Gewalt
Sirius
Herr Dreger, Sie leiten das Bildungsinstitut „Sirius“. Was sind die Schwerpunkte des Instituts?
Jens Dreger: Das Bildungsinstitut bietet drei Schwerpunkte für soziale Organisationen an: Die Beratung, wie z.B. Coaching, Supervision, Konzepterstellung bietet quasi eine Unterstützung bei Teambildung, Projektdurchführungen usw. Dieses Angebot richtet sich sowohl an ganze Teams als auch an einzelne Teammitglieder – je nach Bedarf, Verantwortlichkeitsbereich und Problembeschreibungen.
Der zweite Schwerpunkt sind unsere Fortbildungen. Sirius bietet aktuelle Themen wie: Elternarbeit, Hilfeplanverfahren, Burn Out Propylaxe und vieles mehr für soziale Organisationen an. Diese Themen werden sehr praxisnah als Inhouse Fortbildung oder im Programm mit einer Fortbildung im Monat gestaltet.
Ausbildung – unser dritter Schwerpunkt – rundet das Angebot von Sirius ab. Hierbei handelt es sich Qualifizierungsmaßnahmen für Quer-, Neu-, oder Wiedereinsteiger in das Berufsfeld und ist in vier Modulen aufgebaut. Unser Anspruch ist, theoretisches Hintergrundwissen und Praxis so miteinander zu verknüpfen, dass unsere Teilnehmer in ihrem konkreten Arbeitsalltag über eine Vielzahl von Handlungsalternativen und somit über eine Sicherheit im professionellen Auftreten verfügen.
Kinder- und Jugendhilfe im Wandel
In welchen Bereichen ist Ihrer Meinung nach der Fort- und Weiterbildungsbedarf im Kinder- und Jugendhilfebereich besonders groß?
Jens Dreger: Meiner Meinung nach ist die Kinder- und Jugendhilfe stets in Bewegung und grundsätzlich sehr interessiert an Fortbildungen. Allgemein glaube ich, dass der Bedarf im Bereich des angemessenen Umgangs mit Gewalt und Medienkonsum steigt. Hierbei stellen wir eine höhere Nachfrage fest, wobei die Medien mit Gewaltsendungen oder Spielen ihren Teil dazu beitragen und die Kinder und Jugendlichen den richtigen Umgang damit erlernen müssen.
Ansonsten qualifiziert sich die Kinder und Jugendhilfe in aktuellen, fachspezifisch pädagogisch und therapeutisch orientierten Richtungen. Es ist jedoch ebenfalls deutlich erkennbar, dass in Zeiten von Budgetierungen speziell der Bedarf an immer professionellerem Qualitätsmanagement und Themen aus der Betriebswirtschaft steigt.
Herr Dreger, welche sozialen Schichten nehmen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe häufiger in Anspruch und aus welchem Grund ist dies der Fall?
Jens Dreger: Die Frage kann und sollte meiner Meinung nach so pauschalisiert nicht beantwortet werden, denn Eltern aus allen sozialen Schichten nehmen Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch. Der Sinn liegt darin, die Hilfen zur Erziehung individuell dem Bedarf anzupassen. So hat z.B. der Manager eines großen Konzerns, der zwölf bis vierzehn Stunden am Tag arbeitet, und seine Karriere vor Augen hat, statt der alltäglichen Erziehungsherausforderungen seiner Kinder eventuell einen anderen Bedarf, als ein Vater ohne Arbeit, der mit der Erziehung seiner Kinder und mit seiner Arbeitslosigkeit überfordert ist. Selbst pädagogische Fachkräfte nehmen Hilfe zur Erziehung in der eigenen Familie in Anspruch, da Pädagogik in der beruflichen Distanz anders funktioniert als in der beteiligten Rolle als Mutter oder Vater.
