Schmidt argumentierte, eine Bundes-AOK brächte eine größere Verhandlungsmacht gegenüber Krankenhäusern, Pharmaindustrie und Ärzten mit sich. Ein solcher Fusionsprozess dürfte aber "noch lange" dauern. Schmidt hatte in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass es aus ihrer Sicht zu viele Krankenkassen in Deutschland gibt.
Derzeit gibt es 15 Allgemeine Ortskrankenkassen, 1991 waren es noch 276. Die Ortskrankenkassen betreuen nach eigenen Angaben mehr als 25 Millionen Menschen.
"Persönliche Betreuung" von Patienten - früher durch den Arzt, heute durch die Krankenkasse
Der Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Hans Jürgen Ahrens, zeigte sich wenig begeistert vom Vorstoß der Ministerin, verwies aber sogleich auf den laufenden Umstrukturierungs- und Fusionsprozess der Ortskrankenkassen. Die AOK-Gemeinschaft sei schon jetzt führend bei der "Realisierung von Kostenvorteilen" und zeichne sich durch die "persönliche Betreuung" von Versicherten aus.
Auch passten die Ortskrankenkassen ihre Organisationsstrukturen laufend den sich ändernden Marktbedingungen an. Das sei zuletzt durch die Vereinigungen der AOK Rheinland und der AOK Hamburg sowie der Ortskrankenkassen in Sachsen und Thüringen zur AOK Plus geschehen. Der Prozess werde weitergehen, sagte Ahrens.
Der Chef der Südwest-AOK, Rolf Hoberg, widersprach hingegen den Überlegungen der Ministerin. "Ich halte überhaupt nichts davon", sagte er. Durch eine Bundes-AOK entstünde eine "Kassenzusammenballung, die kartellrechtlich nicht mehr, sondern weniger Verhandlungsmacht hat". Schon jetzt sei die AOK gerichtlich aufgefordert worden, aus Kartellgründen Aufträge regional auszuschreiben.
Wasem: Man sollte die Einsparmöglichkeiten durch Fusionen nicht überschätzen
Der Gesundheitsökonom Jürgen Wasem von der Universität Essen sagte, die Einsparmöglichkeiten durch die Fusion von AOKen sollte man nicht überschätzen. Die Arbeitsteilung zwischen dem AOK-Bundesverband und den bestehenden 15 relativ großen regionalen Kassen sei schon sehr gut organisiert. "Ich verspreche mir da keine großen Synergieeffekte", sagte Wasem. Auch würde eine bundesweit so dominierende Kasse im Widerspruch zum Kernanliegen der Gesundheitsreform nach mehr Wettbewerb stehen.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, Mitglied des Aufsichtsrates der privaten Rhön-Kliniken, rechnet unterdessen mit weiteren Kassenfusionen. Der Gesundheitsfonds werde dies noch beschleunigen, sagte Lauterbach. Er rechne damit, dass die meisten Betriebskrankenkassen aus dem Markt ausscheiden und Ortskrankenkassen fusionieren werden. Der SPD-Politiker sieht darin nicht nur wirtschaftliche, sondern auch medizinische Vorteile für die Patienten etwa durch die "Standardisierung von Programmen".