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Buch von Marco Bülow

"Wir Abnicker"

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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Marco Bülow beschreibt in einem neuen Buch die Mechanismen der systematischen Entmachtung von gewählten Politikern. In "Wir Abnicker - Über Macht und Ohnmacht der Volksvertreter" schreibt er schonungslos über den schmalen Grat zwischen Fraktionsdisziplin und Gewissensfreiheit sowie über die Bildung von nichtlegitimierten Machteliten. Anhand von Beispielen zeigt er insbesondere auch, wie Abgeordnete ihre Entscheidungsmacht selbst aufgeben, wie Lobbyisten Abstimmungen beeinflussen und auch wie Medien Politik machen.


Bülows Insiderbericht zeugt von einer handfesten Krise der parlamentarischen Demokratie. Er ruft dazu auf, die Ökonomisierung und Entpolitisierung der Gesellschaft zu stoppen und stattdessen eine bürgernahe, neue politische Kultur einzuführen.

Der Autor unterbreitet konkrete Vorschläge, wie Abgeordnete den Einflussverlust der Parlamente stoppen und den ausufernden Lobbyismus deutlich eindämmen müssen. Er legt dar, wie transparente Politik aussehen könnte und wie Parteien Vertrauen wieder zurückgewinnen können. Denn es geht in "Wir Abnicker" auch bestehende Vorurteile gegenüber Politikern. Bülow wirft einen Blick hinter die Kulissen ihres wirklichen Arbeitsalltags.

Rau: Wer Anstöße geben will, muss auch Anstoß erregen

Mit dem Titel "Wir Abnicker" möchte Bülow seine Kolleginnen und Kollegen in den Parlamenten provozieren. Er verweist auf den ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau (SPD), der in seiner letzten Berliner Rede den Satz geprägt hat: "Wer Anstöße geben will, muss auch Anstoß erregen".

Parteienverdrossenheit reduzieren

Der Anstoß erfolgt aber durchaus differenziert. Er möchte verändern, nicht abrechnen. Er sieht die Chance, den Einflussverlust des Parlaments zu stoppen, die Parteienverdrossenheit zu reduzieren und die Demokratie wieder zu stärken. Die Streitschrift soll Denkanstöße geben und Diskussionen hervorrufen.

Bülows Eindruck ist, dass der Deutsche Bundestag, der die Regierung kontrollieren sollte und "die eigentlich vorgesehene Entscheidungsmitte unserer Demokratie" darstellt, gar nicht den Willen zu haben, seine Kontrollfunktion wahrzunehmen.

Bülow: Die Regierungsfraktionen im Bundestag müssen die Regierung kontrollieren

Sein Chredo: "Wir brauchen selbstbewusste Abgeordnete und einen wirkungsvollen Bundestag. Nur der Opposition die Kontrolle der Regierung zu überlassen, sei völlig unzureichend, "denn sie hat allein kaum eine Möglichkeit, selbst Einfluss auszuüben". Die Opposition könne zwar die Öffentlichkeit informieren und nachfragen. "Aber ohne Mehrheit kann sie nichts verändern."

Bülow hat die Regierungsfraktionen im Blick. Diese könnten seines Erachtens die eigene Regierung effektiv kontrollieren. "Die Abgeordneten müssen an den Entscheidungen beteiligt werden", fordert er. Schließlich seien die Volksvertreter in den Parlamenten von der Bevölkerung gewählt worden, nicht aber die Ministerien und die Minister. Die Abgeordneten müssten daher "aus eigener Kraft ihre Möglichkeiten besser und häufiger ausschöpfen".

Gewissensfreiheit versus Fraktionsdisziplin

Bülow versteht es zwar, dass es schwer ist, durchsetzungsfähige Mehrheiten im Bundestag zu organisieren, wenn sich die einzelnen Abgeordneten "der Disziplin widersetzen. Es ist für mich aber nur schwer hinnehmbar, der Disziplin zur folgen, wenn taktische oder machtpolitische Entscheidungen wichtiger sind als Inhalte und die fachliche Beurteilung", so Bülow.

