Hartz IV
- "Hartz IV" beschert Sozialgerichten offenbar einmalige Klagewelle
- "Hartz IV"-Empfänger sollen auf "Arbeitswilligkeit" geprüft werden
- Söder will "Hartz IV"-Empfängern Urlaub streichen
- Auch in der Union Widerstand gegen geplante "Hartz IV"-Verschärfung
- "Hartz IV" verstößt laut Bundessozialgericht nicht gegen die Verfassung
- "Hartz IV"-Empfänger sollen Energie sparen
- "Hartz IV"-Erhöhung wegen teurer Lebensmittel in Diskussion
- "Hartz IV"-Klagen erreichen neuen Höchststand
- "Hartz IV"-Empfänger muss Telefonanschluss selbst zahlen
- "Hartz-IV"-Leistungen nur bei Vorlage von Kontoauszügen
- Auch Patchworkfamilien gelten bei "Hartz IV" als Bedarfsgemeinschaft
- "Hartz IV"-Klagen nahmen 2008 um 28 Prozent zu
- Bund verklagt Berlin wegen Regelung für "Hartz IV"-Empfänger
- Zuverdienst zu Hartz IV
- "Zukunftsinvestitionsprogramm" und öffentlich geförderter Beschäftigungssektor
- "Hartz IV"-Neuregelung: ein sozialpolitisches Armutszeugnis
Rips kritisierte, dass der Gesetzgeber die Kommunen und die betroffenen Erwerbslosen im Unklaren lasse, was unter "angemessenen Wohnraum" zu verstehen sei. Nach Einschätzung des Mieterbundes brauchten Bewohner von Sozialwohnungen nicht befürchten, dass ihnen die Übernahme der Wohnkosten verweigert werde.
Das treffe auch zu, wenn die Miete am unteren Ende des Mietspiegels liege und die Wohnungen nicht größer seien, als für Sozialwohnungen zugelassen. Laut Rips steht jedoch fest, dass viele Haushalte diese Grenzen nicht einhalten werden und von den Kommunen die Aufforderung erhalten würden, die Wohnkosten zu senken.
Damit bestehe die Gefahr, dass ganze Stadtviertel mit Billigwohnungen zu Ghettos für Langzeitarbeitslose werden. Rips forderte von den Städten und Gemeinden Wohnungskonzepte mit preiswerten Unterkünften zu erarbeiten. So dürften die kommunalen Wohnungsunternehmen nicht mehr im bisherigen Umfang privatisiert werden. "Der Markt muss für die Betroffenen ein Angebot haben", forderte Rips.
Am 11-10-2004
"Hartz IV" beschert Sozialgerichten offenbar einmalige Klagewelle
52.000 Verfahren
Die Hartz-IV-Reform hat offenbar eine bei einer Gesetzesänderung einmalige Klagewelle vor den Sozialgerichten ausgelöst. Gut ein Jahr nach dem Start von "Hartz IV" seien bereits rund 52.000 Verfahren um die Regelungen registriert worden, teilte der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG), Matthias von Wulffen, am Mittwoch in Kassel mit.
Am häufigsten würden die Regelungen von "Hartz IV" zur Einkommensanrechnung und zur Bestimmung einer Bedarfsgemeinschaft angefochten, sagte BSG-Sprecher Thomas Voelzke. Strittig seien aber auch die Kosten der Unterkunft, die "angemessene" Größe des Wohnraumes oder die Übernahme von Mietrückständen und Stromkosten.
2005 gingen bei den Sozialgerichten wegen "Hartz IV" offenbar rund 36.700 Klagen und über 15.400 Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ein. Von den über 52.000 Verfahren seien rund 24.200 erledigt, sagte Wulffen.
Seit Inkrafttreten von "Hartz IV" sind die Sozialgerichte auch für die bisher vor den Verwaltungsgerichten verhandelten Streitigkeiten um die Sozialhilfe zuständig. Hier gingen den Angaben zufolge bei den Sozialgerichten rund 14.200 Klagen und etwa 5700 Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz ein.
