Giftige Chemikalie TDI
In der Meldung hieß es zunächst: „Vorausgegangen war dieser Änderung ein intensives Lobbying von Bayer MaterialScience“. Im Laufe des Tages wurde der Ausdruck „Lobbying“ durch „Informationsaustausch“ ersetzt. In der englischen Version wird Bayer hingegen deutlicher: Dort heißt es, der Konzern habe sein Ziel „after seven years of persistent lobbying“ erreicht. Die neue Einordnung der Chemikalie sei auch deshalb von Vorteil, weil eine anhaltende Klassifizierung als „hochgiftig“ zu negativer Publicity geführt hätte („would have undoubtedly led to a negative public perception about TDI“). Durch eine geringere Gefahrenklasse können zudem Kosten für Arbeitsplatzsicherheit, Transport und Lagerung reduziert werden.
Philipp Mimkes vom Vorstand der Coordination gegen BAYER-Gefahren kommentiert: „TDI ist und bleibt hochgefährlich. Eine politische Einflussnahme mit dem Ziel, risikoreiche Stoffe in geringere Gefahrenklassen einzustufen, muss unterbleiben. BAYER ist aufgefordert, auch in Schwellenländern wie China die höchsten Sicherheits-Vorkehrungen zu treffen. Jegliche Form doppelter Standards ist abzulehnen!“.
In der Europäischen Union wird TDI weiterhin als „sehr giftig“ (T+) eingestuft. Bei der Herstellung der Chemikalie werden Gefahrstoffe wie Kohlenmonoxid und Phosgen eingesetzt, auch ist die Produktion extrem energieaufwändig. Die Substanz steht zurzeit in der Diskussion, da sich Umweltverbände gegen den geplanten Ausbau der TDI-Produktion im BAYER-Werk Dormagen aussprechen.
Auch anderswo betreibt der Leverkusener Multi eine aggressive Interessenspolitik. So wendet er allein in Brüssel für Lobby-Aktivitäten fast zwei Millionen Euro pro Jahr auf. In den USA gelang es dem Konzern, den Kongress-Abgeordneten Tim Murphy zum Dank für Wahlkampfspenden fast ausschließlich für Interessen des Unternehmens arbeiten zu lassen. So stellte Murphy in einer Legislatur-Periode 20 Anträge zur Gewährung bzw. Verlängerung von Zollbefreiungen für Kunststoffe und andere Produkte, die der Konzern vertreibt. Und in der Bundesrepublik konnte das Unternehmen jahrelang auf Cornelia Yzer zählen, die vor ihrer politischen Karriere in Diensten des Pharma-Riesen stand. Zudem schaffte es der Global Player in den 1990er Jahren, seinen Finanzchef Heribert Zitzelsberger als Staatssekretär im Finanzministerium zu platzieren, wo er die große Unternehmenssteuerreform mit Milliarden-Entlastungen für BAYER & Co entwarf.
Am 29. Nov. 2013 u
Die Steuertricks der BAYER AG
„Konzerne angemessen besteuern!“
Konzerne angemessen besteuern! Das fordert die Coordination gegen BAYER-GefahrenDie Coordination gegen BAYER-Gefahren hat heute eine Untersuchung zu Steuertricks des Leverkusener BAYER-Konzerns veröffentlicht. Darin wird gezeigt, wie das Unternehmen Gewinne in Länder mit niedriger Steuerlast verschiebt. Die Stadt Leverkusen, Sitz von Deutschlands wertvollster Firma, blutet derweil aus. Die BAYER AG hat in den vergangenen Jahren systematisch Gewinne in Niedrigsteuer-Länder verschoben. Mehrere Jahre lang zahlte der Konzern in Deutschland keine Gewerbe- und Körperschaftssteuer. Städte wie Leverkusen und Wuppertal mussten daher Nothaushalte verabschieden. Die Coordination gegen BAYER-Gefahren (CBG) fordert, den ruinösen Steuer-Wettlauf zu beenden. Jan Pehrke vom Vorstand der CBG: „Die Armrechenkünste internationaler Konzerne kosten die Finanzämter viele Milliarden Euro pro Jahr. Die Finanzierung des Staatshaushalts wird dadurch immer mehr der lohnabhängigen Bevölkerung aufgebürdet. Es wird höchste Zeit, große Unternehmen angemessen an der öffentlichen Steuerlast zu beteiligen!“.
