Die IG BAU fordert eine europaweite Solidarität. Für Krisenstaaten muss es eine gemeinsam finanzierte Unterstützung ähnlich der des Marshallplans geben. Skrupellose Spekulationen und das Laissez-faire bei Steuerflucht müssen gestoppt werden. „Es muss Schluss sein mit dem Raubtierkapitalismus. Damit, dass sich die Reichen den Staat zur Beute machen und der Rest dafür zahlt“, sagte Wiesehügel. „Wer Steuern hinterzieht und eine Politik, die auch noch großzügig darüber hinweg sieht, handelt gegen die Interessen der Mehrheit. Ohne Steuern gibt es keine Infrastruktur, ausreichend Kita-Plätze oder Wohnungsförderung.“
Gleichzeitig protestiert die IG BAU gegen die immer stärker um sich greifende Ausbeutung von Arbeitnehmern. „Amazon ist nur die Spitze des Eisbergs. Das soziale Dumping durch Unternehmen aus dem In- und Ausland hat rapide zugenommen“, stellte Wiesehügel fest. „Arbeitgeber missbrauchen Werkverträge und 450-Euro-Jobs. Sie arbeiten mit Scheinselbstständigen, Leiharbeitern und Hartz-IV-Aufstockern, um die Löhne zu drücken. Ein Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten darf es nicht geben. Wer voll arbeitet muss davon auch Leben können. Dafür brauchen wir einen vernünftigen gesetzlichen Mindestlohn.“
Alarmiert ist die IG BAU zudem von den Zuständen bei Entsendungen bzw. Scheinselbstständigen aus dem Ausland. Das Maß der Ausbeutung erreicht dort immer stärker die Züge von Menschenhandel. Unter falschen Versprechungen werden Arbeitnehmer angelockt. Statt guter Arbeit erwarten sie Hungerlöhne und menschenunwürdige Unterkünfte. Am Ende haben sie nicht einmal mehr Geld, für die Rückfahrt in ihre Heimat.
„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – darunter geht es nicht“, sagte Wiesehügel. „Wir verlangen, dass diese Mindestbedingung effektiv vom Staat durchgesetzt wird.“ Gleichzeitig warnt die IG BAU vor Angriffen auf Arbeiterrechte aus Brüssel. Mit der sogenannten Durchsetzungsrichtlinie nimmt die EU-Kommission die Rechte von Entsendearbeitern ins Visier. Statt ihnen die Durchsetzung der Mindestbedingungen im Gastland zu erleichtern, sieht der Entwurf das Aushebeln der staatlichen Kontrollen vor. Im Ergebnis droht dann ein Arbeiten nach dem Herkunftslandprinzip. „Wir wollen keinen Wettlauf nach unten mehr! Wir wollen keine Löhne und Arbeitsbedingungen wie in China oder Bangladesch“, sagte Wiesehügel. „Wir wollen sozialen Fortschritt statt Rückschritt für alle Menschen in der EU.“
Wiesehügel erinnerte auf der Mai-Kundgebung ebenfalls an den bevorstehenden 20. Jahrestag des verheerenden Brandanschlags in Solingen durch Nazis und das Versagen des Verfassungsschutzes. „Damals wollte der Verfassungsschutz angeblich nichts geahnt haben. Dieses Muster hat sich später bei der NSU wiederholt“, sagte Wiesehügel. „Der Geheimdienst muss umfassend unter die Lupe genommen werden“, forderte er. Die Gewerkschaften in Deutschland sind sich gegenüber der Gefahr von rechts aufgrund ihrer historischen Erfahrung schmerzlich bewusst. Bereits vor dem Jahr 1933 sahen sie sich mit Verfolgung und Gewalt durch Nazis konfrontiert.
Am 2. Mai vor 80 Jahren mündete dies auf den Überfall der Nazis auf die Gewerkschaftshäuser sowie der Folter und der Verschleppung von Gewerkschaftern in Konzentrationslager. „Faschismus ist keine Meinung, er ist ein Verbrechen. Wir können uns nicht wegducken, denn für die Nazis ist alles, für was wir stehen, falsch“, sagte Wiesehügel. „Deshalb wehrt euch gegen Nazis und Rechtsradikale, wo und wann immer Ihr könnt!“