Am 01-02-2006
"Hartz IV"-Empfänger sollen auf "Arbeitswilligkeit" geprüft werden
Schonvermögen
Die große Koalition plant "Sofortangebote" für "Hartz IV"-Empfänger, um ihre Arbeitsbereitschaft zu überprüfen. Das sieht das "Optimierungsgesetz" für das Zweite Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) vor, mit dem die große Koalition 1,2 Milliarden Euro bei den Langzeitarbeitslosen einsparen will. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, sagte der Tageszeitung "Die Welt": "Diejenigen, die Leistungen beanspruchen, sollen ohne zeitliche Verzögerung Angebote von Trainingsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten oder konkreten Stellen bekommen". Von diesen "Sofortangeboten", die mit der Antragstellung einhergehen sollen, versprechen sich die Koalitionäre auch eine Überprüfung der Arbeitsbereitschaft.
Darüber hinaus sollen durch einen verbesserten Datenabgleich "zur Aufdeckung von Schonvermögen und doppeltem Leistungsbezug nicht erwünschte "Mitnahmeeffekte" minimiert werden", sagte Brandner weiter. "Erfahrungen zeigen, dass mit diesen Maßnahmen eine Konzentration der Mittel auf die wirklich Bedürftigen erfolgen kann."
Geplant sei auch eine Erhöhung der Vermögensfreibeträge für ältere Arbeitslose. "Der finanzielle Spielraum hierzu ist allerdings sehr eng begrenzt, denn der Ausbau des Schonvermögens für Ältere sollte nicht zu Lasten der Jüngeren erfolgen", sagte der SPD-Arbeitsmarktpolitiker der Zeitung.
Am 18-04-2006
Söder will "Hartz IV"-Empfängern Urlaub streichen
Wahlkampf
CSU-Generalsekretär Markus Söder fordert weitere Verschärfungen der Arbeitsmarktreform "Hartz IV", um auf diese Weise den Druck auf Langzeitarbeitslose zur Arbeitsaufnahme zu erhöhen. Dazu sollte auch die Streichung von Urlaub gehören, sagte Söder am Freitag dem Nachrichtensender N24. "Es gibt für die 'Hartz IV'-Empfänger einen Urlaubsanspruch. Das geht nicht", meint der Politiker.
Söder hatte seine Forderung damit begründet, dass generell der Grundsatz gelten müsse, "wer arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet". Deshalb sollten auch die Zuschläge beim Übergang von Arbeitslosengeld I (ALG) auf ALG II gekürzt werden. Es müsse schließlich klar sein, "dass sich jemand nicht ausruhen kann in 'Hartz IV'".
Im "Handelsblatt" forderte Söder mit Blick auf die geplante Überarbeitung der Arbeitsmarktreform "Hartz IV" eine Streichung von Zuschlägen, die zusätzlich zum Arbeitslosengeld II gewährt werden. "Ich bin zum Beispiel dafür, dass wir den Übergangszuschlag streichen, der beim Wechsel vom Arbeitslosengeld I ins Arbeitslosengeld II gezahlt wird", sagte er. Dieser Zuschlag habe mit Bedürftigkeit nichts zu tun, "sondern ist ein Anreiz, es sich mit 'Hartz IV' bequem zu machen". Dabei gehe es um Beträge von bis zu 160 Euro pro Monat, die für zwei Jahre zusätzlich zum Arbeitslosengeld II gezahlt werden.
Weiterhin forderte der CSU-Generalsekretär eine Öffnung des Flächentarifvertrags für betriebliche Bündnisse. Auch sollten die Spielräume für befristete Arbeitsverhältnisse ausgeweitet werden. "Ein Teil der Gewerkschaften in Deutschland ist leider nicht reformfähig", sagte er. Daher müsse die Lohnfindung stärker "weg von den Gewerkschaftszentralen hinein in die Betriebe" verlagert werden.
Am 25-08-2006
Auch in der Union Widerstand gegen geplante "Hartz IV"-Verschärfung
"Nicht genug Jobangebote"
Die Vorschläge der Union für schärfe Sanktionen gegen arbeitsunwillige Langzeitarbeitslose stoßen auch in den eigenen Reihen auf Widerstand. Einzelne Punkte der geplanten Änderungen am "Hartz IV"-Gesetz seien "wirklich nicht dazu geeignet, Probleme zu lösen", sagte der CDU-Sozialexperte Gerald Weiß der "Thüringer Allgemeinen". Dazu zähle etwa der Vorschlag, die Rentenbeiträge für Langzeitarbeitslose zu kürzen oder ganz zu streichen.
