Mai 2008
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Birthler wehrt sich gegen Vorwurf der Parteinahme
Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, hat den Vorwurf der Parteinahme im Zusammenhang mit den Stasi-Vorwürfen gegen den Linke-Politiker Gregor Gysi strikt zurückgewiesen. Sie habe sich "exakt" an den gesetzlichen Auftrag gehalten und gebe nicht willkürlich Akten heraus, sagte Birthler am Rande einer Ausstellungseröffnung in Bayreuth. Sie sei sogar verpflichtet, Akten herauszugeben und zu bewerten. "Wer meint, dass ich damit meine Pflichten verletzt habe, der kennt das Stasi-Unterlagengesetz nicht", betonte Birthler. Sie habe auch "nicht ein Wort" gegen die Linkspartei gesagt.
Von der CSU zur Linkspartei
Der Ausstieg ist Thomas Jaud nicht leicht gefallen. 15 Jahre lang war der Mann aus dem Allgäu Mitglied der CSU - vier davon hat er mit dem Austritt gehadert. Seine ersten Zweifel kamen, als er einen Posten im Betriebsrat seiner Firma bekam. Erst wurde er Mitglied in der Gewerkschaft, später bei den Globalisierungskritikern von Attac. "Das war für die CSU alles Teufelszeug", sagt er. Jaud las viel, diskutierte viel, schrieb Briefe an die Parteispitze und sah sich das Programm der Christsozialen genauer an. "Da habe ich festgestellt, dass das weder christlich noch sozial ist", sagt der 36-Jährige. Heute ist er Mitglied der Linken - und befindet sich mit seinem Parteiwechsel in guter Gesellschaft: In Bayern gibt es etliche CSU-Abtrünnige, die meinen, in der Linkspartei mehr soziale Gerechtigkeit zu finden.
Seehofer will "freiwillige" Nährwert-Kennzeichnung
Nach anfänglicher Skepsis hat sich Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) doch für eine farbliche Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln ausgesprochen. Einen entsprechenden Leitfaden, wonach die Farben rot, gelb und grün für ungesunde, neutrale und gesunde Ernährungswerte stehen sollen, legte Seehofer am 30. Mai in Berlin vor. "Das vereinfacht die Lebensmittelauswahl für eine ausgewogene Ernährung", sagte der Minister. Die Nährwertinformation wird den Angaben des Ministeriums zufolge freiwillig erfolgen. Handelsverbände kritisieren das "Ampel"-Modell als "irreführend".
Selbstständige, Freiberufler und Landwirte bleiben von Gewerbesteuer befreit
Selbstständige, Freiberufler und Landwirte bleiben im Gegensatz zu den übrigen Gewerbetreibenden von der Gewerbesteuer befreit. Das Bundesverfassungsgericht entschied in einem am 29. Mai veröffentlichten Beschluss, dass die entsprechende gesetzliche Regelung mit dem Gebot der Gleichbehandlung vereinbar und "nicht willkürlich" ist. Die Karlsruher Richter bestätigten damit eine 70-jährige Rechtstradition.
Oskar Lafontaine
Der Streit um eine angebliche Stasi-Verstrickung von Linke-Fraktionschef Gregor Gysi spitzt sich weiter zu. Nachdem die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler (Bündnis 90/Die Grünen), am 28. Mai die Vorwürfe gegen Gysi erneuerte, forderte Linke-Chef Oskar Lafontaine ihre Ablösung. Lafontaine warf Birthler vor, sie sei "nicht in der Lage, ihr Amt objektiv und unparteiisch auszuüben". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) solle deshalb Birthler von ihrem Amt zurückziehen.
Özdemir bei Grünen wieder für Parteivorsitz im Gespräch
Der Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir steht möglicherweise vor einem großen Comeback in der Bundespolitik. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge schließt Özdemir eine Kandidatur um den Parteivorsitz der Grünen nicht mehr kategorisch aus. Özdemir sagte dem Blatt: "Es bleibt dabei, dass ich gegenwärtig nicht vorhabe, Parteivorsitzender zu werden. Ich konzentriere mich auf meine Kandidatur in Baden-Württemberg." Bislang hatte Özdemir eine Kandidatur mit Verweis auf seine familiäre Situation strikt abgelehnt.
