"Die Chance zur Gegenhegemonie bekommt die gesellschaftliche Linke nur, wenn sie begreift, dass Abgrenzungsrituale in die Sackgasse führen. Und auch nur wenn klar ist, dass es nicht genügt, die linken AkteurInnen in den Parlamenten und außerhalb derselben an »runden Tischen« zu schlechten Kompromissen zu bewegen. Es braucht einen moderierten Prozess, der in einem erneuten Versuch des Cross-Over zu finden sein könnte", schreibt Andrea Ypsilanti in ihrem Beitag "Linke Litanei" in der Zeitschrift Sozialismus.
Dieses Rentenniveau ist der Indikator dafür, wieviel ein Durchschnittsverdiener von seinem Monatsgehalt an Rente bekommt, vorausgesetzt er hat 45 Jahre lang und ohne Unterbrechung die entsprechenden Beiträge in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt. Im Jahr 1977 lag dieses Rentenniveau noch bei 59,8%, momentan liegt es bei 51% und im Jahr 2030 wird es bei 43% liegen. Daneben wird noch das Renteneintrittsalter heraufgesetzt, was faktisch eine weitere Rentenkürzung bedeutet, da die meisten Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen oder weil sie nicht mehr gebraucht werden, ganz im Gegensatz zu den Verlautbarungen, dass auch ältere Fachkräfte gebraucht werden, früher in Rente gehen.
Fakt ist also, dass immer weniger Arbeitnehmer 45 Beitragsjahre schaffen. Und Fakt ist auch, dass wir einen Niedriglohnsektor mit Mini-Jobs, Zeitarbeit und Werkverträgen von ca. 8 Millionen Arbeitnehmern haben, die mit ihren Einkommen meist deutlich unter dem Durchschnittsverdienst liegen, ganz abgesehen von den Hartz IV-Empfängern, für die keine Rentenbeiträge gezahlt werden oder (Schein-)Selbststängigen, die es aus den unterschiedlichsten Gründen nicht schaffen, sich eine tragfähige Existenz aufzubauen oder gar für das Alter Vorsorge zu treffen.
Vor diesem Hintergrund ist die Idee von Arbeitsministerin von der Leyen, eine Zuschussrente einzuführen, eine Farce, eine politische Augenwischerei und ein Taschenspielertrick. Die Bedingungen (private Vorsorge und 35 Beitragsjahre) wird kaum jemand erreichen, der in Zeitarbeit, Arbeitslosigkeit steckt oder der eine unterbrochene Erwerbsbiographie hat, u.a. weil der Arbeitsmarkt insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten auf eine Art und Weise flexibilisiert wurde, dass aus regulären Arbeitsverhältnissen zum Beispiel befristete Arbeitsverhältnisse oder schlimmer noch, aus regulären Arbeitsverhältnissen Arbeitsplätze für Zeitarbeiter oder für Menschen mit Werkverträgen wurden. Wobei Werkverträge ja spätestens seitdem es eine Mindestlohnregelung für Zeitarbeit (2010) gibt, an Attraktivität gewonnen haben.
Der homo precarius ist also nicht nur allzeit verfügbar, vielseitig verwendbar und allzeit bereit, neoliberalen Zumutungen und soziale Härte als Sachzwänge der globalisierten Märkte hinzunehmen (siehe den Text von Christa Wichterich: Prekär ist ganz normal) , er hat auch keine starke politische Lobby, die seine Interessen vertritt. Ihm stehen keine politisch starken think tanks zur Seite wie zum Beispiel der Wirtschaft die nur scheinbar soziale und in Wirklichkeit neoliberal orientierte Ideenschmiede Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Das Leben des homo precarius wird sich nicht bessern, da klar ist, dass, wenn die Politik an Gestaltungskraft und real an Einfluss verliert, (immer und meistens zuerst) das Soziale auf der Strecke bleibt.