Aber zunächst ist ein Blick auf die Informationen interessant, die im Rahmen der vielzähligen und mehr oder weniger reißerischen Artikel mit gegeben werden. Für die Presse sind solche Situationen immer ein gefundenes Fressen. Hier können alle unreflektierten Klischees und ausgeprägtes Halb- oder vielmehr Nichtwissen abgespult werden, die immer wieder nur am Thema vorbei gehen.
Der 43 Jährige Täter hat am Vortag seiner Tat seinem Vater gesagt, was er tun wird. Er war selbst Student in dem katholischen Privat-College und hat im Grunde seinesgleichen erschossen, indem er die Studenten den Berichten zufolge aufgefordert hat, aufzustehen und sich an die Wand zu stellen. Aktuell rätselt die Öffentlichkeit, welches Motiv der Tat zu Grunde liegt.
Warum erinnert die Geschichte verdächtig an den Film "Full Metal Jacket", in dem ein Private, der während der Ausbildung zum US-Marine permanent erniedrigt, angeschrien und entwürdigt wird, nach Abschluss seiner Ausbildung zuerst seinen Drill-Sergant und danach sich selbst mit einem Gewehr erschießt?
Das Buch "Wir müssen über Kevin reden" beschreibt die Biografie eines Amokläufers aus der Perspektive seiner Mutter. Es ist mehr als aufschlussreich, wenn man verstehen möchte, was mit diesen Menschen passiert. Ein Psychiater, der sich lange mit Amokläufern beschäftigt, sie behandelt und interviewt hat, meinte, sie würde innerlich zuerst selbst sterben, bevor sie andere töten. Die Tat ist in der Regel eine Selbsthinrichtung, da die meisten damit rechnen, ihrerseits erschossen zu werden.
Aber was drücken die Täter aus?
Bei allen noch lebenden Amokläufern wurden stark gestörte Beziehungen zu ihren Eltern festgestellt. Das permanente Fehlen verlässlicher Beziehungspartner erzeugt vor allem Unsicherheit und Angst. Die Betroffenen fallen nicht selten im Nachinein dadurch auf, dass sie besonders unauffällig und angepasst sind. Der nette Junge von nebenan. Aber ein netter Junge, der in der Regel keine Freunde hat und sozial isoliert ist. Was aber viel wichtiger ist: es sind ausschließlich männliche Täter.
Was sagt das nun über den Täter von Oakland?
Zum einen, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein gestörtes Verhältnis zu seinem Vater hat. Hat dieser Vater die Polizei alarmiert, als sein Sohn ihm sagte, was er vor hat? Keineswegs. Dass er auf ein katholisches Privat-College ging, lässt weiteren Missbrauch, vielleicht sogar sexuellen vermuten.
Selbstredend werden das College und seine Studenten, allen voran sein Gründer, als Opfer beschrieben. Werfen wir einen Seitenblick auf die Missbrauchsfälle, die allein Deutschland für viel Furore gesorgt haben, fällt es in keiner Weise mehr schwer, sich auch heftige Übergriffe, zumindest aber Attacken auf die Würde der Studierenden, die auch nicht zufällig auf genau dieses College geschickt werden, vorzustellen.
Dass der Täter sich dann völlig widerstandslos der Polizei ergeben hat, spricht sehr klar dafür, dass er sich längst selbst aufgegeben und in keiner Weise damit gerechnet hat, mit heiler Haut davon zu kommen. Wer in einen solchen Modus kommt, ist innerlich längst zerstört worden. Die Tat ist nur noch ein Ausdruck dieser inneren Zerstörung.
Ob und wem diese Geschichte im aktuell tobenden Wahlkampf in den USA von Vorteil sein wird, steht außer Frage. Nach solchen "unglücklichen Zufällen" werden in der Regel die Rufe nach law and order, nach höheren Sicherheitsmaßnahmen und nach einer vermeintlich starken Führung laut. Die zwei republikanischen Spitzenkandidaten, Rick Santorum und Mitt Romney, dürften diese Steilvorlage nutzen, um sich - jeder auf seine Weise - als diese Führer zu positionieren. Sie dürften insgeheim für diesen bedauerlichen Vorfall dankbar sein.
Seit mehr als 11 Jahren freier Berater - Autor des Buches "Ökolution 4.0 - Wirtschaftliche und gesellschaftliche Imperative in Zeiten ökologischer und ökonomischer Krisen"