"Einige Punkte des Papiers bedürfen ganz sicher einer Tiefenprüfung, andere sind diskussionswürdig. Der Leistungsmissbrauch ist aber sicher nicht das zentrale Problem bei 'Hartz IV', sondern die Vermittlung von Arbeitslosen in Beschäftigung", sagte der Chef des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales und Vize-Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse.
Der CDU-Wirtschaftsminister von Sachsen -Anhalt, Reiner Haseloff, wurde in der "Berliner-Zeitung" noch deutlicher: "Wir lehnen jegliche Diskussionen, die mit einer Leistungskürzung verbunden sind, ab." Seine Regierung werde die Vorschläge nicht unterstützen, schon weil es Sachsen rund 170.000 Langzeitarbeitslosen in Sachsen-Anhalt nicht genug Jobangebote geben. Auch die SPD lehnt den Änderungskatalog der Unions-Arbeitsgruppe entschieden ab.
Am 10-10-2006
"Hartz IV" verstößt laut Bundessozialgericht nicht gegen die Verfassung
Bundessozialgericht
Die Arbeitsmarktreform "Hartz IV" verstößt nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht gegen das Grundgesetz. Auch gegen die Höhe des Regelsatzes von 345 Euro pro Monat gebe es keine Bedenken, urteilten die Kasseler Bundesrichter am Donnerstag in einer Grundsatzentscheidung. "Nach Auffassung des Senats ist es nicht verfassungswidrig, dass die Arbeitslosenhilfe durch das Arbeitslosengeld II ersetzt worden ist", sagte BSG-Vizepräsidentin Ruth Wetzel-Steinwedel. Es sei grundsätzlich zulässig, den Lebensbedarf nicht individuell, sondern für alle Leistungsempfänger einheitlich festzusetzen.
Geklagt hatte eine 49-jährige Frau aus Lörrach in Baden-Württemberg, der kein Arbeitslosengeld II bewilligt worden war. Die Arbeitsagentur hielt die Frau nicht für hilfebedürftig, da sie zusammen mit ihrem schwerbehinderten Ehemann von dessen Altersrente in Höhe von 928,44 Euro monatlich leben könne.
Klägeranwalt Bernd Wieland griff die zu Grunde liegenden Festsetzungen der Hartz IV-Reformen zum Lebensbedarf als grundgesetzwidrig an. Es sei nicht nachvollziehbar, wie es zur Höhe des Regelsatzes von 345 Euro pro Monat gekommen sei. "Weder das physische noch das soziokulturelle Existenzminimum kann von solch einem Betrag gewährleistet werden", argumentierte er.
Das Gesetz gehe davon aus, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II nach kurzer Zeit wieder von Erwerbsarbeit leben könnten. Angesichts der Arbeitsmarktlage sei das eine "romantische und illusionäre Vorstellung". Dieser Argumentation wollten sich Deutschlands oberste Sozialrichter jedoch nicht anschließen. (Az.: B 11b AS 1/06 R)
Am 23-11-2006
"Hartz IV"-Empfänger sollen Energie sparen
Gesetzesänderung notwendig
Die kommunalen Spitzenverbände in Thüringen verlangen von "Hartz IV"-Empfängern einen sparsameren Umgang mit Energie. Der MDR berichtete am Sonntag unter Berufung auf den Thüringer Landkreistag, dass die Kosten für Unterkünfte im vergangenen Jahr um 44 Millionen auf 425 Millionen Euro gestiegen seien. Es gebe für "Hartz IV"-Empfänger keine Anreize, Heizkosten oder Wasser zu sparen. Für ein Bonussystem wäre eine Gesetzesänderung notwendig. Der Geschäftsführer des Gemeinde und Städtebundes, Ralf Rusch, sieht noch Sparpotenzial bei den Bedarfsgemeinschaften.
Er sprach sich für die Zahlung von Pauschalbeträgen aus. Wenn die Menschen weniger verbrauchten, dann sollten sie das gesparte Geld behalten. Allerdings sollte die Pauschale nicht zu niedrig angesetzt werden, sagte Rusch. Es dürfe nicht darum gehen, dass die Kommunen an den "Hartz IV"-Empfängern sparen.
