DIE Internet-Zeitung
BfS und IPPNW

Krebs-Häufung um Atomkraftwerke wird weiter untersucht

Am

Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), die Internationalen Ärzten gegen den Atomkrieg (IPPNW), das Umweltinstitut München und die Gesellschaft für Strahlenschutz in Kassel haben bei einem Arbeitstreffen weitere Studien vereinbart, die den Krebserkrankungen in der Umgebung der deutschen Atomkraftwerke nachgehen. Hintergrund sind Untersuchungsergebnisse des Umweltinstituts München, das in der Nahumgebung von Atomkraftwerken deutlich erhöhte Krebsraten bei Kindern feststellte.


Die spezielle Beobachtung in der Umgebung von Atomkraftwerken in 5-Jahres-Abständen soll fortgesetzt und auf alle deutschen Standorte ausgedehnt werden. Im nächsten Jahr sollen Ergebniss vorliegen. Zusätzlich sollen die Ursachen für das gehäufte Auftreten von Tumoren bei Kindern durch eine Fallkontrollstudie erforscht werden. Für die in den neuen Studien anzuwendende Methodik wird das Bundesamt für Strahlenschutz zwei Arbeitsgruppen unter Beteiligung des Umweltinstituts München und anderer externer Wissenschaftler einrichten.

Die IPPNW-Vorsitzende Angelika Claußen zeigte sich erfreut über die "konstruktive Gesprächsatmosphäre". Es habe sich gezeigt, dass kontinuierlicher öffentlicher Druck zu einem positiven Ergebnis führen könne.

Die IPPNW forder von der Politik, die Beweislast für den Zusammenhang zwischen Strahlung und Krebs umzukehren. Atomkraftwerksbetreiber müssten dann nachweisen, dass die erhöhten Kinderkrebsraten nicht auf die Emissionen der Atomkraftwerke zurückzuführen sind.

Zudem ist die IPPNW der Auffassung, dass angesichts der nachgewiesenen Krebserkrankungen in der Nahumgebung der Atomkraftwerke nach dem Atomrecht eine Aussetzung der Betriebsgenehmigung möglich ist.

Atomkraftwerk Temelin auf 90 Prozent Leistung hochgefahren

Atomkraft

Das Atomkraftwerk Temelin läuft derzeit auf 90 Prozent seiner installierten Leistung. Die Erlaubnis dazu wurde vom Staatlichen Amt für nukleare Sicherheit bereits am 21. Dezember erteilt und die neue Leistungsgrenze einen Tag später erreicht, hieß es in Prag. Der Turbogenerator von Block 1, des ersten von zwei Blöcken, für die das Kraftwerk ausgelegt ist, liefere seit Tagen 890 Megawatt Elektroenergie an das öffentliche Netz. Experten rechnen damit, dass bei normalem Verlauf spätestens im Februar die vorgesehenen rund 200 Prüfungen und Tests abgeschlossen und dann 312 Testreihen unter voller Leistung gefahren werden könnten. Voraussichtlich im März 2002 soll dann nach AKW-Angaben der einjährige Probebetrieb der gesamten Anlage aufgenommen werden. Block 2 ist soweit fertig, dass er Ende Februar mit Atombrennstäben bestückt werden kann.

Das Atomkraftwerke unweit der österreichischen und der bayerischen Grenze bleibt trotz der Anfang Dezember in Brüssel getroffenen Vereinbarungen zur Erhöhung seiner Sicherheit umstritten. Die tschechische Seite, die davon ausgeht, mit dem AKW in Temelin einen der modernsten und sichersten Atommeiler der Welt zu besitzen, will die in Brüssel festgelegten baulichen und technischen Änderungen bei laufendem Betrieb realisieren.

Am 28-12-2001

Das älteste deutsche Atomkraftwerk ist ein Dauerbrenner vor Gericht

Poker um Obrigheim

Beim Thema Atomkraftwerk Obrigheim kämpft Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) derzeit an zwei Fronten. Laut Atomkonsens sollen in dem Meiler Ende des Jahres die Lichter ausgehen. Dagegen brachte die Betreiberin, die Energie Baden-Württemberg (EnBW), eine Kanzlerzusage ins Spiel, wonach der älteste Atomreaktor Deutschlands noch weitere fünf Jahre Strom produzieren dürfe. Daneben sorgen nicht eingehaltene Sicherheitsvorschriften für erhitzte Gemüter. Der Streit zwischen Bund, Land, Betreiber und Anwohnern ist nicht neu. Schon seit Erteilung der Dauerbetriebsgenehmigung 1992 dauert die gerichtliche Auseinandersetzung um das AKW an. Das Kraftwerk ging bereits 1969 ans Netz.

