Laut Schäuble ist, wie in der ersten Föderalismusreform beschlossen, die Aufgabe des BKA auf "Fälle internationaler terroristischer Gefahren beschränkt, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um Übernahme ersucht."
Neu ist, dass dem BKA im Rahmen der Online-Durchsuchung gestattet werden soll, unter bestimmten Voraussetzungen durch den Einsatz entsprechender Programme, "Daten aus informationstechnischen Systemen zu erheben".
Union und SPD hatten sich in dieser Frage auf einen Kompromiss verständigt. Danach wird es Ermittlern - anders als von der Union gefordert - nicht gestattet sein, in die Wohnung eines Terrorverdächtigen zu gelangen, um auf seinem Computer eine Spionage-Software zu installieren.
Schäuble: Eine Online-Durchsuchung ist auch ohne heimliches Betreten der Wohnung möglich
Dafür hätte das Grundgesetz geändert werden müssen, davon habe man absehen wollen, sagte der Innenminister. Eine Online-Durchsuchung sei auch ohne heimliches Betreten der Wohnung möglich, betonte Schäuble. Ein sogenannter Bundestrojaner müsse auf technischem Weg von außen eingeschleust werden.
Ein weiterer Streitpunkt ist die vorgesehene akustische und optische Wohnraumüberwachung. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass BKA-Ermittler bei der Beobachtung von Wohnungen in Kauf nehmen dürfen, dass Unschuldige ebenfalls ausgespäht werden. Die SPD sieht bei den Wohnungsüberwachungen daher Verbesserungsbedarf.
Schäuble (CDU) bezeichnete am 4. Juni in Berlin den vom Bundeskabinett beschlossenen und lange umstrittenen Entwurf für das BKA-Gesetz als "wichtigen Baustein in der Sicherheitsarchitektur" Deutschlands. Das BKA erhalte nun erstmals eine Gefahrenabwehrbefugnis, wie in der ersten Föderalismusreform beschlossen. Mit dem Gesetzentwurf würden keine neuen Befugnisse geschaffen, so Schäuble, sondern die Regelungen genutzt, die den Länderpolizeien jetzt schon zustehen. Auch werde den Ländern nichts von ihren Kompetenzen genommen, sagte der Innenminister. Er wies darauf hin, dass den Bedürfnissen des BKA durch die neue Aufgabe bei Personal und Mittel Rechnung getragen werde.
Edathy: Theoretisch könnte jede Wohnung zum Ziel der BKA-Beobachtungen werden
Die SPD-Fraktion, in der es Widerstand gegen die geplante Neuregelung gibt, kündigte an, den Gesetzentwurf "intensiv" prüfen zu wollen. Strittig ist für den Vorsitzenden des Bundestagsinnenausschusses, Sebastian Edathy (SPD), unter anderem, dass die Bundesregierung dem BKA selbst überlassen will, wann Daten als privat eingestuft würden. Aus Sicht der SPD-Fraktion müsse dabei ein Datenschutzbeauftragter oder Richter hinzugezogen werden.
Auch die Vorschläge zur Beobachtung von Wohnungen gehen der SPD-Fraktion zu weit. Theoretisch könnte danach jede Wohnung zum Ziel der BKA-Beobachtungen werden, halte sich da zufällig ein Verdächtiger auf. Eine unverdächtige Wohnung dürfte aber nur dann für die Observation in Betracht kommen, wenn dies zwingend als Maßnahme zur Abwehr einer Gefahr erforderlich sei.
Kritik der Opposition
Die Grünen kritisierten die Kabinettsentscheidung. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Volker Beck sprach von "einer Umwandlung des BKA in ein deutsches FBI" und von einem "schwarzen Tag für die Menschenrechte". Die FDP bezeichnete den Gesetzentwurf als ein "Panoptikum der Überwachungsmaßnahmen aus 16 Polizeigesetzen". Das BKA werde "zur Super-Spitzel-Behörde" ausgebaut, monierte Innenexpertin Gisela Piltz.