Laut Gesetz müssen die Wohn- und Nebenkosten von Bedarfsgemeinschaften von den Kommunen getragen werden. Dazu gehören unter anderem Wasser- und Heizkosten. Die Stromkosten müssen "Hartz IV"-Empfänger mit Geld aus ihrer staatlichen Unterstützung bezahlen. Nach Angaben der Arbeitsagentur Erfurt werden die Nebenkosten in der Regel vollständig übernommen.
Am 09-01-2007
"Hartz IV"-Erhöhung wegen teurer Lebensmittel in Diskussion
7,4 Millionen Menschen betroffen
Wegen des erwarteten Preisanstiegs bei Lebensmitteln fordern Politiker von SPD, Grünen und Linkspartei eine Erhöhung der "Hartz IV"-Sozialleistungen. Der Vizechef der Links-Fraktion, Klaus Ernst, forderte ein Nachdenken "über die verfehlte Konstruktion von 'Hartz IV'. Der "Hartz-IV"-Regelsatz werde auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) alle fünf Jahre erhoben. Die Basis des jetzigen Satzes sei das Jahr 2003. Alle Preissteigerungen der letzten vier Jahre und die Mehrwertsteuererhöhung würden im Regelsatz nicht erfasst. "Hartz IV" decke nicht den realen alltäglichen Bedarf, sondern sei "Armut per Gesetz". Eine Erhöhung sei dringend geboten. Ungeachtet der insgesamt offiziell rückläufigen Arbeitslosigkeit hat die Zahl der "Hartz IV"-Empfänger nach Angaben des Deutschen Landkreistags einen neuen Höchststand von 7,4 Millionen Menschen erreicht.
SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler sagte, wenn der Lebensbedarf nicht mehr gedeckt sei, müsse der Regelsatz angepasst werden. Der SPD-Sozialexperte Ottmar Schreiner sagte, "Hartz IV" sei "nicht mehr" existenzsichernd, weil es keinen Anpassungsmechanismus gebe, der sich an den Lebenshaltungskosten orientiert. "Wenn jetzt die Lebensmittelpreise überproportional steigen, verringert sich der reale Wert von 'Hartz IV' stark".
Der Deutsche Landkreistag (DLT) machte darauf aufmerksam, dass die Zahl der "Hartz-IV"-Empfänger die in der Arbeitslosenstatistik erfassten Langzeitarbeitslosen um ein Vielfaches übersteigt und stetig wächst. Demnach waren im April dieses Jahres 7,4 Millionen Menschen auf Hartz IV angewiesen - der höchste Wert seit dessen Einführung.
DLT-Präsident Hans Jörg Duppré kritisierte, dass die Zahl der "Hartz-IV"-Bezieher bislang auf die Langzeitarbeitslosen verengt werde. Ein-Euro-Jobber mit mehr als 15 Wochenstunden, Kranke oder Ausbildungsplatzsuchende etwa fänden sich dagegen nicht in der Arbeitslosenstatistik wieder, obwohl deren Lage oft nicht besser sei. Gleiches gelte für Erwerbstätige im Niedriglohnbereich, die zusätzlich auf "Hartz IV" angewiesen sind.
"Es wird endlich Zeit, dass wir uns den vielschichtigen Problemen offen stellen und uns eingestehen, dass die Zahl der Personen wächst, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind", so Duppré.
In der aktuellen Arbeitslosenstatistik seien von den 7,4 Millionen "Hartz-IV-Sozialfällen" lediglich rund 2,5 Millionen Menschen erfasst, so DLT-Sprecher Markus Mempel. Die von der Politik verkündete "positive, hoffnungsvolle Botschaft" sei ein Trugbild. "Es geht nicht bergauf, ganz im Gegenteil.".
Am 31-07-2007
"Hartz IV"-Klagen erreichen neuen Höchststand
Einkommensanrechnung, Miet- und Heizkosten
Die Klageflut gegen die Arbeitsmarktreform "Hartz IV" hat einen neuen Höchststand erreicht. Im vergangenen Jahr wurden bei den deutschen Sozialgerichten 136.614 neue Verfahren rund um das zum 1. Januar 2005 eingeführte Arbeitslosengeld II registriert, wie das Bundessozialgericht (BSG) am 28. Januar in Kassel mitteilte. Gegenüber dem Vorjahr sei das ein Plus von 38 Prozent.