Zuletzt sorgte das AKW Obrigheim vor einem Jahr für Aufsehen. Dort und in den Atomanlagen Neckarwestheim und Philippsburg wurden Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen festgestellt. Ein damals in Auftrag gegebenes Gutachten, das jetzt vorliegt, ermittelte, dass Obrigheim mindestens zwischen 1991 und 2001 nicht die Sicherheitsspezifikationen erfüllte.

Dabei hatte das Bundesumweltministerium erst im September 2001 das Land Baden-Württemberg angewiesen, die Rechte der Anwohner beim Betrieb der Kernkraftwerke stärker zu berücksichtigen. Anlass war ein Streit um die grundsätzliche Betriebserlaubnis von Obrigheim. Das Verfahren begann 1994. Geprüft werden sollte, ob die Errichtung der Anlage vollständig genehmigt ist. Die Behörde im CDU-geführten Baden-Württemberg hatte die Überprüfung zunächst abgelehnt.

Im Juni 2000, noch am Tag der Einigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit den Energiekonzernen über den Atomausstieg, bekräftigte EnBW-Chef Gerhard Goll, er wolle Obrigheim über 2002 hinaus "noch deutlich" länger betreiben, und zwar durch Übertragung von Kilowattstunden aus jüngeren Atomkraftwerken.

Ein Jahr zuvor wies das Mannheimer Verwaltungsgericht Baden-Württemberg eine Klage von Anwohnern auf Betriebs-Stopp von Obrigheim ab. Die Kläger warfen der Betreiberin EnBW vor, einen nicht genehmigten Reaktordruckbehälter eingebaut zu haben. Laut Gericht lagen jedoch alle erforderlichen Genehmigungen vor.

Die Grünen unternahmen im April 1999 mit einem Gutachten im Rücken den Versuch, Obrigheim vom Netz zu holen. Damals argumentierten sie, die Abschaltung sei "aus wirtschaftlicher Sicht" günstiger als der Fortbetrieb. Parallel kam es immer wieder von Umweltschützern zu Protestkundgebungen. Im August 1998 forderten sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion: "AKW Obrigheim abreißen".

Von 1992 bis 1997 behandelte das Bundesverfassungsgericht in Berlin eine Klage von Bürgern und der Stadt Heidelberg gegen das Kraftwerk. Die Kläger beanstandeten die Betriebsgenehmigung und machten zugleich Alterserscheinungen etwa am Druckwasserbehälter geltend. Die Berliner Richter wiesen die Klage unter Hinweis auf die Trennung von Anlagenaufsicht und Anlagengenehmigung ab.

Der Stuttgarter Landtag setzte 1994 einen Untersuchungsausschuss "Kernkraftwerk Obrigheim" ein, der nach zwei Jahren Arbeit dem Reaktor die Sicherheit bescheinigte. Das Ergebnis wurde von der Stuttgarter SPD-Fraktion mitgetragen, nicht aber von den Grünen und ihrem damaligen Fraktionschef Fritz Kuhn.

Schon 1991, also noch vor Erteilung der Dauerbetriebsgenehmigung, hatte es einen Antrag auf Stillegung des Kernkraftwerks gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht Berlin entschied in einem Revisionsverfahren dagegen, mahnte jedoch die Dauerbetriebsgenehmigung für das AKW Obrigheim an.

