Oktober 2004
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Gifte auch im Blut von Ministern
Blut von 14 europäischen Ministern ist mit bedenklichen Chemikalien belastet Umwelt- und Gesundheitsminister aus 13 EU-Staaten sind mit Dutzenden von Industriechemikalien belastet. Das berichtet die Umweltorganisation WWF unter Berufung auf eine eigene Studie. 14 Minister waren demnach im Juni dieses Jahres getesteten worden. Das Ergebnis: Die Minister hätten insgesamt 55 der untersuchten Chemikalien in ihrem Blut. Darunter seien Stoffe wie bromierte Flammschutzmittel, polychlorierte Biphenyle (PCB) und Organochlorpestizide, von denen einige schon vor 20 Jahren EU-weit verboten wurden, wie beispielsweise DDT. Viele der Substanzen würden jedoch nach wie vor in Alltagsprodukten wie Sofas oder PCs eingesetzt.
Ein Viertel der Deutschen sind Nichtschwimmer
Rund ein Viertel der deutschen Bevölkerung kann nicht schwimmen. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid im Auftrag der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) ergeben. Demnach können 23,3 Prozent nach eigenen Angaben gar nicht oder nur schlecht schwimmen. 87,3 Prozent der Bevölkerung halten zudem kommunale Schwimmbäder für sehr wichtig oder wichtig. Während drei Viertel der Befragten ab 14 Jahre angaben, schwimmen zu können, sinke der Ausbildungsgrad der jüngeren Kinder im Durchschnitt nach Angaben der Eltern auf rund zwei Drittel. "Das sind erste sichtbare Folgen der Bäderschließung und der Probleme des Sportunterrichtes in den Schulen," so die Analyse des DLRG-Präsidenten Klaus Wilkens.
Seit Jahresbeginn so viele BSE-Rinder wie 2003 insgesamt
In Deutschland kann nach wie vor keine BSE-Entwarnung gegeben werden. Seit Jahresbeginn wurden insgesamt 54 Rinder positiv auf die Rinderseuche getestet. Damit sei jetzt schon der Stand des gesamten Vorjahres erreicht, sagte am Sonntag der Chef des Friedrich-Loeffler-Instituts, Thomas Mettenleiter, auf der Insel Riems.
Heftige Kritik an "verantwortungslos strukturiertem" BGS wegen Asylbewerber-Tod
Im Prozess um den Tod eines Asylbewerbers während dessen Abschiebung sind drei Beamte des Bundesgrenzschutzes (BGS) zu je neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Das Landgericht in Frankfurt am Main befand die Grenzschützer am Montag für schuldig, den Sudanesen Aamir A. während seiner Abschiebung im Mai 1999 im Flugzeug erstickt zu haben, blieb aber unter der gesetzlichen Mindeststrafe. In seiner Urteilsbegründung machte der Vorsitzende Richter Heinrich Gehrke die Führungsebenen des BGS mitverantwortlich für den Tod des Sudanesen. Diese hätten den Tod durch "Ignoranz und Inkompetenz" mit zu verantworten. Die Schulung der Beamten bezeichnete es als "Realsatire". Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisierte das Strafmaß. Es hinterlasse "einen bitteren Beigeschmack", weil der Eindruck entstehe, Amtsträger könnten auch zukünftig "glimpflich davonkommen". Zudem würden jetzt lediglich die bestraft, "die in einer verantwortungslos strukturierten Organisation zu Tätern wurden". Die Verantwortlichen in der BGS-Spitze und im Bundesinnenministerium seien nicht zur Verantwortung gezogen worden und müssten auch nicht mehr damit rechnen.
Tagung zu Schulpartnerschaften mit Entwicklungsländern
Schulpartnerschaften ermöglichen den berühmten Blick über den Tellerrand hinaus in andere Länder und Sitten. Eine Tagung am Samstag in Potsdam soll sowohl bestehende Schulpartnerschaften mit Entwicklungsländern fördern als auch neue anregen.
Abgezockt statt neuer Job
Bringen Jobangebote in Tageszeitungen tatsächlich Arbeit? Das fragten sich viele Verbraucher aus Sachsen, aber auch aus Brandenburg, Thüringen oder Sachsen-Anhalt, als sie die Offerte einer Leipziger Firma sahen. So warb ein "großes Unternehmen", wie es in der Anzeige hieß, mit einem seriösen Nebenjob am Wochenende und einem Verdienst von 450 Euro. Damit wurden Verbraucher zu Informationsveranstaltungen gelockt, bei denen lediglich zwei Verträge unterschrieben werden sollten, einmal als Vertriebsrepräsentant und zum anderen für die Teilnahme an einem Motivations- und Ausbildungsprogramm für sagenhafte 3200 Euro. Von einem Job keine Spur.
Wohnungsmiete von A bis Z
Unverständliche Nebenkostenabrechnungen, Schimmel im Badezimmer, plötzlicher Vermieterwechsel oder Knatsch um die Hausordnung - auch in eigentlich problemlosen Mietverhältnissen kann es zu Meinungsverschiedenheiten kommen. Vor allem Streitigkeiten mit dem Vermieter kosten häufig Geld, Zeit und jede Menge Nerven.