"Die Kurve geht langsam auf den Zenit zu", sagte Gerichtspräsident Peter Masuch. Eine Prognose, wann der Gipfel erreicht sein könnte, wollte er nicht abgeben. Das oberste Sozialgericht wird von der Klagewelle allerdings erst langsam erreicht. Zwar wurde mit 254 "Hartz IV"-Streitigkeiten - gegenüber 142 im Vorjahr - auch beim BSG eine neue Rekordmarke erreicht. Doch während sich an den Sozialgerichten der ersten Instanz derzeit etwa jedes dritte Verfahren um die umstrittene Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe dreht, waren es bei dem Kasseler Gericht nur rund zehn Prozent.
Nach Angaben des Gerichts werden die allermeisten Hartz IV-Klagen abgewiesen. Die Erfolgsquote liege "deutlich" unter dem Durchschnitt von 30 Prozent aller Sozialgerichtsverfahren, die mit einem Sieg der Leistungsempfänger enden. Umkämpft seien insbesondere Fragen der Einkommensanrechnung im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung für das Arbeitslosengeld II sowie die Übernahme von Miet- und Heizkosten.
Das Bundessozialgericht will 2008 beispielsweise entscheiden, ob Steuererstattungen als Einkommen oder Vermögen zu werten sind und ob Arbeitslose zusätzliche Leistungen für die Warmwasserversorgung bekommen müssen. Masuch appellierte an Gesetzgeber und Justiz, für "Klarheit und Verständlichkeit" im Sozialrecht zu sorgen.
Am 28-01-2008
"Hartz IV"-Empfänger muss Telefonanschluss selbst zahlen
Urteil nicht rechtskräftig
Ein Empfänger von Arbeitslosengeld II hat nach Ansicht des Dresdner Sozialgerichtes keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für einen Telefonanschluss. Diese Leistung sei nicht in der sogenannten Erstausstattung einer Wohnung enthalten, teilte das Gericht am Freitag (29. August) mit Verweis auf ein Urteil von Anfang August mit. Geklagt hatte ein 50-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan, der nach dem Umzug in eine eigene Wohnung von der Arge Dresden eine Beihilfe für die Erstausstattung in Höhe von 737 Euro erhalten hatte.
Nach Ansicht der Kammer erstreckt sich die Beihilfe ausschließlich auf den Erwerb von Einrichtungsgegenständen und Haushaltsgeräten. Ein Telefonanschluss zähle jedoch nicht dazu. Die Erstausstattung sei kein umfassendes Startpaket. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
(Az.: S 6 AS 1786/06)
Am 29-08-2008
"Hartz-IV"-Leistungen nur bei Vorlage von Kontoauszügen
Schwärzungen zulässig
Arbeitslose müssen ihre Kontoauszüge vorlegen, um "Hartz-IV"-Leistungen bekommen zu können. Tun sie das nicht, darf ihnen das Arbeitslosengeld II wegen fehlender Mitwirkung gestrichen werden, wie das Bundessozialgericht (BSG) am Freitag (19. September) entschied. Die Kasseler Richter befanden jedoch, dass die Auszüge teilweise geschwärzt werden könnten: Die Arbeitslosen dürften Zahlungsempfänger unkenntlich machen, um sensible Informationen etwa über ihre Mitgliedschaft in Parteien oder Religionsgemeinschaften zu schützen. Die überwiesenen Summen müssten aber ebenso wie sämtliche Einnahmen vollständig aus den Unterlagen hervorgehen.
Deutschlands oberste Sozialrichter erklärten es für rechtmäßig, wenn Jobcenter von allen Antragstellern Kontoauszüge verlangen würden - und das nicht nur beim ersten Antrag auf Arbeitslosengeld II. "Die Vorlage muss auch nicht auf konkrete Verdachtsfälle beschränkt bleiben", sagte Senatsvorsitzender Peter Udsching.
Das BSG wies damit die Klage eines 43 Jahre alten Münchners zurück, der sich geweigert hatte, seine Kontoauszüge offen zu legen. Die Forderung des Jobcenters sei "unangemessen und unverhältnismäßig", da er bereits 13 Monate lang Leistungen bezogen habe und sich seine finanziellen Verhältnisse nicht geändert hätten, hatte der Kläger erklärt.