Links-Fraktionsvize Wolfgang Neskovic sagte, mit dem neuen BKA-Gesetz werde erstmals wieder auf deutschem Boden eine Sicherheitsbehörde in die Lage versetzt, "sowohl über sämtliche Befugnisse eines Geheimdienstes als auch der Polizei zu verfügen". Damit werde "eine zentrale Lehre aus der Erfahrung der NS-Zeit über Bord geworfen."
Die nunmehr umfassenden Kompetenzen des BKA verletzten das Trennungs-Gebot zwischen Polizei und Geheimdiensten in eklatanter Weise, zumal die gleichzeitige Inanspruchnahme polizeilicher und geheimdienstlicher Befugnisse keiner rechstaatlichen Begrenzung unterliege, kritisierte der ehemalige Bundesrichter. Nach dem Gesetzentwurf könne das BKA "zur Verhütung" der im Gesetz aufgeführten Straftatbestände tätig werden. "Dies ist eine Formulierung ohne jedes rechtsstaatlich fassbare Maß", so Neskovic. Die vage Rede von der "Verhütung von Straftaten" definiere weder den Zeitpunkt der erwarteten Straftat, noch die Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung. "Allein schon deshalb wird das BKA-Gesetz einer Überprüfung vor dem Bundesverfassungsgericht nicht standhalten."
Schon bei der Vorratsdatenspeicherung sei das Grundgesetz auf den Kopf gestellt worden, kritisierte der ehemalige Bundesrichter. "Die Grundrechte sind Abwehrechte gegen den Staat", so Neskovic. "Sie stellen institutionalisiertes Misstrauen gegen einen unvernünftigen Staat dar. Mit der Vorratsdatenspeicherung hingegen wird ein prinzipielles Misstrauen des Staates gegen seine Bürger institutionalisiert, indem alle Bürger unter Generalverdacht gestellt werden."
Schaar: Das BKA soll mehr Befugnisse erhalten als die Landespolizeien
Der Datenschutzbeauftragte der Bundesbeauftragte, Peter Schaar, erhob ebenfalls "erhebliche datenschutzrechtliche" Bedenken. Das BKA solle mehr Befugnisse erhalten als den einzelnen Landespolizeien zur Erfüllung ihrer eigenen Gefahrenabwehraufgaben zustehen. "Ich habe deshalb Zweifel, ob die Einräumung so weitgehender Befugnisse dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt", so Schaar. "Für unzureichend halte ich auch die vorgesehenen Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung bei heimlichen Eingriffsmaßnahmen."
Konken: Relativierung des Informantenschutzes
Der Deutsche Journalisten-Verbande (DJV) kritisierte, dass der Entwurf des BKA-Gesetzes weiterhin eine Regelung zur Relativierung des Informantenschutzes enthalte. Die Regelung zur Online-Untersuchung biete staatlichen Stellen zudem "den Zugriff auf Computer von Journalistinnen und Journalisten". Staatliche Eingriffe in Redaktionen seien aber mit dem Grundrecht der Pressefreiheit nicht vereinbar", sagte DJV-Vorsitzender Michael Konken. Wenn Ermittler die Computer von Journalistinnen und Journalisten sowie deren Informanten ausspähten, würden wichtige Rechte der Medien auf einen Schlag de facto gestrichen: das Redaktionsgeheimnis, das Zeugnisverweigerungsrecht und damit der Informantenschutz sowie die Freiheit der Berichterstattung.
"Das Mittel der Online-Durchsuchung gefährdet die Freiheit der Medien", meint Konken. Wer über Verbrechen recherchiere, könne nach dem Gesetzentwurf ins Fadenkreuz der Online-Fahnder geraten. Der Verband appelliert an die Fraktionen des Deutschen Bundestags, dem Regierungsentwurf zum BKA-Gesetz die Zustimmung zu verweigern.