Welthungerhilfe warnt vor überzogenen Hoffnungen auf "grüne" Gentechnik
Die Zahl der Hungernden vor allem in Afrika und Südasien wird sich offenbar vorerst nicht verringern. Die Deutsche Welthungerhilfe warnte, es sei keine Trendwende in Sicht. Insgesamt seien nach den letzten Zahlen der Welternährungsorganisation FAO 798 Millionen Menschen in Entwicklungsländern unterernährt. Die Organisation warnte vor überzogenen Hoffnungen auf die "grüne" Gentechnik.
"Hitlers Tischgespräche" gegen das Vergessen
Die Schauspielerin Iris Berben startet im November erneut eine Theatertournee mit Dokumenten aus der Nazizeit. In der inszenierten Theaterlesung "Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier" stellt die populäre Mimin Originaldokumente Hitlers sowie Aufzeichnungen seiner engsten Vertrauten Tagebuchaufzeichnungen und Gedichten von Opfern des Holocaust gegenüber. "Ich versuche, das nicht zu einem schauspielerischen Abend zu machen, sondern mich als Bürger wider das Vergessen zu engagieren", sagte Berben am Montag in Hamburg.
Plakatwettbewerb zum Thema Chancengleichheit
Chancengleichheit ist im deutschen Bildungssystem nicht gewährleistet, so das Deutsche Studentenwerk (DSW). Die soziale Herkunft entscheide noch immer maßgeblich darüber, welche jungen Leute den Weg an die Hochschule finden. Um auf dem Weg zu gleichen Chancen ein Stück weiter zu kommen, hat das DSW seinen diesjährigen Wettbewerb unter das Thema "Chancengleichheit - gleiche Chancen?!" gestellt. Die Preise wurden am Montag verliehen.
Viele junge Menschen engagieren sich für das Gemeinwohl
Viele junge Menschen zwischen 14 und 25 Jahren sind bürgerschaftlich engagiert. 35 Prozent betätigen sich ehrenamtlich - mehr als unter den 26- bis 35- und den über 66-Jährigen. Das ergibt der Zweite Freiwilligensurvey 2004, dessen Ergebnisse das Jugendministerium vorgestellt hat. Behauptungen von Wehrpflichtbefürwortern, die Wehrpflicht sei das letzte Instrument, um jungen Menschen Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwesen zu vermitteln, seien daher haltlos, meint Peter Tobiassen von der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer (ZS-KDV). Das zeigten die Freiwilligensurveys von 1999 und 2004 nur zu deutlich.
Heftige Kritik an Abschiebepraktiken des BGS
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die Abschiebepraktiken des Bundesgrenzschutzes heftig kritisiert. Nach dem Erstickungstod des sudanesischen Flüchtlings Aamir Ageeb werde offensichtlich, dass "eine völlig chaotische Weisungs- und Organisationslage" herrsche. So hätte niemand Verantwortung für den Tod übernehmen wollen. Es falle zudem auf, dass Beweisstücke wie Aktenordner mit sogenannten Belehrungsbogen verschwunden seien.
Künast soll gegen Patente auf Saatgut aktiv werden
Bundeslandwirtschaftministerin Renate Künast (Grüne) soll sich für ein absolutes Patentierungsverbot von Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren, Menschen und ihren Bestandteilen einsetzen, und zwar auch im Abkommen der Welthandelsorganisation (WTO) zum geistigen Eigentum. Dies fordert die Bundeskoordination Internationalismus (Buko) in einem offenen Brief anlässlich des am Samstag stattfindenden Welternährungstags unter dem Thema "Biologische Vielfalt und Welternährung". Sicherlich werde dem Hunger in der Welt wortgewaltig der Kampf angesagt und der Verlust biologischer Vielfalt beklagt werden, meint die "Kampagne gegen Biopiraterie" der Buko, doch das politische Handeln verkehre diese "Sonntagsreden" in ihr Gegenteil.
35.000 Unterschriften für Verhütungsmittel und medizinische Betreuung
35.000 Menschen fordern von der Staatengemeinschaft mehr Engagement im Bereich Verhütung und Gesundheitsversorgung. Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) übergab eine entsprechende Petition am Mittwoch an die Vereinten Nationen in New York. Vor zehn Jahren wurden Pläne für Verhütung und Familienplanung auf der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo beschlossen. Doch das größte Problem bei der Umsetzung sei, dass die Industrieländer ihre Versprechen nicht gehalten hätten. Privatpersonen und Organisationen aus Europa und den USA forderten vor allem die Einhaltung der gegebenen Finanzzusagen.