Der Senat sah jedoch eine "grundsätzliche Pflicht" zur Vorlage von Kontoauszügen, Kontoübersicht und Lohnsteuerkarte. Das Jobcenter sei deshalb berechtigt gewesen, dem Mann die Leistungen zu streichen. Auch auf den Sozialdatenschutz könne sich der Kläger bei seiner Weigerung nicht berufen. "Im Einzelfall kann allerdings zweifelhaft sein, ob die Erhebung besonderer Arten personenbezogener Daten für die Erfüllung der Aufgaben des Grundsicherungsträgers erforderlich ist", sagte Udsching.
Deshalb dürften Angaben über "rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen, Gewerkschaftszugehörigkeit oder Sexualleben" geschwärzt werden.
(Az.: B 14 AS 45/07 R)
Am 19-09-2008
Auch Patchworkfamilien gelten bei "Hartz IV" als Bedarfsgemeinschaft
Keine Sozialleistungen für Trennungskinder
Deutschlands oberste Sozialrichter setzen ihre Urteile zu Lasten von Hartz IV-Empfängern fort. Auch sogenannte Patchworkfamilien gelten bei der Berechnung von "Hartz-IV"-Leistungen uneingeschränkt als Bedarfsgemeinschaft. Trennungskinder können damit keine Sozialleistungen mehr bekommen, wenn der Haushalt insgesamt über ein ausreichendes Einkommen verfügt. Das entschied am Donnerstag (13. November) das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel und bestätigte damit eine seit August 2006 geltende Neuregelung. Wenn arbeitslose Väter oder Mütter mit ihren Kindern zu einem anderen Partner ziehen, müsse dessen Einkommen voll angerechnet werden - auch bei den Kindern, für die der neue Lebensgefährte eigentlich nicht unterhaltspflichtig ist.
Geklagt hatte eine 15-Jährige aus Hamm in Westfalen, die mit ihrer Mutter und deren neuem Freund in einer gemeinsamen Wohnung lebt. Bis Ende Juli 2006 bekam sie Arbeitslosengeld II, weil ihre Mutter sie nicht finanziell unterstützen konnte. Das Einkommen ihres "Stiefvaters" wurde zwar bei der Mutter, aber nicht bei ihr berücksichtigt. Die Gesetzesänderung, mit der dem Mädchen die Sozialleistungen schließlich gestrichen wurden, griff Rechtsanwalt Burkhard Großmann als verfassungswidrig an.
"Das Kind muss ein Leben in absoluter Unsicherheit führen", sagte der Anwalt in der Verhandlung vor dem BSG. "Wie das Kind zu seinem Existenzminimum kommt, interessiert keinen mehr." Denn auch wenn der Gesetzgeber annehme, dass in solchen Fällen üblicherweise der Lebensgefährte für das Kind seiner Partnerin aufkommt, gebe es dazu keinerlei Verpflichtung: "Er könnte zahlen, muss aber nicht." Außerdem sei es ungerecht, wenn der Mann das Mädchen zwar unterstützen soll, ihm dafür vom Finanzamt aber kein Steuerfreibetrag gewährt wird - weil es nicht seine eigene Tochter ist.
Der Senat erkannte in der Neuregelung jedoch keinen Verstoß gegen das Grundgesetz. Der Gesetzgeber habe seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten, wenn er "typisierend unterstellt" habe, dass auch in einer Patchworkfamilie der Unterhalt der Kinder gewährleistet sei. Das Existenzminimum sei zudem garantiert, weil die Tochter ja Unterhaltsansprüche gegen die Mutter durchsetzen könnte. Und wenn sich Paare neu zusammenfinden, dürften die Kosten für den Nachwuchs nicht der Allgemeinheit aufgebürdet werden, sagte Senatsvorsitzender Wolfgang Spellbrink: "Es gibt kein Recht auf kinderfreie Partnerwahl."
(Az.: B 14 AS 2/08 R)
Am 13-11-2008
"Hartz IV"-Klagen nahmen 2008 um 28 Prozent zu
Trend verstärkt
Vier Jahre nach dem Inkrafttreten von "Hartz IV" reißt die Klagewelle nicht ab. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am Donnerstag (22. Januar) mitteilte, gingen im vergangenen Jahr 174.618 neue Verfahren bei den erstinstanzlichen Sozialgerichten ein - gut 38.000 mehr als 2007. Das entspricht einem Zuwachs um knapp 28 Prozent. "Der bisherige Trend hat sich nicht nur weiter fortgesetzt, sondern noch weiter verstärkt", sagte Gerichtssprecher Thomas Voelzke, selbst Vorsitzender eines der für "Hartz-IV"-Verfahren zuständigen BSG-Senate. BSG-Präsident Peter Masuch forderte die Bundesregierung auf, die Arbeitsmarktreform nachzubessern.