Hessischer Landtag vor Beschluss über Studiengebühren-Aus
Die von SPD und Grünen in Hessen auf den Weg gebrachte Abschaffung der Studiengebühren zum kommenden Wintersemester soll nächste Woche endgültig vom Landtag beschlossen werden. Vertreter beider Fraktionen zeigten sich am 27. Mai zuversichtlich, dass ihre gemeinsame Gesetzesinitiative vom Parlament verabschiedet wird. Damit seien dann die Studiengebühren in Hessen wieder Geschichte. Neben SPD und Grünen will auch die Linksfraktion, dass das Studium in Hessen wieder gebührenfrei wird. Zusammen verfügen die drei Parteien im Landtag über eine Mehrheit. In den rot-grünen Gesetzentwurf sollen mehrere Anregungen von Experten einfließen, die vom Hessischen Landtag unlängst anghört wurden.
SPD will höhere Steuern für Reiche
SPD-Chef Kurt Beck und sein Stellvertreter, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, stellten am 27. Mai "Orientierungspunkte der SPD für ein integriertes Steuer- und Abgabensystems eines sozialen Deutschlands" vor. Danach wollen die Sozialdemokraten die Beiträge für die staatlichen Sozialversicherungen generell senken. Dies solle durch höhere Zuschüsse aus Steuermitteln finanziert werden, wenn der Bundeshaushalt ab 2011 Überschüsse erwirtschaftet. Außerdem schlägt die SPD vor, dass die "Reichensteuer" für Ledige bereits bei 125.000 Euro greift und nicht wie bisher bei 250.000 Euro. Insgesamt könnte so die Steuer- und Abgabenquote konstant gehalten werden.
Zollitsch fordert mehr Verteilungsgerechtigkeit und Solidarität
Zum Abschluss des 97. Deutschen Katholikentags hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, die Menschen zu mehr Solidarität und sozialem Engagement aufgerufen. Ohne diese Werte könne "keine Gesellschaft überleben", sagte der Freiburger Erzbischof am 25. Mai bei einem Gottesdienst vor mehr als 20.000 Gläubigen im Osnabrücker Sportstadion Illoshöhe. Zollitsch sagte zum Abschluss des fünftägigen Katholikentags, eine Weltordnung, die eigensüchtig unter einigen aufteile, "was Gott in Liebe für alle Menschen gestellt hat", werde zerbrechen. Er sprach sich zudem für mehr Verteilungsgerechtigkeit aus. Die Gesellschaft könne und dürfe sich nicht damit abfinden, dass die Güter der Erde den einen vorenthalten würden, den anderen jedoch "zur Mehrung von Einfluss und Reichtum" dienten, sagte der Erzbischof. Er warnte vor einer "Ellenbogengesellschaft", in der jeder das Gefühl habe, zu kurz zu kommen.
Linke feiert sich in Cottbus als politische Gestaltungskraft für Deutschland
Knapp ein Jahr nach der Parteigründung hat sich die Linke als politische Gestaltungskraft für ganz Deutschland gefeiert. "Wir haben den Wind der Geschichte in unseren Segeln", sagte Parteichef Oskar Lafontaine am Wochenende unter dem Beifall der rund 550 Delegierten auf dem ersten Parteitag der Linken in Cottbus. Bei der Vorstandswahl musste Lafontaine einen Dämpfer hinnehmen und bekam mit 78,5 Prozent fast zehn Prozentpunkte weniger als auf dem Gründungsparteitag 2007. Co-Vorsitzender Lothar Bisky erhielt mit 81,3 Prozent allerdings nicht viel mehr Stimmen. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden Katja Kipping (74,2 Prozent), Halina Wawzyniak (61,8 Prozent), Klaus Ernst (59,2 Prozent) und Ulrike Zerhau (58,7 Prozent) gewählt. Die Parteilinke Sahra Wagenknecht wurde mit 70,5 Prozent in den erweiterten Parteivorstand gewählt. Sie erhielt damit das beste Ergebnis der "Frauenliste".