Am 14-10-2002

Eins abgeschaltet, andere Atomkraftwerke laufen länger

Stade ist vom Netz

Seit Freitag ist in Deutschland ein Atomkraftwerk weniger in Betrieb. Um 8:30 Uhr ging der Meiler in Stade nach über drei Jahrzehnten vom Netz. Während führende Grünen-Politiker in Berlin feierten, sieht der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in der Abschaltung des AKW Stade keinen Grund zum Feiern. Das Ende des Atomkraftwerks Stade sei nicht der Anfang eines echten Atomausstiegs. Die mit dem sogenannten Atomkonsens für Stade vereinbarte noch vorhandene restliche Strommenge in Höhe von rund 5000 Gigawattstunden werde lediglich auf andere Atomkraftwerke übertragen. Das verlängere die Laufzeit dieser anderen risikoreichen Atomanlagen. Die Abschaltung des letzten deutschen AKWs sei erst frühestens 2021 vorgesehen. Der Stade-Betreiber E.On betonte, das Aus für Stade sei allein wirtschaftlichen Gesichtspunkten geschuldet. Atomkraftgegner kritisierten, der Zeitpunkt der Abschaltung solle davon ablenken, dass gerade in dieser Woche ein Castor-Transport mit Atommüll nach Gorleben gebracht worden sei, während die Frage der sicheren Lagerung des über Millionen Jahre strahlenden Abfalls noch völlig ungeklärt ist und ständig neuer Atommüll produziert wird. "Jedes abgeschaltete Atomkraftwerk ist besser als ein Laufendes", sagte zwar Renate Backhaus, Atomexpertin im BUND-Bundesvorstand. Bei einem abgeschalteten könne zumindest kein schwerer Störfall mehr eintreten. "Der Trick mit der Strommengenübertragung führt aber dazu, dass andere gefährliche Reaktoren länger laufen können", kritisierte Backhaus. So sei die Abschaltung des alten und unsicheren Reaktors in Obrigheim verzögert worden, indem eine Strommenge in Höhe von 5500 Gigawattstunden vom AKW Philippsburg auf diesen Reaktor übertragen wurde. "Nur mit einem Sofortausstieg wird das Problem der Endlagerung des anfallenden Atommülls überschaubar, nur dann sinken die Unfall- und Terrorgefahren", kritisierte die BUND-Sprecherin den "Atomkonsens" zwischen AKW-Betreibern und Bundesregierung. "Wir feiern nicht, wenn das erste - sondern wenn das letzte AKW vom Netz geht."

Der "Atomkonsens" stehe außerdem nach wie vor auf wackligen Füßen. CDU-Chefin Angela Merkel habe bereits angekündigt, die Strommengen-Begrenzung für Atomkraftwerke nach einer Regierungsübernahme aufzuheben. Kommende Bundesregierungen könnten jederzeit eine weitere Nutzung der Atomenergie beschließen. Hinzu komme, dass der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke den Umstieg in andere Strukturen der Energieversorgung zum Teil bremse. Ergebnis seien Verzögerungen beim Ausbau der erneuerbaren Energien und bei der Optimierung der Energieeffizienz.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) hielt Befürchtungen um eine Aufkündigung des Atomkonsenses nach einem möglichen Regierungswechsel entgegen, die Wettbewerbssituation mache einen Neubau von Atomkraftwerken unwirtschaftlich. Im Gegenteil könne mit einer modernen Windkraftanlage heute Strom wesentlich günstiger produziert werden als in jedem neuen Atomkraftwerk. Es sei klar, dass niemand in neue Kraftwerke investieren werde. Dies erkennen auch Atomkraftgegner an - sie befürchten allerdings den Weiterbetrieb der alten Meiler. Bereits in der Vergangenheit haben AKW-Betreiber offensichtlich aus Kostengründen massiv gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen.

Der Aufsichtsratsvorsitzende der E.ON Kernkraft, Walter Hohlefelder, betonte, Stade wäre auch ohne Atomkonsens stillgelegt worden. Das mit 630 Megawatt kleinste von E.ON betriebene Kraftwerk sei durch die Liberalisierung des Strommarktes "in die Unwirtschaftlichkeit gerutscht". Nach dem Atomkonsens hätte Stade bis 2004 am Netz bleiben können. Die Entscheidung zur Abschaltung sei bereits im Oktober 2000, also schon vor dem 2001 zwischen der Industrie und der Bundesregierung ausgehandelten Atomkonsens, gefallen.Am Rande der Ausstiegs-Feier führender Grünen-Politiker demonstrierten in Berlin einige Atomkraftgegner für einen schnelleren Atomausstieg. Sie kritisierten, dies sei kein Tag zum Feiern, da die Menge des produzierten Abfalls in den deutschen Anlagen nicht geringer werde.

Die Rückbauarbeiten am AKW Stade werden nach Angaben des Betreibers E.ON bis 2015 dauern.

Am 14-11-2003

Atomkraftwerke mit Betongittern schützen

Terrorgefahr

Atomkraftwerke könnten nach Auffassung eines Bauexperten mit 40 Meter hohen Betongittern vor Terroranschlägen aus der Luft geschützt werden. "Man muss den Flugzeugen eine große Masse entgegen stellen", sagte der Karlsruher Baumechanik-Professor Josef Eibl den "Badischen Neuesten Nachrichten". Eine halbrunde, 70 bis 80 Meter lange Gitterstruktur, die 50 Meter vor einem Kernkraftwerk aufgestellt werde, sei hierfür ausreichend. Ein von Terroristen gelenktes Flugzeug bliebe in dem Gitter hängen oder verlöre zumindest so viel Geschwindigkeit, dass ein Aufprall auf das Reaktorgebäude keinen größeren Schaden mehr anrichten könnte, sagte Eibl der Zeitung.