BUND fordert mehr rot-grünes Umwelt-Engagement bis zu den Wahlen
Die rot-grüne Bundesregierung muss sich bis zu den Wahlen in zwei Jahren mächtig anstrengen. Denn schon jetzt sei es nicht mehr möglich, alle umweltpolitischen Ziele aus der Koalitionsvereinbarung zu erreichen, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in seiner am Donnerstag vorgestellten Halbzeit-Bilanz. Die Arbeit des Kabinetts in der zweiten Hälfte dieser Wahlperiode müsse unter die Überschrift "Neue Arbeitsplätze durch ökologische Innovationen" gestellt werden. Priorität müsse die Fortführung der ökologischen Finanzreform und die Neuauflage eines Klimaschutzprogramms haben. Umweltpolitisch negative Subventionen müssten abgeschafft, der Anteil von Regenerativ-Strom weiter erhöht werden. Ein Energieeffizienzprogramm und der Ausbau von Kraft-Wärme- Kopplungs-Anlagen seien wichtige Voraussetzungen, damit Deutschland sein Klimaschutzziel erreichen könne. Dringend notwendig sei auch die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen zwischen Bahn und Billigfliegern.
Monokulturen gefährden Welt-Ernährung
Der zunehmende Anbau von Monokulturen in den Entwicklungsländern gefährdet die Versorgung der dortigen Menschen mit Lebensmitteln. Davor warnte das katholische Hilfswerk Misereor am Donnerstag. Die aktuellen Entwicklungen in der Landwirtschaft brächten Risiken für die Welternährung mit sich. Die von den Saatgut-Konzernen versprochenen höheren Erträge seien oft nicht erreichbar. Im Gegenteil seien die nicht an die lokalen Verhältnisse angepassten Sorten empfindlicher für Schädlinge und Witterung. Im Fall von Dürre könnten die kommerziellen Sorten etwa zu einem vollständigen Ernte-Ausfall führen, während lokale Sorten noch Ertrag brächten.
Unverhältnismäßig viele Zivildienstleistende eingezogen
Kriegsdienstverweigerer werden im Vergleich zu Nicht-Verweigerern unverhältnismäßig oft einberufen. Mindestens 13.000 junge Männer "zuviel" sind nach Angaben der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer (ZS-KDV) in diesem Jahr zum Zivildienst einberufen worden. Da unter den tauglich gemusterten Wehrpflichtigen nur etwa 40 Prozent den Kriegsdienst verweigerten, dürften sie eigentlich auch nur mit dieser Quote unter den tatsächlich Dienenden sein, wolle man die beiden Gruppen auch nur annähernd gleich behandeln. Stattdessen wurden dieses Jahr sogar mehr Zivis einberufen als Soldaten. Für das nächste Jahr seien gar nur noch 66.700 Einberufungen zum Grundwehrdienst und freiwillig verlängertem Wehrdienst, aber 109.000 Einberufungen zum Zivildienst geplant.
Ex-Verfassungsrichter sieht Kopftuchverbot auch für Nonnentracht
Das Kopftuchverbot in Baden-Württemberg erstreckt sich nach Ansicht des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde auch auf die Nonnentracht. Das inzwischen schriftlich vorliegende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Juni, das der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin den Zugang zum Schuldienst des Landes verwehrte, sei in dieser Frage "eindeutig", betonte Böckenförde in der "Süddeutschen Zeitung". Befolge das Land sein eigenes Gesetz so, wie es nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verfassungsrechtlich nur Bestand haben kann, müsse es den Nonnenhabit verbieten, so Böckenförde. Ansonsten nähme das Land "sein eigenes Schulgesetz nicht ernst".
Krankenkasse will Kartenmissbrauch verhindern
Die Techniker Krankenkasse schiebt als erste Krankenversicherung dem Missbrauch von Versicherungskarten bundesweit einen Riegel vor. Bei Ausstellen einer neuen Karte werden die vorangegangenen Exemplare ab sofort automatisch gesperrt. Damit können Betrüger nicht mehr mit beispielsweise als verloren oder gestohlen gemeldeten Karten im Namen des Karteninhabers bei Ärzten Leistungen erschleichen, wie die TK Nordrhein-Westfalen am Mittwoch mitteilte. Die Kosten des Betruges mit Chipkarten gehen in die Millionen. Bundesweit schätzt allein die TK ihren Schaden auf 20 Millionen Euro. So seien den Kassen zum Beispiel Fälle von Bandenkriminalität bekannt, wo gestohlene Versicherungskarten systematisch zum Einsatz kommen.
EU-Chemikalienreform billiger als dargestellt
Die Kosten für die Umsetzung der EU-Chemikalienreform sind niedriger als von der Industrie dargestellt. Das berichtet die Umweltschutzorganisation WWF unter Berufung auf eine Kostenstudie des Nordischen Ministerrats. Demnach belaufen sich die gesamten direkten Kosten der geplanten EU-Chemikalienreform REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) auf lediglich 0,06 Prozent des Erlöses der europäischen chemischen Industrie - gerechnet über die von der EU vorgegebene REACH-Laufzeit von elf Jahren. Die vom Ministerrat für die Datensammlung und -auswertung, sowie die Registrierung der Substanzen veranschlagten 3,5 Milliarden Euro lägen damit im Vergleich zu den Einnahmen in einer für die Industrie alltäglichen Größenordnung und verhinderten keinesfalls ein profitables Wirtschaften. Die prozentuale Variation des Rohölpreises binnen einer einzigen Woche sei durchschnittlich höher als der prozentuale Kostenzuwachs durch REACH, so die Organisation.