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"Friedenstauben" im Bonner Hofgarten

Vor 30 Jahren: Höhepunkt der Friedensbewegung

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Friedensdemo Hofgarten 22.10.1983 Foto KergerAm 22. Oktober 1983 versammelten sich über 1 Million Menschen in Hamburg, West-Berlin, Bonn und in einer 108 km langen Menschenkette zwischen Stuttgart und Neu-Ulm, um die geplante NATO-Aufrüstung mit Pershing-II-Raketen und Cruise Missiles zu stoppen und die drohende Gefahr eines auf Europa begrenzten Atomkriegs zu bannen. In mehreren Veranstaltungen wird an das Jubiläum erinnert - darunter in Nürnberg und im legendären Bonner Hofgarten.


Im Friedensmuseum Nürnberg erzählt heute ein Zeitzeuge, wie 1983 die eindrucksvolle Menschenkette zustande kam. Im Bonner Hofgarten trafen sich am Samstag etwa 40 ehemalige oder auch Immer-noch-Aktivistinnen und Aktivisten der Friedensbewegung, um an den Höhepunkt der westdeutschen Friedensbewegung vor 30 Jahren zu erinnern. Gasgefüllte Friedenstaubenballons, blau-weiße Fahnen, lila Halstücher, buttongeschmückte Jeansjacken und ein Sprechchor "Hopp, hopp, hopp! Atomraketen stopp!" riefen die Zeit in Erinnerung, als Millionen von Menschen in ganz Europa gegen die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen auf die Straße gingen.

Jens Jürgen Korff, damals Aktivist in Aachen, heute Historiker und Texter in Bielefeld, hatte das Treffen im Hofgarten arrangiert. In einer kurzen Rede erinnerte er daran, dass die Angst der damaligen Raketengegner berechtigt gewesen sei: Wie Jahre später herauskam, entging die Welt im gleichen Jahr 1983 vielleicht nur knapp einem "Atomkrieg aus Versehen", sogar gleich zweimal. Die damalige Friedensbewegung, so Korff weiter, habe bewirkt, dass die in der westdeutschen Bevölkerung um 1980 noch felsenfeste antirussische und antisowjetische Feindschaft aufgelockert habe. Die große Hilfsbereitschaft, die z. B. 1990 die Kölner gegenüber ihrer sowjetischen Partnerstadt Wolgograd entwickelten, wäre ohne die Friedensbewegung wahrscheinlich nicht möglich gewesen.

Eva Quistorp, Mitgründerin der "Frauen für den Frieden" und der Grünen, die 1983 die Kundgebung im Bonner Hofgarten gemeinsam mit Jo Leinen moderiert hatte, wies darauf hin, dass die damalige Friedensbewegung internationale Wurzeln gehabt habe und nicht nur, wie damals viele Journalisten glaubten, ein typisch westdeutsches Angstphänomen gewesen sei. Zeitgleich fanden auch große Friedenskundgebungen in Amsterdam, Brüssel, Greenham Common, Kopenhagen, Stockholm und anderen Städten Europas und der Welt statt. Gerade die starke Frauenbewegung in der Friedensbewegung sei in ihren Zielen stets über die bloße Verhinderung eines beängstigenden Aufrüstungsschritts hinausgegangen und habe Perspektiven für eine neu organisierte Welt der Gewaltfreiheit entwickelt.

Klaus der Geiger, der bekannte Kölner Straßenmusiker, spielte gemeinsam mit dem Gitarristen Hermann-Josef Wolf auf und heizte dem Publikum mit schmissigen Liedern ein- darunter das Lied von den Drückebergern und der (nicht ganz so schmissige) Evergreen "We Shall Overcome". Etliche Passanten, darunter eine Gruppe japanischer Touristen, blieben neugierig stehen, um das Spektakel zu bestaunen. Jens Jürgen Korff knüpfte an einen aktuellen Aufruf an, der gerade im Hofgarten plakatiert war: Dort geht es um die Teilnahme an einem Prozess, in dem die Opfer des deutschen Bombenangriffs auf Kundus (Afghanistan) für eine Entschädigung kämpfen. Am Rande machte sich Klassentreffen-Atmosphäre breit: Es trafen sich etliche alte Freunde und Freundinnen wieder, die sich seit Jahren nicht gesehen hatten. Gesehen wurden u. a. Gabriele Witt, Gerd Pflaumer, Manfred Stenner, Guido Grünewald, Heide Schütz, Ilse Wolf, Ilse Jacobs, Jürgen-Bernd Runge und Klaus Thüsing.

Anschließend vertagten sich die Friedenstauben in den Cassiusgarten, um sich zu stärken, weiteren Liedern von Klaus dem Geiger zu lauschen, zu klönen und zu diskutieren. Korff hatte eine Menge Fotos aus der damaligen Zeit gesammelt - u. a. von Alfred Kerger, der auch selber anwesend war -, die über den Beamer projiziert wurden und immer wieder zu Erläuterungen und Anekdoten anregten. Auch Musik aus der damaligen Zeit, von Aretha Franklin bis Konstantin Wecker, hob die Stimmung. Viele, die nicht hatten kommen können, ließen per E-Mail grüßen, darunter Diether Dehm, Ellen Diederich, Lutz Görner, Jo Leinen, Winfried Nachtwei, Werner Rätz, Werner Rügemer, Erasmus Schöfer und Hildegard Schröteler. Die Frage, was den damaligen Mobilisierungserfolg möglich gemacht hat, wurde gleich zweimal aufgeworfen, aber leider nicht öffentlich diskutiert.

Detlev Lengfeld
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