Wowereit hatte die Enthaltung Berlins bereits vor Beginn der Sitzung der Länderkammer angekündigt. Es gehe bei der Entscheidung "nicht um Niederlage oder Sieg, sondern um Vernunft", sagte er. Es gebe nach wie vor einen Dissens zwischen beiden Seiten. Die SPD sei für den Vertrag, die Linke dagegen. Die Linke verwies auf die Einhaltung des Koalitionsvertrags, der bei Differenzen die Enthaltung vorsieht.
"Ich habe feststellen müssen, dass die Linke in Berlin nicht handlungsfähig ist", sagte Wowereit. Sie stehe unter dem Einfluss ihres Bundesvorsitzenden Oskar Lafontaine. Er werde aufmerksam beobachten, ob sie sich ihre Direktiven auch in Zukunft von Lafontaine geben lasse. Wenn das der Fall sein sollte, werde die weitere Zusammenarbeit "schwierig".
Linke-Landeschef Klaus Lederer betonte hingegen, mit dem Einhalten des Koalitionsvertrags sei eine Krise abgewendet worden. Jetzt gelte es, die "vernünftige Arbeit" fortzusetzen. Zum Vorwurf, wonach Lafontaine den Landesverband steuere, sagte Lederer: "Das sind Mythen, für die es keinen Beleg gibt." Die Berliner Linke sei "souverän genug, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen".
Mit Blick auf die Bundesebene stellte Wowereit fest, dass die Linke in europapolitischen Fragen "nicht regierungsfähig" sei. Die Spitze um Lafontaine habe sich damit dafür entschieden, "immer in der Opposition zu bleiben". Bisher hatte Wowereit eine rot-rote Koalition auf Bundesebene nur für 2009 ausgeschlossen.
Nach eigenen Angaben hat sich der Regierungschef nur deshalb zur Enthaltung entschlossen, weil es für die Ratifizierung des Vertrags nicht auf die Stimme Berlins angekommen sei. Andernfalls hätte er dafür gesorgt, dass die Hauptstadt mit Ja votierte, sagte Wowereit.
Wowereit hatte bis zuletzt versucht, die Linke für ein Ja zu gewinnen. Noch am 22. Mai wurde in größerer Runde um eine Einigung gerungen. Wowereit sagte, er habe dabei gemerkt, in welcher "Notlage" die Linke in Berlin sei. Es sei "fast Verzweiflung" zu spüren gewesen.
SPD-Bundesparteichef Kurt Beck antwortete auf die Frage, welche Empfehlung er dem Berliner Regierungschef gegeben habe, dass Wowereit keine Beratung brauche. Die SPD stehe zum Reformvertrag. Zudem hätten die Linken gezeigt, dass mit ihnen auf Bundesebene nicht koaliert werden könne.
Grünen-Bundestagsfraktionschefin Renate Künast kritisierte das Verhalten Wowereits als eine "Blamage" für die Hauptstadt und für Deutschland. Mit Blick auf die bundespolitischen Ambitionen des Berliner Regierungschefs sagte Künast, schon bei seinen "ersten bundespolitischen Gehversuchen" lasse sich Wowereit "von Lafontaine am Nasenring vorführen".