gut ist - Käfighaltung ist nach bisheriger Rechtslage ab 2007 verboten - bringt Schweinen allerdings weiteres Leid: Die Union hat ihre Zustimmung zu Verbesserungen bei der Schweinehaltungsverordnung an eine Aufweichung des Käfigverbots bei Hühnern gekoppelt. Während der Bauernverband sogenannte Kleinvolieren erlauben will, bezeichneten Tierschützer diese "ausgestalteten" käfige als Täuschung. Sie wollen künftig mehr auf die Macht von Verbrauchern und Handel setzen. Aldi und Lidl hätten in Nord- und Ostdeutschland Eier mit "3" - also aus Käfighaltung - bereits aus dem Sortiment genommen.
Dank Behörden-Wegsehen droht weiterhin Rinderwahn
Tiermehl wird offenbar weiterhin illegal als Futtermittel verwendet. Der Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften zur Unbrauchbarmachung des Materials würden mit Kenntnis der Behörden missachtet, berichtet die Verbraucherorganisation foodwatch. 170.000 Tonnen Tiermehl, das als Ursache des Rinderwahnsinns BSE gilt, seien im letzten Jahr an Landwirte geliefert worden. Der Verbleib von 124.000 Tonnen Tiermehlen sei gar komplett unbekannt. Die Verbraucherschützer forderten, Tiermehle müssten für eine Verfütterung an Tiere untauglich gemacht und eingefärbt werden, um Missbrauch vorzubeugen. Ansonsten müsse ausnahmslos die Entsorgung durch Verbrennung oder Biogasproduktion vorgeschrieben werden.
Folgekosten des Straßenverkehrs höher als Neuverschuldung
Die Folgekosten des Straßenverkehrs sind dreimal höher als die aktuelle Neuverschuldung, die derzeit auf Rekordniveau liegt. 130 Milliarden Euro Gesundheits- und Umweltkosten wälzen LKW- und Autofahrer in Deutschland Jahr für Jahr auf die Gesellschaft und auf nachfolgende Generationen ab, wie eine am heutigen Mittwoch veröffentlichte Studie der Forschungsinstitute IWW und Infras über die Kosten des Verkehrs belege. Die Bundesregierung müsse deshalb mehr vom LKW auf den umweltfreundlichen und sicheren Schienenverkehr verlagern, so die Forderung der Allianz pro Schiene. Jeder Euro, den der Staat in die Verlagerung auf die Schiene investiert, spare nach Angaben der EU-Kommission 15 Euro an Gesundheits- und Umweltkosten.
Türkei Menschenrechte - Amnesty fordert Garantien Rechtsreformen
Die türkische Regierung muss nach Ansicht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) die Umsetzung ihrer innenpolitischen Reformen gegen Folter und für die Wahrung von Frauenrechten garantieren. Die internationale Staatengemeinschaft müsse in diesen Punkten auch unabhängig von möglichen Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei Druck auf Ankara ausüben, so die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Barbara Lochbihler.
Presse in der Arabischen Welt längst nicht frei
Anlässlich der Frankfurter Buchmesse fordert die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (RoG) die arabischen Staaten auf, eine freie und unabhängige Berichterstattung in ihren Ländern zuzulassen. "Die Machthaber in den arabischen Staaten unterdrücken die Pressefreiheit systematisch", so RoG-Vorstand Astrid Frohloff. Unabhängige Informationen zu verbreiten und zu bekommen sei aber ein Menschenrecht und Voraussetzung für eine Demokratie. Daher fordert Reporter ohne Grenzen die arabischen Staaten auf, restriktive Mediengesetze abzuschaffen. In vielen Ländern stellten die Gesetze Diffamierung unter Strafe - so werde Kritik an Machthabern, Militär und Religion unterdrückt. Zudem sollten die Staaten ihr Monopol auf Radio- und Fernsehsender aufheben und unabhängige Medien ungehindert arbeiten lassen.