CDU und SPD verlieren bei Kommunalwahl in Schleswig-Holstein
CDU und SPD haben bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein beide Stimmen eingebüßt. Die CDU bleibt mit landesweit 38,6 Prozent zwar stärkste Partei. Sie verlor jedoch 12,2 Prozentpunkte gegenüber 2003. Die SPD kommt auf 26,6 Prozent (2003: 29,3 Prozent). Das ist ihr bislang schlechtestes Ergebnis. Die Grünen liegen bei 10,3 Prozent (plus 1,9 Prozentpunkte) und die FDP bei 9,0 Prozent (plus 3,3 Prozentpunkte). Die erstmals angetretene Linkspartei erzielt aus dem Stand 6,9 Prozent und der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) 3,0 Prozent (plus 0,5 Prozentpunkte). Die Wahlbeteiligung erreichte im nördlichsten Bundesland mit 49,5 Prozent einen historischen Tiefststand. Bei der Kommunalwahl 2003 waren noch 54,5 Prozent zur Wahl gegangen.
Spitzenempfänger von Agrarexportsubventionen müssen veröffentlicht werden
Spitzenempfänger von Agrarexportsubventionen müssen mit Namen und Fördersumme veröffentlicht werden. So entschied das Verwaltungsgericht Hamburg in einem Grundsatzurteil, das am 23. Mai bekannt gegeben wurde. Im April 2006 hatte Greenpeace beantragt, die 40 größten Zahlungsempfänger offen zu legen. Die zuständige Bundesbehörde, das Hauptzollamt Hamburg-Jonas, hatte das aber verweigert. Nach Auffassung des Gerichts fallen die Empfänger von Agrarsubventionen unter das Umweltinformationsgesetz und sind somit zu veröffentlichen. Diese Frage war bisher in Deutschland strittig, so dass die Öffentlichkeit nicht erfahren hat, wer die Nutznießer der Agrarförderung sind. "Wer öffentliche Gelder in Millionenhöhe in Anspruch nimmt, muss sich auch die Transparenz gefallen lassen", meint Manfred Redelfs von Greenpeace. "Die Entscheidung war längst überfällig. Das Urteil sorgt für Klarheit, was mit den Steuergeldern geschieht. Nur so kann diskutiert werden, ob das Geld sinnvoll eingesetzt wird."
Berlin verweigerte EU-Vertrag die Zustimmung
Berlin hat als einziges Bundesland dem EU-Reformvertrag im Bundesrat die Zustimmung verweigert. Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) votierte am 23. Mai in der Länderkammer mit Enthaltung. Damit beugte sich die SPD der Linken, die den EU-Vertrag unter anderem als unsozial und militaristisch ablehnt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bedauerte, dass die seit 2002 bestehende, bundesweit einzige rot-rote Koalition erstmals keinen Konsens erzielen konnte. Nach seiner Einschätzung steckt das Bündnis in einer "Krise". Die Linke widersprach dieser Auffassung. Scharfe Kritik an der Entscheidung kam von der Opposition.
Bundesregierung verschiebt Beschlüsse zu Energie- und Klimafragen
Die Bundesregierung hat die Pläne für eine Änderung der Kraftfahrzeugsteuer gestoppt und zudem den Termin für weitere energie- und klimapolitische Beschlüsse auf Mitte Juni verschoben. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm begründete dies am 23. Mai in Berlin, damit, dass es "zu einer Reihe von Themen noch Beratungsbedarf" gebe.
EU will schwere Umweltvergehen strafrechtlich verfolgen
Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig Mensch und Umwelt gefährdet, etwa durch illegale Abfallverklappung, radioaktive Verschmutzung oder den Schmuggel von geschützten Arten, soll künftig in ganz Europa strafrechtlich verfolgt werden. Das sieht eine geplante EU-Richtlinie zum Umweltstrafrecht vor, für die nun ein Kompromiss zwischen Europaparlament und Ministerrat vorliegt. Die neue Richtlinie soll die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichten, bestimmte vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Handlungen, die die Umwelt schädigen, als Straftaten zu behandeln.