Allein in Holland besitzt BAYER 15 Tochtergesellschaften. Mit den heimatlichen Gefühlen des Vorstandsvorsitzenden Marijn Dekkers hat das jedoch wenig zu tun. Der Nachbar wirbt vielmehr aggressiv mit Angeboten zum Sparen von Unternehmenssteuern. So ist die Nutzung von geistigem Eigentum und Namensrechten in so genannten „Patent-Boxen“ für nur fünf Prozent Körperschaftssteuer zu haben. Auf diese Weise können die BAYER-Töchter die Gebühren, die sie etwa für eine ASPIRIN-Lizenz entrichten müssen, steuermindernd geltend machen, während diese in Holland als Einnahmen kaum ins Gewicht fallen. Auch als Standort für eine konzern-interne Bank, die den Teilgesellschaften Geld für Investitionen leiht, eignet sich das Land. Die für die Kredite zu zahlenden Zinsen wirken in Deutschland steuermindernd, indessen sie in Mijdrecht bei BAYER WOLRD INVESTMENTS B.V. den Gewinn kaum schmälern.
BAYER verschob daher im Jahr 2012 Anteile im Wert von 1,4 Milliarden Euro aus den USA zur holländischen Tochterfirma BAYER WORLD INVESTMENTS. BAYER GLOBAL INVESTMENTS bekam 526 Millionen Euro schwere Anteile von französischen Teilgesellschaften. Darüber hinaus hat der Konzern in den Niederlanden zu günstigen Konditionen eine Euro-Anleihe über 1,3 Milliarden Euro begeben, für welche die BAYER CAPITAL CORPORATION eine Haftungsverpflichtung eingegangen ist.
Auch nach Belgien steuerflüchtet BAYER, da das Land Zinsen auf Eigenkapital gewährt. Im Jahr 2011 verdoppelte das Unternehmen die Mittel seiner in Antwerpen ansässigen Tochter-Gesellschaft auf acht Milliarden Euro und konnte seinen Gewinn von 254,8 Millionen Euro fast komplett mit nach Hause nehmen. Lediglich 10,8 Millionen Euro musste er dort lassen – das entspricht einer Steuerquote von 4,3 Prozent. In Luxemburg hingegen nutzt BAYER das günstige versicherungswirtschaftliche Klima und hat dort sowohl die INDURISK RÜCKVERSICHERUNG AG als auch die PANDIAS RE AG angesiedelt.
Gewinne dort anfallen zu lassen, wo es nichts kostet, und Verluste da, wo der Fiskus droht, bezeichnet Finanz-Vorstand Werner Baumann als „eine veränderte regionale Ergebnis-Verteilung“. Baumann untersteht eine Abteilung für „Global Tax Projects“. Die Angestellten dort befassen sich unter anderem mit dem „Tax Planning“ und dem „Transfer Pricing“, also der Ermittlung von Preisen für konzern-interne Deals mit Markenrechten, Lizenzen oder realen Produkten.
Wie sehr das Steuerdumping dem Gemeinwesen schadet, zeigt das Beispiel Leverkusen. Die Stadt, immerhin Stammsitz des wertvollsten DAX-Konzerns, darbt seit zwei Dekaden. Mehrere Jahre lang musste die Kommune mit Nothaushalten über die Runden kommen, weil BAYER weniger Gewerbesteuern überwies und manchmal – wie 1999, 2001, 2003 und 2004 – auch gar keine. 2013 musste Leverkusen gar dem Stärkungspakt Stadtfinanzen beitreten.
Die letzte Hiobsbotschaft erreichte Leverkusen im Zusammenhang mit der Übernahme der Sparte für nicht-verschreibungspflichtige Produkte vom US-Unternehmen MERCK. „BAYER rechnet ab dem ersten Jahr nach dem Vollzug mit signifikanten Steuer-Einsparungen“, verlautbarte der Konzern bei der Bekanntgabe des Deals. Im September 2014 gab die Firma dem Stadtkämmerer Frank Stein die genaue Größe bekannt. Stein muss als Synergie-Defekt nicht nur „Einbrüche im zweistelligen Millionen-Bereich“ hinnehmen, sondern für die beiden letzten Jahre auch noch Gewerbesteuer-Einnahmen rückerstatten. Gerade einmal 60 Millionen Euro Gewerbesteuer wird die Kommune in diesem Jahr einnehmen. Zum Vergleich: 1990 hatte allein BAYER das Doppelte überwiesen.
Jan Pehrke von der Coordination gegen BAYER-Gefahren abschließend: „Die Konzerne entziehen sich immer weiter ihrer Verantwortung für die Allgemeinheit - zu Lasten der arbeitenden Bevölkerung, die über steigende Steuern und Abgaben die Zeche zahlen muss. Es ist nicht hinzunehmen, dass BAYER und Co. immer weniger zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen.“
Die vollständige Untersuchung: www.cbgnetwork.org/5947.html