Die Kosten für ein solches Betongitter entsprächen etwa dem Wert der Stromproduktion eines Kernkraftwerks an 20 Tagen. Das sei "absolut bezahlbar", sagte Eibl, der 18 Jahre lang Mitglied der Reaktorsicherheitskommission der Bundesregierung war. An der Karlsruher Universität leitete er bis zu seiner Emeritierung das Institut für Massivbau und Baustofftechnologie.

Am 08-03-2004

Forderung nach neuen Atomkraftwerken ist verantwortungslos

Ausstieg statt Neubau

Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und der hessische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisieren den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch für seine Aufforderung an die Stromwirtschaft, neue Atomkraftwerke zu beantragen. Dies sei verantwortungslos und gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage des stern sprechen sich 79 Prozent der Befragten gegen den Bau neuer Atomkraftwerke aus. BBU und BUND kritisieren, dass sich Ministerpräsident Koch einseitig von der Atomlobby täuschen lasse und wichtige Fakten schlichtweg ignoriere. Jederzeit bestehe die Möglichkeit eines atomaren Supergaus in einem der 18 deutschen Atomkraftwerke, erinnert wird an die atomare Katastrophe in Tschernobyl.

Es bestehe eine massive Sicherheitsgefährdung aller (davor nicht zu schützenden) Atomkraftwerke durch denkbare Terroranschläge. Es sei kein sicheres Endlager für jahrzehntausende lang strahlenden hochradioaktiven Müll in Sicht. Es gab und gibt serienweise Störfälle- und Betriebsvorfälle in deutschen Atomkraftwerken, besonders auch im hessischen RWE-AKW Biblis A und B.

BBU und BUND fragen, wie es Ministerpräsident Roland Koch aufgrund dieser Fakten verantworten kann, mit der Forderung nach neuen Atomkraftwerken zusätzliche Sicherheitsrisiken für die Bevölkerung zu schaffen und nachfolgenden Generationen immer mehr Atommüll zu hinterlassen. Eduard Bernhard, energiepolitischer Sprecher des BBU, und Michael Rothkegel, Geschäftsführer des BUND Hessen, appellieren an Ministerpräsident Koch: "Akzeptieren Sie endlich den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie und unterstützen Sie den verstärkten Einstieg zu mehr Energieeinsparung, zum Ausbau der alternativen Energien, wie Wind, Solar, Wasser und Biomasse, der Tausende neue Arbeitsplätze schafft."

Am 09-06-2004

Bund verpflichtet Land zu Sicherheitsauflage für Atomkraftwerk

"Benachrichtigen"

Das Bundesumweltministerium hat Baden-Württemberg per Weisung verpflichtet, der EnBW als Betreiberin des Atomkraftwerks Philippsburg-2 (KKP II) eine Auflage zur Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen zu erteilen. Danach muss der Reaktor abgeschaltet werden, "wenn Anforderungen zur Störfallbeherrschung entsprechend der atomrechtlichen Genehmigung nicht eingehalten werden". Bei Zweifeln an der Störfallbeherrschung aufgrund neuer Erkenntnisse muss die Behörde "benachrichtigt" werden. Bei der Weisung handelt es sich nach Angabe des Bundesumweltministerium lediglich um eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage und um "selbstverständliche Pflichten einer modernen Sicherheitskultur". Der förmlichen Weisung war ein bundesaufsichtliches Gespräch am 16. Februar vorausgegangen, bei dem es um die unzureichende Behandlung von "Zweifeln" an der Störfallbeherrschung beim Atomkraftwerks Philippsburg-2 ging. In diesem Gespräch hatte das Bundesumweltministerium das in Baden-Württemberg für atomrechtliche Auflagen zuständige Wirtschaftsministerium aufgefordert, dem Betreiber des Atomkraftwerks Philippsburg-2 eine Auflage mit folgenden Inhalt zu erteilen:

  1. Wenn Anforderungen zur Störfallbeherrschung entsprechend der atomrechtlichen Genehmigung nicht eingehalten werden, ist der Betrieb einzustellen.
  2. Bei Zweifeln an der Störfallbeherrschung aufgrund neuer Erkenntnisse muss die Behörde benachrichtigt werden. Zudem ist ein Projektplan zur Nachweisführung oder zur Nachrüstung vorzulegen. Der Betreiber muss den Betrieb spätestens nach drei Monaten einstellen, wenn bis dahin die Zweifel nicht beseitigt sind. Die Aufsichtsbehörde muss jedoch das Risiko beurteilen und dementsprechend die Anlage entweder früher stillegen oder die Frist verlängern.