Angst vor dem Jugendamt
Jens Dreger: Hauptsache ist doch, dass die betroffene Person merkt, dass Hilfe notwendig ist und sich an das örtliche Jugendamt wendet. Oftmals reagieren hilfebedürftige Klienten nicht schnell genug, da sie auch noch fast 20 Jahre nach Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetztes Angst haben, dass „das Jugendamt die Kinder aus der Familie nimmt“. Ich setze jedoch bei jeder Frage nach Unterstützungsbedarf eine partnerschaftliche und aktive Mitarbeit der Eltern in Zusammenarbeit mit allen beteiligten pädagogischen Helfern voraus. Diese Haltung teilen alle MitarbeiterInnen vom Bildungsinstitut Sirius.
Sozialtraining, Fit for Life, Elternschule
Bieten Sie direkte Hilfestellungen für Familien oder auch Kinder und Jugendliche an?
Jens Dreger: In klassischer Jugendhilfeform bieten wir so etwas noch nicht an. Es ist ein Projekt in Planung, aber zum jetzigen Zeitpunkt wäre es verfrüht, über Details zu sprechen. Was wir direkt für Kinder und Jugendliche anbieten, ist ein Sozialtraining oder ein spezielles „Fit for Life“ Training, für Familien die Elternschule.
Im nächsten Jahr ist dann ein großes bundesweit umfassendes Projekt im Bereich der Sozialtrainigs geplant. Also bieten Sie durchaus direkte Hilfestellungen für Eltern, Kinder und Jugendliche an. Über Ihr bundesweites Projekt müssen Sie unbedingt bei Gelegenheit mehr erzählen.
Zunehmende Kriminalität – auch bei Kindern und Jugendlichen
Gerade in der heutigen Zeit erfährt man immer mehr über kriminelle Delikte die von Jugendlichen begangen werden. Ist es Ihrer Meinung nach so, dass kriminelle Handlungen Jugendlicher an sich zugenommen haben, oder dass die gesellschaftliche Aufmerksamkeit und das mediale Interesse gestiegen sind?
Jens Dreger: Ja ich denke dass kriminelle Delikte Jugendlicher angestiegen sind. Die Gesellschaft hat sich verändert und ist gewalttätiger geworden. Dabei wird Zivilcourage anscheinend nicht mehr großgeschrieben. Verschiedene Tests von TV-Sendern haben gezeigt, dass sich die Menschen kaum untereinander helfen. Sicherlich wird auch von den Medien mehr darüber berichtet, da die Übergriffe massiver geworden sind. Ansonsten steuert die Unterhaltungsindustrie sicherlich etwas bei wie z.B. Onlinespiele, in denen die Spieler schneller im Highscore aufsteigen, je mehr Gegner sie besiegen. Von einem Ladendiebstahl hingegen wird heute dagegen kaum noch berichtet.
Ja, Ladendiebstähle interessieren heute eigentlich niemanden mehr. Die Brutalitäten haben insgesamt zugenommen und ziehen das Interesse der Medien natürlich auf sich. Auf Schulhöfen finden Gewaltexzesse statt, Jugendliche isolieren sich im World Wide Web und leben in einer „glücklichen Cyberwelt“. Die Realität ist unattraktiv, die wirtschaftlichen Mittel der Eltern und Kinder sind immer seltener zufriedenstellend, das vertikale Gefälle innerhalb der Gesellschaft vertieft sich immer mehr. Häufig völlig unverhältnismäßig angewendete Gewalt, bietet einer zunehmenden Anzahl von Jugendlichen und auch Kindern die Möglichkeit, an das Ziel – beispielsweise bestimmte Konsumartikel - zu gelangen, oder ihrer teilweise durchaus begründeten Hoffnungslosigkeit und Wut auf die Gesellschaft, Ausdruck zu verleihen.
Es ist gut, dass es Institutionen wie „Sirius“ gibt. Herr Dreger, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen viel Glück für Ihre weiteren Projekte, die dringend notwendig sind! Halten Sie uns bitte auf dem Laufenden.