"Die Anrechnung von Einkommen und Vermögen ebenso wie die Kostentragung für Unterkunft und Heizung scheinen mir noch klarstellungsbedürftig", sagte Masuch. Es sei "nicht befriedigend", wenn die Bewilligung staatlicher Leistungen in derart hohem Ausmaß zu Klagen und Eilanträgen bei den Sozialgerichten führe.
Vizepräsidentin Ruth Wetzel-Steinwedel machte für die Klageflut aber auch die für die Auszahlung von "Hartz-IV"-Leistungen zuständigen Jobcenter und Arbeitsgemeinschaften (ARGE) verantwortlich: Weil die Urteile des Bundessozialgerichts von den Behörden oftmals ignoriert würden, müssten Arbeitslose auch dann vor Gericht ziehen, wenn es für einen Streitfall eigentlich schon eine höchstrichterliche Grundsatzentscheidung gibt: "Das ist ein Perpetuum Mobile."
Um die Belastung der Sozialgerichte als Folge der "Hartz-IV"-Regelungen zu verdeutlichen, verwies BSG-Sprecher Voelzke auf die Zahl der Verfahren vor der Reform: Damals hätten die Sozialgerichte insgesamt gerade einmal 300.000 Klagen bewältigen müssen - in allen Rechtsgebieten, zu denen unter anderem auch Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung gehören, zusammen. Die Zahl von derzeit 1149 Richterstellen halte mit dieser Entwicklung aber nicht Schritt. So seien im vergangenen Jahr bundesweit nur 76,5 neue Stellen geschaffen worden - ein Plus von rund sieben Prozent.
Der in diesem Zusammenhang immer wieder diskutierten Zusammenlegung von Sozial- und Verwaltungsgerichten, um die Belastung flexibel verteilen zu können, erteilte Masuch jedoch eine klare Absage: "Diese leidige Diskussion gefährdet das Vertrauen in die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit", sagte der BSG-Präsident.
Am 22-01-2009
Bund verklagt Berlin wegen Regelung für "Hartz IV"-Empfänger
Wohnkosten
Der Bund hat das Land Berlin wegen dessen früherer Umzugsregelung für "Hartz IV"-Empfänger verklagt. Wie Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (Linke) am Donnerstag (19. Februar) im Abgeordnetenhaus sagte, geht es bei der Klage um Erstattungsansprüche. Der Senat habe eine andere Rechtsauffassung und halte die Klage der Bundesregierung für unbegründet, so Knake-Werner. Die Landesregierung werde alle Rechtsmittel ausschöpfen.
Anders als in weiteren Bundesländern hatte Berlin bis Anfang 2008 ein Jahr ungeprüft die tatsächlichen Wohnkosten von "Hartz IV"-Empfängern übernommen. Nach Kritik von Bundestag sowie Bundes- und Landesrechnungshof wurde die Regelung geändert. Seitdem müssen auch in Berlin Langzeitarbeitslose nach einem halben Jahr umziehen, wenn die Kosten für ihre Wohnung über der vom Senat festgelegten Obergrenze liegen.
Am 19-02-2009
Zuverdienst zu Hartz IV
"FDP plant Abriss des Sozialstaates"
Die FDP möchte die Hartz-IV-Leistungen verändern: mehr Geld für Kinder, volle Leistung für nicht verheiratete Paare und bessere Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger. "Aufstocken" dürfe kein Schimpfwort sein, sondern müsse sich lohnen, fordern die Liberalen. Was auf den ersten Blick sehr sozial klingt, wird von der Linksfraktion im Bundestag scharf kritisiert. "Der Vorschlag der FDP, höhere Zuverdienstgrenzen für Hartz IV-Bezieherinnen und -Bezieher einzuführen, ist ein Anschlag auf reguläre Arbeitsplätze", so die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion, Sabine Zimmermann. "De facto handelt es sich dabei um ein erweitertes Kombilohnmodell mit Lohnsubventionen für Arbeitgeber." Erwerbslose würden so dazu missbraucht, reguläre Arbeitsplätze wegzurationalisieren, die sie eigentlich selbst bräuchten", s Zimmermann. Offizieller Beginn dieses Projekts werde voraussichtlich der 10. Mai 2010 sein - der Tag nach der NRW-Wahl.