Baden-Württemberg hat sich am 25. Februar 2005 geweigert, die Auflage zu erlassen. Zur Begründung verwies das Land auf ein hohes Haftungsrisiko durch die Auflage.

Eine Haftung für die Festlegung selbstverständlicher Rechtspflichten ist nach Auffassung des Bundesumweltministeriums jedoch ausgeschlossen. Die Haftung des Landes setze einen Schaden des Betreibers durch eine Amtspflichtverletzung voraus. Im Falle der Auflage entstehe ein Schadenersatzanspruch nur, wenn das Land von der Fristverlängerung zur Nachweisführung zu Unrecht keinen Gebrauch mache. Die Bundesaufsicht werde jedoch dafür Sorge tragen, dass eine derartige Entscheidung künftig aufgrund einer angemessenen Risikobeurteilung erfolge.

Die Bundesaufsicht hält es für ein fatales Signal, wenn die zuständigen Minister die eigenen Aufsichtsbeamten "mit dem ständigen Gerede von tatsächlich nicht bestehenden Haftungsrisiken einschüchtern". Bereits der von Trittin 2001 beim AKW Philippsburg-2 wegen mangelnden Sicherheitsmanagements durchgesetzten mehrmonatigen Betriebseinstellung habe der damalige baden-württembergische Umweltminister ein angeblich bestehendes Haftungsrisiko entgegen gehalten.

Eine Kommission der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) hatte kürzlich dem Betreiber des Atomkraftwerks Philippsburg eine gute Sicherheitskultur bescheinigt, zugleich aber zahlreiche "Verbesserungsvorschläge" zur Sicherheitskultur unterbreitet. Atomkraftgegner kritisierten "den Persilschein" der IAEA, die satzungsgemäß zur Förderung der Atomoindustrie verpflichtet sei und insofern überhaupt keine neutrale Instanz sei.

Der Technikvorstand der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Prof. Dr.-Ing. Thomas Hartkopf, und der Vorsitzende der Geschäftsführung der Energie Baden-Württemberg Kernkraft GmbH, Dr. Hans-Josef Zimmer, wiesen vor einigen Tagen die Kritik am Sicherheitsmanagement der EnBW in Bezug auf die rechnerische Nachweisführung "im Zusammenhang mit einem höchst unwahrscheinlichen theoretischen Kühlmittelverluststörfall" im Block 2 des Kernkraftwerks Philippsburg als ungerechtfertigt und nicht sachdienlich zurück. Der sichere Betrieb der Anlage sei zu jeder Zeit uneingeschränkt gewährleistet gewesen und habe "stets im Vordergrund aller Aktivitäten der EnBW" gestanden. "Dies ist Ergebnis des fortwährenden sicherheitsgerichteten Handelns der EnBW", schrieb die EnBW in einer Pressemitteilung.

Das Land Baden-Württemberg möchte die nun vom Bund angeordnete Auflage der EnBW vorlegen und um Stellungnahme seitens des Atomkraftwerksbetreibers bitten. Das Unternehmen solle sich bis zum 11. März dazu äußern. Das Bundesumweltministerium könne unter Berücksichtigung der Stellungnahme am 17. März die entsprechenden Auflagen per Weisung erlassen.

Am 28-02-2005

Neun Bundesländer wollen Atomkraftwerke noch länger laufen lassen

CDU-Pakt für Kernkraft

Führende Unions-Politiker, darunter Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), machen sich erneut für längere Laufzeiten der Atommeiler stark. Das verlangen laut "Focus" nun auch die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und des Saarlandes in einem Papier, das die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) erarbeitet habe. Zur Begründung hieß es, dass "sich die energiepolitischen Rahmenbedingungen seit der Vereinbarung im Jahre 2000 deutlich verändert haben". Die Länder wollen eine Verständigung, "mit der die Abschaltung von Kernkraftwerken in den nächsten Jahren vermieden wird". Hessens Umweltminister Wilhelm Dietzel (CDU) sagte, wer auf Kernenergie verzichten wolle, müsse sagen, wie sie ersetzt werden soll. Deutschland könne nicht gleichzeitig aus Kernenergie und Kohle aussteigen und sich so in eine "massive Abhängigkeit vom Erdgas" begeben.

Die neun Länder positionieren sich mit ihrem Papier für die Erarbeitung eines nationalen Energiekonzepts, das bis zum zweiten Halbjahr 2007 stehen soll. Im April fand im Kanzleramt dazu ein erster Energiegipfel statt, dem ein weiteres Spitzentreffen im Herbst folgen soll.

Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte: "Für die Sicherung einer ausreichenden Energieversorgung auch in der Zukunft ist es notwendig, keine der möglichen Optionen der Energieerzeugung von vorneherein auszuschließen." Sie sprach sich daher für eine Stärkung der Nuklearforschung aus, um "die hohen Sicherheitsstandards der deutschen Kernkraftwerke" zu gewährleisten.

Das Umweltministerium reagierte differenziert: "Solange es um Kompetenzerhalt und Sicherheitsoptimierung geht, sind wir mit dabei. Wenn allerdings die Absicht dahinter steckt, neue Reaktorlinien zu erforschen, dann halten wir davon nicht viel", sagte ein Sprecher von Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD).

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel lehnt hingegen "den Wunsch der Stromkonzerne" nach längeren Laufzeiten für ältere Kernkraftwerke strikt ab. Die Vorfälle im schwedischen Meiler Forsmark zeigten, dass es ein "völlig verrückter Vorschlag" der Kraftwerksbetreiber sei, ältere Atomkraftwerke länger laufen zu lassen und dafür jüngere früher vom Netz zu nehmen. Die Stromkonzerne wollten ihre alten Atomkraftwerke nur über den nächsten Wahltermin retten, weil sie auf eine atomfreundlichere Regierung spekulierten.

Konkret rügte der Minister den Zustand des Kernkraftwerkes in Brunsbüttel. Die Sicherheitstechnik dort sei nicht so optimal, dass man den Meiler länger als bis 2009 laufen lassen könne wie im Atomausstieg vereinbart.

Gabriel sagte, dass er sich keine Situation vorstellen könne, in der die SPD längeren Kernkraftlaufzeiten zustimmen könne. "Es geht um unsere Kinder, Enkel, Urenkel und deren Nachkommen. Wir können denen doch nicht noch mehr radioaktiven Müll unter die Füße schieben", sagte der SPD-Politiker. "Und wir können sie nicht unbegrenzt dieser Risikotechnologie aussetzen."

Hessens Ministerpräsident Roland Koch sagte am Sonntagabend in den ARD-"Tagesschau", es müsse dafür gesorgt werden, dass in Deutschland zu preiswerten Bedingungen auch in Zukunft jederzeit genügend Energie zur Verfügung stehe. "Wenn man sieht, was alle anderen Lände der Welt zurzeit machen, ist es grob unvernünftig, die Option der Kernenergie aufzugeben", so Koch.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller, lehnte die Vorstöße aus der Union mit Hinweis auf den Koalitionsvertrag ab. "Da wird sich die CDU die Zähne ausbeißen", sagte Müller in der ARD. "Das sind die Schlachten von gestern." Jetzt komme es darauf an, Zukunftstechnologien zu entwickeln. "Die haben nichts mit der Atomkraft zu tun", so Müller.

Am 21-08-2006

Russisch-deutsch-französisches Konsortium will Atomkraftwerk Belene bauen

Finanzierung unklar

Die bulgarische Regierung hat am Dienstag mitgeteilt, dass AtomStroyExport ausgewählt wurde, um das Atomkraftwerk Belene zu realisieren. Mit im Boot beim russischen Atomkraftwerksbauer ist der deutsch-französische Atomkonzern Framatome ANP, an dem die Siemens AG mit 34 Prozent beteiligt ist. Ausgewählt wurden nun zwei Leichtwasser-Reaktorblöcke zu je 1000 Megawatt des russischen Typs WWER 1000/466B. Sie sollen knapp 4 Milliarden Euro kosten und in 6 bis 8 Jahren fertig gestellt werden. Damit hat sich das AtomStroyExport Konsortium gegen seinen Konkurrenten, die tschechischen Skoda Alliance, durchgesetzt. Beide Konsortien hatten in zähen Verhandlungen ihre Preise gesenkt und gaben an, das Kraftwerk schneller realisieren zu können als ursprünglich angeboten.

Deutsche Bank - doch noch nicht raus aus dem Geschäft?

Die Finanzierung scheint noch ungeklärt zu sein. Mitte Oktober hatten die Deutsche Bank und die HypoVereinsBank nach massiven öffentlichen Protesten erklärt, dass sie sich nicht an der Finanzierung beteiligen würden. Der bulgarische Betreiber NEK (National Electric Company) nannte die Deutsche Bank auf einer Pressekonferenz am Dienstag dennoch gestern als möglichen Geldgeber.

Dies veranlasste die deutsche Umweltorganisation Urgewald zu einer Nachfrage bei der Deutschen Bank in Frankfurt. Dort habe man - so Urgewald - bestätigt, dass sich die deutsche Großbank nicht an der Finanzierung beteiligen wolle.