Die Fraktionsdisziplin dürfe daher "keinen blinden Gehorsam fördern" und die Abgeordneten sollten neben ihrer Fraktion eben auch der Parteibasis und ihrem Gewissen verpflichtet bleiben".

Machtspiele und Lobbyisten

Der SPD-Politiker hat den Eindruck, dass "politische Machtspiele" dafür sorgen, dass die politische Gestaltungsmöglichkeit des Bundes stark eingeschränkt sind.

Und als wäre der Machtverlust aufgrund von Machtspielen nicht schon groß genug, habe außerdem "ein Teil" der Wirtschaft über Lobbyisten - "mit der freundlichen Mithilfe vieler Abgeordneter" - ihren Einfluss ausbauen können.

"Kombiniert mit der Unsitte, dass Regierungen und Fraktionen immer häufiger externe 'Experten-Kommissionen' aller Art einsetzen, wird der Einfluss der Abgeordneten, teilweise auch ihre Verantwortung geschmälert und ausgelagert", so die Kritik.

"Eine Elite beherrscht und kontrolliert die politischen Entscheidungen"

Hinter einer "funktionierenden Fassade" besteht laut Bülow mittlerweile eine Machtstruktur, die sich vom eigentlichen demokratischen System entfernt. "Eine Elite beherrscht und kontrolliert die politischen Entscheidungen, Wahlkämpfe sind ein von Medien- und Imageberatern beeinflusstes, meist personalisiertes Spektakel."

Die Regierungen handelten Gesetze mehr mit Lobbyisten als mit den Parlamenten aus. Politische Entscheidungen würden hinter geschlossenen Türen und dort von wenigen und meist nicht demokratisch legitimierten Personen getroffen.

"Abgeordnete spielen beim Lobbytheater mit"

Der Abgeordnete Bülow kritisiert weniger die Unternehmen dafür, dass sie so massiv versuchen, politischen Einfluss ausüben. "Stattdessen kritisiere ich in erster Linie die Abgeordneten, die in diesem Lobbytheater mitspielen. Am Ende werden wir Parlamentarier und alle anderen Politiker die Dummen sein. Wir geben unseren Einfluss auf und werden von der Bevölkerung zu Recht zur Verantwortung gezogen, wenn wir außer Versprechungen nichts mehr zu bieten haben", warnt Bülow. "Wir müssen unsere Selbstentmachtung stoppen."

Verhaltensregeln, die den Lobbyismus beschränken, seien überfällig. "Wer das nicht verstehen will und weiterhin seine Augen verschließt, wird seinem Auftrag als Volksvertreter nicht gerecht."

Seines Erachtens gibt es durchaus gute Vorschläge und Möglichkeiten, "den Profitlobbyismus zu beschneiden" und seinen Einfluss entscheidend zu reduzieren.

Im Wahlkampf wird die Inszenierung wird auf die Spitze getrieben

Ändern sollten sich auch die Wahlkämpfe. Zwar verdichte sich im Wahlkampf die Politik "naturgemäß", so Bülow. "Gemeinsamkeiten weichen den Unterschieden und die politische Konkurrenz wird immer schärfer attackiert. Lobbyisten arbeiten unter Hochdruck, Wahlkampfspenden fließen auch in die Taschen von Wahlkreisabgeordneten. Die Personalisierung und Inszenierung wird auf die Spitze getrieben, in den Parteien herrschen - mehr denn je - die Berater und Wahlkampfmanager, die Politik als Business betreiben."

In dieser Zeit, die eine Stunde der Demokratie sein sollte, werde aber der Einfluss der Parlamente noch weiter zurückgedrängt.

Marco Bülow, Wir Abnicker - Über Macht und Ohnmacht der Volksvertreter, Econ-Verlag, Berlin, 220 Seiten.

Schade das es kein Buch über Kündigungsschreiben ist. da könnte ich wenigstens ein wenig mitreden.

Wichtige Dinge wie deutlich mehr soziale Gerechtigkeit müssen immer mehr Thema werden.

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