"Die Vorschläge der FDP, die Unterkunftskosten zu vereinheitlichen und arbeitslose Familien mit Kindern durch Sachleistungen zu Bittstellern zu machen, zeigen, dass hier der Abriss des Sozialstaates geplant wird", so Zimmermann. Der Union wirft sie vor, im Bundeshaushalt die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik zu kürzen.
Um die Existenzsicherung der Langzeiterwerbslosen zu verbessern, braucht es nach Auffassung von Zimmermann keine Ein-Euro-Jobs light und sinnlose Gutscheindebatten, sondern in einem ersten Schritt die Anhebung der Regelsätze auf 500 Euro. "Und statt weiterer Kombilöhne brauchen wir noch in dieser Legislaturperiode einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde."
"Zukunftsinvestitionsprogramm" und öffentlich geförderter Beschäftigungssektor
Um Menschen wieder in Arbeit zu bringen, fordert Die Linke zum einen ein "Zukunftsinvestitionsprogramm" zur Schaffung von zwei Millionen Arbeitsplätzen. Zum anderen will sie für gesellschaftlich sinnvolle Aufgaben einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor einrichten – zu Mindestlohnbedingungen, auf freiwilliger Basis und in klarer Abgrenzung zum öffentlichen Dienst und zur freien Wirtschaft, damit keine regulären Arbeitsplätze verdrängt werden. "Das ist das Gegenteil von den Ein-Euro-Jobs", so Zimmermann.
Am 13-03-2010
"Hartz IV"-Neuregelung: ein sozialpolitisches Armutszeugnis
Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union, vereinigt mit der Gustav Heinemann-Initiative
Nach wochenlangem Geschacher werden Bundestag und Bundesrat am morgigen Freitag (25.2.2011) die Neuregelung der Hartz-IV-Sätze beschließen. Dazu erklärt die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union:
Das peinliche Gezerre um die Höhe der Regelsätze und das Bildungspaket für Kinder findet nun sein vorläufiges Ende. Herausgekommen ist ein sozialpolitischer Skandal - ein Gesetz, dass den Betroffenen in keiner Weise gerecht wird. Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 eine grundlegende Lösung für das menschenwürdige Existenzminimum angemahnt und für die Kinder ein soziokulturelles Teilhabegrundrecht auf Bildung im breiten Sinne formuliert. Vor allem für die Kinder haben die Richter eine emanzipatorische Perspektive gefordert, nämlich dass sie durch staatliche Hilfe aus der Abhängigkeit herauskommen und ein eigenverantwortliches Leben führen können. Diese Maßstäbe des Urteils sind im Gesetzgebungsprozess völlig verschwunden. Es geht stattdessen um einen politischen Machtpoker zwischen Schwarz-Gelb, Rot und Grün, zwischen dem Bund und den Ländern.
Die Betroffenen haben jedoch Anspruch auf mehr Respekt und Achtung. Sie brauchen keine staatliche Vormundschaft, wie sie insbesondere im "Bildungspaket" zum Ausdruck kommt, sondern ein existenz- und teilhabesicherndes Einkommen und vor allen Dingen eine Perspektive, wie sie aus der staatlichen Alimentation herauskommen. All das bleibt der Gesetzgeber den Betroffenen schuldig.
Die "Hartz IV-Reform" wird erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen und wahrscheinlich scheitern. Das menschenwürdige Existenzminimum ist gerade keine Verhandlungsmasse im Streit um föderale Kompetenzen und sozial- und wirtschaftspolitische Ordnungsvorstellungen.
Für die Berechnung des menschenwürdigen Existenzminimums darf nicht mehr die Ministerialbürokratie zuständig sein, fordert die Humanistische Union, sondern eine unabhängige Kommission, die dem Bundestag gegenüber verantwortlich ist.
Für Rückfragen steht Ihnen Martina Kant, Bundesgeschäftsführerin der Humanistischen Union, unter (030) 204 502 56 oder info at humanistische-union.de zur Verfügung.
Am 24-02-2011