Juni 2002
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Novelle des Gesetzes soll Aufarbeitung fortführen
Die SPD-Innenexpertin Ute Vogt warnt die CDU vor einem Nein zur von Rot-Grün geplanten Novelle des Stasi-Unterlagengesetzes. Ohne die Novelle könnten "praktisch kaum noch Akten herausgegeben werden", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses am Montag im ZDF-"Morgenmagazin". Es dürfe aber kein "Schlussstrich" unter dieses nach der Wiedervereinigung beschlossene "einzigartige Projekt der Aufarbeitung" gezogen werden, forderte Vogt.
Neue Tarifgespräche in Wiesbaden begonnen
Die Tarifparteien der deutschen Bauindustrie haben nach einer Woche bundesweiter Streiks am Montag neue Tarifverhandlungen aufgenommen. Vertreter der Arbeitgeberverbände und die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) traten am Vormittag gegen 10.00 Uhr in Wiesbaden zusammen, teilte ein Sprecher der Gewerkschaft mit. Die IG BAU fordert eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 4,5 Prozent. Zugleich lehnt sie die von den Arbeitgebern verlangten Verschlechterungen im Bundesrahmentarifvertrag sowie eine Nullrunde bei den Mindestlöhnen Ost ab. Die Arbeitgeber hatten zuletzt inklusive fünf "Leermonaten" eine reale Lohnerhöhung von 1,75 Prozent angeboten.
Misereor warnt vor Euphorie
Das katholische Entwicklungshilfswerk MISEREOR warnt vor Euphorie bei der Bewertung der jüngsten Steigerungen im Entwicklungsetat 2003 der Bundesregierung. "Der jetzt erzielte Teilerfolg, dass die dem BMZ zugeteilten, aber bisher vom Finanzministerium bewirtschafteten Sondermittel des Anti-Terrorismus-Programm nun in den ordentlichen Entwicklungshaushalt übertragen worden sind, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Entwicklungsministerium damit immer noch einen deutlich geringeren Anteil am Gesamthaushalt (1,54%) hat als noch 1998 (1,73%) zum Regierungsantritt der jetzigen Koalition", so MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon.
Gemeinsame Asylrichtlinien und dichtere Grenzen angestrebt
Am 21. und 22. Juni 2002 haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) in Sevilla zu einem Europäischen Rat getroffen. Die Themen waren: Einwanderungspolitik, Reform der Arbeitsweise des Europäischen Rates, EU-Erweiterung, Stand der Beratungen im Konvent, die Aussen- und die Wirtschaftspolitik der EU.
WEED-Bilanz kritisiert demokratische Strukturen der G8
Harsche Kritik an der "Gruppe der 8" übt die nord-süd-politische Organisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED) am Vorabend des diesjährigen Gipfels in Kananaskis/Kanada. Während sich die Führer der sieben reichsten Industrienationen und ihr russischer Juniorpartner im letzten Jahr in Genua in einer militärischen Festung verschanzt hätten, zögen sie sich diesmal in ein unzugängliches Bergdorf zurück. "Sie bilden das Zentrum des globalen Machtsystems, doch mit der Öffentlichkeit stehen die großen Acht auf Kriegsfuß", erklärte WEED-Vorstandsmitglied Rainer Falk, der seit über zehn Jahren die Weltwirtschaftsgipfel beobachtet.
Fünf Punkte der Kritik
Die entwicklungspolitische Organisation WEED hat den Afrika-Hilfsplan der G 8 heftig kritisiert. ngo-online dokumentiert die wichtigsten Kritikpunkte:
Streiks im gesamten Bundesgebiet
Auf immer mehr deutschen Baustellen stehen trotz einer möglichen Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen Krane und Maschinen still. Nach Angaben der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) wurde am Donnerstag auf weiteren 160 Baustellen erstmals die Arbeit niedergelegt. Damit ruhte am vierten Tag der Streikwelle auf 1.184 Baustellen die Arbeit. Rund 18.300 Beschäftigte unterstrichen damit ihre Forderungen nach 4,5 Prozent mehr Lohn. Der Arbeitskampf gehe wie geplant weiter, erklärte am Morgen IG-BAU-Streikleiter Dietmar Schäfers. "Jetzt ist das gesamte Bundesgebiet in den Streik einbezogen, aber noch längst nicht alle unsere streikbereiten Mitglieder", betonte er.