Urgewald verweist zudem auf eine "Ankündigung von NEK, sich um Finanzen bei der deutschen, französischen oder russischen Exportkreditagentur zu bemühen". Dem steht laut Urgewald offiziell die aktuelle Geschäftspolitik des deutsche Exportversicherers Hermes entgegen, wonach eine Finanzierung von Atomexporten nicht in Betracht komme.

"Die Ankündigungen von NEK, woher die Finanzierung kommen soll, hat einen verzweifelten Charakter", meint Regine Richter von der Umweltorganisation. "Sie scheinen zum Teil nicht einmal zu prüfen, ob die von ihnen genannten Geldquellen überhaupt finanzieren könnten. Das gilt auch für die Europäische Investitionsbank, die NEK als weiteren Finanzierer nennt. Die EIB finanziert den Bau von Atomkraftwerken gar nicht."

Urgewald: Wichtig vor allem für die Atomindustrie

Das Atomkraftwerk Belene wurde in den 1980er Jahren geplant. Der Bau an dem Donaustandort wurde 1985 begonnen, wegen Umweltprotesten, mangelnder Wirtschaftlichkeit und Sicherheitsbedenken jedoch 1992 gestoppt. Seit 2003 verfolgt die bulgarische Regierung das Projekt erneut. Sie will damit Atomkraftwerksblöcke ersetzen, die am bisherigen bulgarischen Standort Kosloduj stillgelegt werden sollen. Die Stillegung von vier Blöcken in Kosloduj ist Auflage der EU für den möglichen Beitritt Bulgariens zur Union gewesen.

Die deutschen Umweltschützer halten den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Belene dennoch für überflüssig. Bulgarien exportiere große Mengen Strom und habe ein enormes Potenzial sowohl in der Energieeinsparung als auch bei Erneuerbaren Energien. Wichtig sei der Bau "vor allem für die Atomindustrie". Um nach 20 Jahren endlich wieder einen Auftrag in Europa auszuführen, habe AtomStroyExport laut russischer Berichterstattung einen Dumpingpreis geboten.

Am 01-11-2006

Ex-Chef der bulgarischen Atomaufsicht gegen Atomkraftwerk Belene

"Mangel an qualifiziertem Personal"

Die Auseinandersetzung um die Pläne der bulgarischen Regierung, ein Atomkraftwerk in einem Erdbebengebiet zu bauen, erreichen nun Brüssel. Der ehemalige Leiter der bulgarischen Atomaufsicht, Gueorgui Kastchiev, präsentierte am 23. November auf einer Pressekonferenz eine lange Liste von Problemen und stellte fest: "Ich bin der Meinung, dass das Atomkraftwerk Belene so schnell wie möglich gestoppt werden muss." Kastchievs Aussage kommt zu einem sensiblen Zeitpunkt: es wird erwartet, dass die Europäische Kommission Anfang Dezember eine offizielle Stellungnahme zu Belene veröffentlicht. Die EU-Stellungnahme gilt als Voraussetzung für eine finanzielle Unterstützung durch EURATOM oder die Europäische Investitionsbank.

Nach Auffassung des ehemaligen Chefs der bulgarischen Atomaufsicht, der inzwischen leitender Atomexperte am Institut für Risikoanalyse der Universität Wien ist, "stellt Belene ein nicht tolerierbares Sicherheits- und Umweltrisiko dar. Die fehlende Betriebserfahrung mit dem geplanten Reaktortyp, der Mangel an qualifiziertem Personal und effektiven Kontrollen wird zweifellos zu schlecht ausgeführten Bauarbeiten führen", meint er.

Der ehemalige Aufsichtsbeamte verfügt über 34 Jahre Erfahrung im Atomsektor. Die Hälfte dieser Zeit hatte er offenbar unmittelbar mit dem Betrieb von Atomkraftwerken des russischen WWER-Typs zu tun. Vor diesem Hintergrund hielte er es für einen Fehler, "wenn nur die Baupläne als Basis der Kommissions-Stellungnahme herangezogen werden, während die Realität, wie ein solches Projekt in Bulgarien durchgeführt wird, unbeachtet bleibt."

Es ist nicht das erste Mal, dass Kastchiev sich zu Wort meldet. Im letzten Jahr warnte er vor einem Vorfall im bulgarischen Atomkraftwerk Kosloduj, wo ein Drittel der Regulationsstäbe ausfielen. Die bulgarischen Behörden bewerteten den Vorfall als völlig unbedenklich. Kastchiev brachte das Geschehen an die Öffentlichkeit, woraufhin die bulgarischen Behörden den Vorfall in der Risikorelevanz höher einstufen mussten. "Dies ist nur einer von vielen Fällen, wo die bulgarische Atomaufsicht versuchte, Probleme unter den Teppich zu kehren", so Kastchiev.