Ein Viertel aller Deutschen ist arm oder muss vor Armut bewahrt werden
Der neue Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat den Streit um die soziale Kluft in Deutschland weiter angeheizt. Dem Bericht zufolge ist inzwischen jeder vierte Deutsche arm oder von Armut er muss durch staatliche Leistungen vor Armut bewahrt werden. 13 Prozent der Bundesbürger gelten laut dem Bericht als arm, weitere 13 Prozent würden durch Sozialtransfers wie Kindergeld oder Arbeitslosengeld II vor dem Abrutschen in Armut bewahrt, so Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD). Im Gegenzug seien die Einkünfte der Reichen weiter gewachsen. "Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich weiter geöffnet", so Scholz. Arm ist laut EU-Definition, wer als Alleinlebender weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient, also 781 Euro netto", sagte Scholz. Als reich gelte, wer als Alleinlebender im Monat netto mehr als 3418 Euro zur Verfügung habe oder als Familie mit zwei Kindern mehr als 7178 Euro netto im Monat. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel warf Scholz vor, er beklage die Auswirkungen einer Politik, "die er und seine SPD zu verantworten haben". Die FDP hatte die Agenda-Politik in der Vergangenheit immer wieder gelobt und mit vorangetrieben.
Forderung nach höheren Arzthonoraren und einem Ende gedeckelter Klinikbudgets
Unmittelbar vor Beginn des Deutschen Ärztetages in Ulm mehren sich die Forderungen nach mehr Finanzmitteln für das Gesundheitssystem. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung erneuerten am 19. Mai ihre Forderung nach deutlich höheren Arzthonoraren und verlangte hierfür gesetzliche Garantien. Die Ärzteorganisation Marburger Bund sprach sich für ein Ende der gedeckelten Klinikbudgets aus. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wehrte sich derweil gegen den Vorwurf, der Kostendruck habe zu einer Rationierung von Gesundheitsleistungen geführt.
Unions-Parlamentarier wollen rasche Steuersenkungen durchsetzen
Der Lafontaine-Virus hat CDU und CSU im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl und der Bundestagswahl endgültig infiziert: Der Steuerstreit in der Union eskaliert. Trotz des Neins der Parteispitze beharren Arbeitnehmer- und Mittelstandsvertreter von CDU/CSU auf ihrer Forderung nach Steuersenkungen in dieser Legislaturperiode. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla schloss dies am 16. Mai klar aus. Auch die in Lateinamerika weilende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ über ihren Vize-Regierungssprecher Thomas Steg mitteilen, dass "keine Steuerentlastungen versprochen werden" könnten, solange der Bund noch Schulden mache.
"Attraktivität der Linken" macht CDU-Abgeordnete nervös
In der Union haben die Befürworter rascher Steuerentlastungen den Druck auf die Fraktionsspitze massiv erhöht. In einem gemeinsamen Brief verlangten Mittelstands- und Arbeitnehmerflügel der CDU/CSU-Fraktion eine Entlastung der Bürger noch in dieser Legislaturperiode. Beide Gruppen repräsentieren zusammen die große Mehrheit der Unions-Abgeordneten. Die Chefs von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerflügel der Union, Michael Fuchs und Gerald Weiß sowie deren Stellvertreter Peter Rauen und Willi Zylajew (alle CDU), hatten in dem Schreiben an Fraktionschef Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer kritisiert, dass "immer größere Teile der Mittelschicht in eine armutsgefährdete Schicht heruntergezogen werden". Für Menschen in unteren und mittleren Einkommensbereichen, die ein wichtiges Wählerpotenzial der Union darstellten, nehme die Attraktivität der Linken zu. Es sei "nicht nur aus wahltaktischen Gründen" notwendig, diesem Trend entgegenzusteuern. Fraktionschef Volker Kauder (CDU) wies die Forderung strikt zurück.
Karlsruhe verwirft Beschwerde zu Altersbezügen im öffentlichen Dienst
Das Bundesverfassungsgericht hat der Hoffnung von zahlreichen früheren Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf höhere Altersbezüge eine Absage erteilt. Betroffen sind sogenannte Bestandsrentner, die vor ihrer Beschäftigung im öffentlichen Dienst in der Privatwirtschaft gearbeitet haben und vor 2002 in Rente gegangen sind. Das Verfassungsgericht entschied in dem am 15. Msi veröffentlichten Beschluss, dass die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) bei solchen Rentenbeziehern die Versicherungszeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht voll einbeziehen müsse. Die für diese Bestandsrentner noch geltende "Halbanrechnung" der sogenannten Vordienstzeiten in der Zusatzversorgung sei verfassungsgemäß.