Futtermittelindustrie in die Pflicht nehmen
Das besonders stark vom Nitrofenskandal betroffene Land Mecklenburg-Vorpommern will die Futtermittelindustrie in die Pflicht nehmen. Die Verantwortung für den Nitrofenskandal liege bei den Futtermittelherstellern und nicht bei den landwirtschaftlichen Betrieben, sagte Agrarminister Till Backhaus (SPD) am Donnerstag in Schwerin. Deshalb erwarte er eine Kostenübernahme sowie aktive Beteiligung der Futtermittelbranche an der Schadensbegrenzung. Es genüge nicht, nur Geld zu sparen in einen Hilfsfond einzuzahlen, betonte Backhaus. Einige Lieferanten hätten bereits zugesagt, kontaminiertes Futter von Betrieben abzuholen und auszutauschen.
Der Streit um das Zuwanderungsgesetz
Bundespräsident Johannes Rau hat am 20. Juni 2002 mit seiner Unterschrift Grünes Licht für das Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Koalition gegeben. Den Anstoß für ein solches Gesetz hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder am 23. Februar 2000 gegeben, als er auf der Computermesse CeBIT eine Green Card für ausländische Computerspezialisten ankündigte.
Deutsche Post muss 572 Millionen Euro zahlen
Die Deutsche Post soll 527 Millionen Euro an den Bund zurückzahlen. Das entschied die Europäische Kommission am Mittwoch in Brüssel. Die Post habe Verluste im Paketgeschäft in entsprechender Höhe, die in den Jahren von 1994 bis 1998 aufgelaufen seien, mit Erträgen aus dem Briefmonopol ausgeglichen, begründete die Kommission ihre Entscheidung. Die EU-Behörde sieht es als erwiesen an, dass die Post mit einer "aggressiven Preisstrategie" die Konditionen privater Anbieter von Paketdiensten unterboten habe. Die Deutsche Post will gegen die angeordnete Beihilferückzahlung vor dem Europäischen Gerichtshof klagen. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wollte die Entscheidung am Nachmittag nicht kommentieren.
Streiks führen zu Flugstreichungen und Konzert-Verlegungen
Fluglotsenstreiks in mehreren europäischen Ländern haben am Mittwoch auch in Deutschland für zahlreiche Flugausfälle gesorgt. Am Luftdrehkreuz in Frankfurt am Main wurden insgesamt 76 Flüge gestrichen. Betroffen waren vor allem Flüge von und nach Frankreich, wie der Verkehrsdienstleiter des Rhein-Main-Flughafens mitteilte.
Protest-Mails sollen Dosen-Firmen zum Umdenken bewegen
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat am Mittwoch eine bundesweite Aktion gegen die Einweg-Lobby gestartet. Die Umweltschützer rufen dazu auf, Protestbriefe per E-Mail an jene Unternehmen zu schicken, die gegen die Einführung des Pflichtpfands auf Einwegverpackungen klagen wollen. Die Industrie versuche mit diesen Klagen nur Zeit zu gewinnen, um den Markt weiter mit Dosen, Kartons und Einweg-Plastikflaschen zu überschwemmen.
Gorbatschow weiht West-Östliches Tor im Eichsfeld ein
Anlässlich der Einweihung des "WestÖstlichen Tors" im Eichsfeld zwischen Thüringen und Niedersachsen durch Michail Gorbatschow hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Bestandsaufnahme der schützenswerten Lebensräume entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze vorgestellt. Die Ergebnisse machten deutlich, was für ein seltenes Naturerbe die DDR mit dem Grenzstreifen ungewollt hinterlassen hat. Für den Erhalt dieses längsten Biotopverbundsystems Deutschlands setzt sich der BUND bereits seit dem Fall der Mauer im Rahmen des Naturschutzprojekts "Das Grüne Band" ein.
Der große Lauschangriff ist längst real
Die kontroversen Diskussionen um den "Großen Lauschangriff" sind längst vergessen, denn seit dem 11. September vergangenen Jahres sieht die Welt anders aus. Von knapp 3.700 im Jahr 1995 von den Netzbetreibern gemeldete Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen schnellte die Zahl bis zum Jahr 2001 auf 20.000 Lauschangriffe hoch, berichtet das Telekommunikationsmagazin "connect" in seiner am Donnerstag erscheinenden Ausgabe. Bei vielen Abhöraktionen wird dabei über einen Zeitraum von drei Monaten ein Telefonanschluss angezapft. Das bedeutet: Zahlreiche völlig unbeteiligte Anrufer und Angerufene sind betroffen. Es gilt als sicher, dass mehrere Hunderttausend oder gar Millionen Bürger Jahr für Jahr mindestens einmal abgehört werden.
