Das Mobbing-Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) - Teil 2
Der betroffene Oberarzt sieht sich seit Mai 2002 Mobbing-Attacken durch den Chefarzt ausgesetzt. Gespräche der Klinikleitung mit den beiden betroffenen Ärzten scheiterten ebenso wie die im Jahre 2003 und 2004 eingeleitete Konfliktlösungsverfahren.
Schließlich erhob der Oberarzt im Jahre 2004 Klage zum Arbeitsgericht Dortmund und verlangte von seinem Arbeitgeber, dem St.-Marien-Hospital, die Entlassung des Chefarztes und die Zahlung von Schmerzensgeld.
Das Arbeitsgericht Dortmund wies die Klage des Oberarztes am 22.12.2004 ab. Gegen dieses Urteil legte der Oberarzt Berufung zum LAG Hamm ein. Auch dort war dem Kläger nicht viel mehr Erfolg beschieden. Das LAG Hamm stellte in seinem Urteil vom 06.03.2006 (AZ: 16 Sa 76/05) im ersten Leitsatz der Entscheidung fest:
"Ein Anspruch des sich gemobbt fühlenden Arbeitnehmers auf Kündigung seines Vorgesetzten besteht nicht, da es grundsätzlich dem Arbeitgeber überlassen bleibt, durch welche geeigneten Maßnahmen er auf eine betriebliche Konfliktsituation reagieren will."
Das LAG Hamm gab dem Kläger zumindest dahingehend Recht, dass Mobbing-Handlungen eines Vorgesetzten Schmerzensgeldansprüche des Opfers gegen seinen Arbeitgeber begründen können.
Nach Ansicht des LAG Hamm habe der Chefarzt "mobbingtypische Verhaltensweisen" gezeigt. Letztlich hat das LAG Hamm einen Schmerzensgeldanspruch des Oberarztes abgelehnt, da der Chefarzt nicht schuldhaft gehandelt habe. Der Chefarzt habe nach der Einschätzung des LAG Hamm nicht erkennen können, dass der Kläger aufgrund der Auseinandersetzungen psychisch erkranken würde.
Gegen das Urteil des LAG Hamm vom 06.03.2006 legte der Oberarzt Revision zum BAG in Erfurt ein und war hiermit bezüglich beider Klagebegehren erfolgreicher.
Zum einen vertritt das BAG den Standpunkt, dass es im Ermessen eines Arbeitgebers liege, mit welchen Maßnahmen er auf Belästigung eines Arbeitnehmers durch seinen Vorgesetzten reagiere. In besonderen Fallkonstellationen sei es sogar denkbar, dass ein gemobbter Arbeitnehmer Anspruch gegenüber seinem Arbeitgeber auf Entlassung des mobbenden Vorgesetzten haben könne. Allerdings sah das BAG im Verhalten des Chefarztes keinen solchen Ausnahmefall.
Zum anderen stellte das BAG fest, dass der Chefarzt die Gesundheitsschädigungen des Oberarztes schuldhaft herbeigeführt habe. Der Oberarzt könne daher von seinem Arbeitgeber, dem St.-Marien-Hospital, Schmerzensgeld verlangen.
Da es dem BAG als Revisionsgericht verwehrt ist, Schmerzensgeldansprüche festzusetzen, verwies das BAG den Rechtsstreit an das LAG Hamm zurück.
Das LAG Hamm verurteilte die Klinik allerdings nicht zur Zahlung von Schmerzensgeld, da der Kläger mit seinem Arbeitgeber einen Vergleich abgeschlossen hatte. Seitdem wird der Oberarzt im medizinischen Controlling eingesetzt und unterliegt damit nicht mehr der Weisungsgebundenheit seines früheren Vorgesetzten.
Weil der Oberarzt durch die psychische Erkrankung aber erhebliche Einkommenseinbußen erlitten hat, begehrt er nun unmittelbar gegenüber seinem früheren Vorgesetzten die Zahlung von etwa einer halben Million Euro als Schadensersatz.
Hierzu rief der Kläger wiederum das Arbeitsgericht Dortmund an. Über den Verlauf dieses Rechtsstreits werde ich im dritten Teil meines Beitrags informieren.
RA Thorsten Blaufelder