Künast will Sprit aus Pflanzen fördern
Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) will die Forschung und Entwicklung synthetischer Biokraftstoffe in Deutschland fördern. Dazu hat die Ministerin am Dienstag in Berlin eine Informationsplattform für so genannte Biomass To Liquid (BTL)-Kraftstoffe ins Leben gerufen. Dort wollen sich rund 100 Vertreter aus Wissenschaft, Forschung, Industrie und Landwirtschaft über Forschungsergebnisse des neuen Biokraftstoffs austauschen.
Hessisches Wassergesetz wird nicht verbessert
Der Naturschutzbund NABU wirft der hessischen Landesregierung Scheinheiligkeit bei der Öffentlichkeitsbeteiligung zum neuen Hessischen Wassergesetz vor. "Unsere Vorschläge wurden fast vollständig ignoriert" zieht Rüdiger Wagner, Landesvorsitzender der Organisation Bilanz. Der Naturschutzbund hatte im Juni in einer umfangreichen Stellungnahme auf zahlreiche rechtliche Lücken und kritische Punkte wegen Erhöhung der Hochwassergefahr hingewiesen. Das Gesetz wird am Mittwoch in den Landtag eingebracht. Die Aussage des hessischen Umweltministers Wilhelm Dietzel, die "maßgeblichen Regelungsinhalte" seien in den eingegangenen Stellungnahmen "ganz überwiegend von den Verbänden mitgetragen" worden, hält der NABU für falsch.
Deutsche Waffen für Irak-Krieg
Deutsche Firmen haben durch den Export von Waffen, Munition, Rüstungsmaterial und Gütern, die sowohl zivil aus auch militärisch nutzbar sind - so genannte Dual-Use-Güter - vom Krieg im Irak profitiert. Das gehe aus der "Übersicht über erteilte Ausfuhrgenehmigungen" des Bundeswirtschaftsministeriums für das Jahr 2003 hervor, berichtet der "Tagesspiegel am Sonntag". Die Summe der Ausfuhren von Kriegsmaterial und Dual-Use-Gütern an die Teilnehmer der Irakkriegs-Koalition lag danach 2003 mit rund 1,792 Milliarden Euro höher als im Vorjahr mit rund 1,619 Milliarden Euro.
Protest gegen zunehmenden LKW-Verkehr
Der LKW-Verkehr soll endlich alle Kosten bezahlen, die er verursacht. Um diese Forderung zu unterstreichen, protestierte die Umweltschutzorganisation Robin Wood am Samstag bei Kassel an der Autobahn A7. "Laster vom Pflaster - Wald statt Asphalt" forderten die AktivistInnen auf einem Transparent an einer Fußgängerbrücke über die Autobahn. Obwohl der LKW-Verkehr "nur" 15 Prozent des Verkehrsaufkommens auf Deutschlands Straßen ausmache, verursache er zwei Drittel aller verkehrsbedingten Stickoxide. Und dieser sei eine der Hauptursachen für den immer noch miserablen Zustand der Wälder, denen es schlechter gehe als noch in den Achtziger Jahren.
Neues Gesetz versucht Wehrpflicht zu retten
Am Freitag sind eine Reihe von Änderungen bei der Wehrpflicht in Kraft getreten. Die bisher nur als einfacher Erlass geregelten und von Verwaltungsgerichten als verfassungswidrig angesehenen weitgehenden Ausnahmen von der Wehrpflicht sind damit Gesetz geworden. Die regelmäßige Einberufungsgrenze beispielsweise liegt jetzt bei 23 Jahren - wer älter ist und nicht etwa wegen eines Studiums zurückgestellt war, ist raus. Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär kritisierte, damit solle nur die Anzahl der zur Verfügung stehenden Wehrpflichtigen reduziert werden, um das Gerechtigkeitsloch zwischen dem geringen Bedarf der Bundeswehr an Dienstleistenden und den dafür zur Verfügung Stehenden zu verkleinern. Die "Allgemeine Wehrpflicht" hinsichtlich des Zwangs, in Friedenszeiten einen Dienst zu leisten, werde damit "beerdigt".