Streiks auf dem Bau und bei Banken
Der erste branchenweite Arbeitskampf am Bau der Nachkriegszeit hat sich am Mittwoch auf den Süden und Osten Deutschlands ausgeweitet. In einer zweiten Streikwelle traten am Morgen über 16 000 Beschäftigte auf nunmehr 1034 Baustellen für 4,5 Prozent mehr Lohn im Ausstand, wie die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) mitteilte. Gleichzeitig begann im privaten deutschen Bankgewerbe eine bundesweite Streikwelle. Zum Auftakt trafen sich am Vormittag in Dortmund nach Angaben der Gewerkschaft ver.di mehr als 5000 Bankangestellte. ver.di-Bundesvorsitzender Frank Bsirske forderte auf der Kundgebung die Banken-Arbeitgeber zu "spürbaren Lohnerhöhungen" auf.
Presserat fordert zügige Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes
In der aktuellen Auseinandersetzung um die Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) appellieren die Mitglieder des Deutschen Presserats an alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, sowohl die Belange von Betroffenen als auch die politisch-historische Aufarbeitung der Stasitätigkeiten im Auge zu halten. "Stasi-Akten dürfen keine Verschlusssache werden", sagte Presseratssprecher Kay E. Sattelmair. Der Presserat hatte Marianne Birthler zu seiner Plenumstagung Mittwoch nach Bonn eingeladen, um sich aus erster Hand über die Praxis bei der Herausgabe von Unterlagen an die Medien zu informieren. Birthler betonte, dass der vorliegende Novellierungsentwurf dem Schutz von Stasi-Opfern einen hohen Wert beimesse und zugleich die Verwendung wichtiger Unterlagen wieder ermögliche.
Preiserhöhungen bleiben auch nachträglich überprüfbar
Wer bei einer Pauschalreise zur vorbehaltlosen Vorauszahlung des gesamten Reisepreises verpflichtet wird, verliert damit nicht das Recht, Rückzahlungsansprüche zu stellen. Mit dieser Entscheidung folgte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main einer Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Hintergrund: Die NUR Touristic GmbH hatte Kunden, die ihre Reisekosten nach einer einseitigen Preiserhöhung nur unter Vorbehalt zahlen wollten, die Übersendung der Reiseunterlagen verweigert. Das OLG Frankfurt bezeichnete eine derartige Praxis als irreführend. Verbraucher, die bereits vorbehaltlose Zahlungen geleistet haben, behalten ihre etwaigen Rückzahlungsansprüche.
Tag der Architektur zeigt 1.400 Objekte
Zum diesjährigen Tag der Architektur öffnen zahlreiche Gebäude ihre Türen für Besucher. In rund 550 Städten werden knapp 1.400 Objekte präsentiert. Der Stellenwert von Architektur und Baukultur steige, sagte der Präsident der Bundesarchitektenkammer, Peter Conradi, am Dienstag im Vorfeld des Tages der Architektur. Das bereits zum achten Mal stattfindende Event sei "eine Leistungsschau der deutschen Architektenschaft". Im vergangenen Jahr lockten 1.273 Projekte in 540 Städten etwa 85.000 Besucher an.
Nitrofen-Grenzwert für Kindernahrung wird gesenkt
Der Nitrofen-Grenzwert für Säuglingsnahrung wird erheblich gesenkt. Eine entsprechende Eilverordnung von Bundesverbraucherministerin Renate Künast (Grüne) werde umgehend in Kraft treten, teilte ihr Ministerium am Dienstag in Berlin mit. Danach soll der Grenzwert für Nitrofen auf 0,005 Milligramm je Kilogramm Säuglings- und Kleinkindernahrung halbiert werden. Für alle anderen Lebensmittel müsse der geltende Höchstwert von 0,01 Milligramm strikt eingehalten werden. Künast werde auf europäischer Ebene anregen, den Grenzwert für alle Produkte weiter zu senken.
Kritische Bilanz für Deutschland
Mit einer kritischen Bilanz des deutschen Beitrages zum internationalen Übereinkommen über die biologische Vielfalt hat am Dienstag in Hannover der 26. Deutsche Naturschutztag begonnen. Der Vorsitzende des Deutschen Naturschutzringes, Manfred Niekisch, sagte: "Die Botschaft von Rio ist in Vergessenheit geraten." Zwar habe die Bundesregierung mit dem neuen Naturschutzgesetz Fortschritte erzielt, doch müsse sie sich auch international für den Artenschutz einsetzen.