Kastchiev warnt auch vor Erdbeben. Die bulgarischen Behörden würden das Erdbebenrisiko abstreiten. Es würde ignoriert, dass beispielsweise 1977 in Svishtov 120 Personen bei einem Erdbeben starben. Die Stadt liegt nur 14 Kilometer von Belene entfernt. "Es sollte die Alarmglocken bei der Kommission klingeln lassen, dass die bulgarischen Behörden das Erdbebenrisiko einfach abstreiten", so Kastchiev. "Wenn man das hohe seismische Risiko der Bauregion und den niedrigen Atomsicherheitslevel in Bulgarien zusammenrechnet, kann man nur zu einem Schluss kommen: Dieses Projekt darf nicht weitergeführt werden."

Schücking: Die EU-Kommission ignoriert bei ihrer Bewertung zentrale Aspekte

Heffa Schücking von der Umweltorganisation Urgewald hat den Eindruck, dass die EU-Kommission dieses Problem ignoriert. "Unsere bisherigen Gespräche mit der Kommission zeigen, dass diese die wichtigsten Aspekte zur Bewertung von Belene gar nicht prüfen. Die Qualität der Umweltverträglichkeitsprüfung, die Frage des Erdbebenrisikos und die schlechte Sicherheitskultur der bulgarischen Atomindustrie spielen im Prüfungsprozess keine Rolle", behaupet Schücking.

Das sei unverständlich, weil schon in den 1980er Jahren sowjetische Wissenschaftler vor dem Standort Belene wegen des Erdbebenrisikos gewarnt hätten. Ihrer Meinung nach "ist die Prüfung der Kommission bei Belene fehlerhaft, nachlässig und unverantwortlich. Dabei bedeutet das Projekt ein Risiko für die Gesundheit und Sicherheit von Millionen Europäern."

Schücking ist offenbar nicht alleine mit ihrer Meinung. In den vergangenen Tagen hat die Kommission tausende E-Mails von besorgten Bürgern aus ganz Europa erhalten.

"Wir hoffen sehr, dass die öffentlichen Bedenken dazu führen, dass die Kommission nicht russisches Roulette mit unserer Zukunft spielt, indem sie sich positiv zu dem Projekt äußert", so Kovatchev.

Am 23-11-2007

Rohr im Notkühlsystem eines US-Atomkraftwerks durchgerostet

Sicherheitssystem

Im US-Bundesstaat New York hat das Notkühlsystems eines Atomkraftwerks erhebliche Mengen an Flüssigkeit verloren, berichtet die "New York Times". Über 100.000 Gallonen Wasser, also etwa 400.000 Liter, seien ausgetreten. Ursache sei Korrosion in einem der Rohre des Sytems, das im Notfall dafür sorgen soll, dass es nicht zur gefürchteten Kernschmelze kommt. In dem seit rund 36 Jahren laufenden Atommeiler sind also wichtige Bauteile eines Sicherheitssystems schlichtweg durchgerostet. Die Zeitung weist allerdings daraufhin, dass das Ereignis Fragen nach der Sicherheit des betagten AKW-Parks des Landes stelle. Viele Atomkraftwerke müssten in der nächsten Zeit ihre nach 40 Jahren auslaufende Betriebslizenz erneuern, auch das betroffene Werk Indian Point 2. 2013 laufe dessen Lizenz ab, und der Staat New York sowie die örtlichen Behörden seien ohnehin schon äußerst skeptisch und streben eine Stilllegung an.

Offensichtlich lag das schadhafte Rohr unter der Erde und wurde seit 1973 nicht mehr inspiziert. Die New York Times zitiert aus einem offenen Brief des demokratischen Kongress-Abgeordneten Edward J. Markey aus Massachusetts, der dem Parlamentsunterausschuss für Energie und Umwelt vorsteht: "Dieses Leck ist Hinweis auf ein systematisches Versagen des Lizenznehmers und der Aufsichtskommission."

Auch der Abgeordnete John J. Hall, in dessen Wahlkreis das AKW liegt, hatte den Brief an die Aufsichtskommission unterschrieben. Gegenüber der New York Times zeigte er sich "geschockt", dass ein derart großen Leck sich unbemerkt entwickeln konnte. Die Überwachungssysteme seien offensichtlich nicht ausreichend.

Am 04-05-2009

Kategorien
politik
Stichworte

Auswahl an Beiträgen zu den Stichworten