Wählerbetrug in Hamburg
- Hamburgs Grüne im Wahlkampf: Eine schwarz-grüne Regierungskoalition steht nicht auf der Tagesordnung
- CDU und Grüne in Hamburg einig - Spekulationen über Elbvertiefung und Gaskraftwerk
- Umweltminister Gabriel für Kohlekraftwerk - Hamburger SPD-Fraktion für dezentrale Kraftwärmekopplungsanlagen und erneuerbare Energien
Im Gegensatz zur Hamburger CDU wollte die hessische SPD gemeinsam mit den Grünen und den Linken die Energiepolitik durchsetzen, für die sie im Wahlkampf geworben hatten: den Ersatz des Atomkraftwerks Biblis durch 100 Prozent erneuerbare Energie.
Es sind offenbar die in der Wahl versprochenen politischen Inhalte Ypsilantis und ihr Wille, diese auch nach der Wahl durchzusetzen, die zu der beispiellosen Medienkampagne gegen sie führte. Denn der Wortbruch in Hamburg ist den Medien keine Schlagzeile wert. Auch die Hamburger Grünen planen im übrigen einen Wortbruch: Noch am 8. Januar hatten sie eine Koalition mit der CDU ausgeschlossen. Jetzt ist die schwarz-grüne Koalition in Hamburg praktisch perfekt.
Die Landesvorsitzende der Grün-Alternativen Liste (GAL), Anja Hajduk, hatte am 8. Januar im Hamburger Wahlkampf gegenüber der Financial Times Deutschland laut Vorabbericht erklärt: "Es mag rechnerisch eine Mehrheit für dieses Bündnis geben, doch es passt inhaltlich nicht." Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatte eine Koalition von CDU und Grünen vorgeschlagen, sollte seine Partei bei den Bürgerschaftswahlen am 24. Februar ihre absolute Mehrheit verlieren.
Hamburgs Grüne im Wahlkampf: Eine schwarz-grüne Regierungskoalition steht nicht auf der Tagesordnung
Hajduk sagte am 8. Januar dazu: "Wir wollen den Wechsel mit der SPD. Eine schwarz-grüne Regierungskoalition steht nicht auf der Tagesordnung." In der Energie- und Klimapolitik, dem wichtigsten Grünen-Thema, lägen die Christdemokraten Welten von der GAL entfernt. So unterstütze die Union den Bau eines Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg. Dieses werde auf Betreiben der CDU sogar doppelt so groß wie von Vattenfall geplant. Eine solche Energiepolitik vertrage sich nicht mit grünen Vorstellungen. Die Grünen wollten Hamburg zur Modellregion für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz machen.
Nun wollen die Hamburger Grünen/GAL entgegen ihrer Wahlversprechen mit der CDU koalieren, und anstelle von erneuerbaren Energien unterstützen sie Medienberichten zufolge den Bau eines großen Gaskraftwerks.
Die meisten Journalisten scheint auch dieser Wortbruch nicht sonderlich zu interessieren. Das eigentliche Problem der Medien scheint also nicht der Wählerbetrug zu sein, sondern die inhaltliche Ausrichtung der Politik. Das Eintreten der hessischen SPD für eine aus ihrer Sicht gerechte Bildungspolitik, für einen gesetzlichen Mindestlohn und für ein konsequentes Umsteuern hin zu den erneuerbaren Energien scheint das eigentliche Motiv für die Medienkampagne gegen Ypsilanti gewesen zu sein.
Auf dem jüngsten Parteitag der hessischen SPD wurde in Anwesenheit einer großen Zahl von Journalisten sehr viel Kritik an der tendenziösen Medienberichterstattung geübt. Berichtet wurde über die Medienkritik in den Medien allerdings nicht.
CDU und Grüne in Hamburg einig - Spekulationen über Elbvertiefung und Gaskraftwerk
In Hamburg jedenfalls haben sich die CDU und die Grünen/GAL am 16. April mit ihrem doppelten Wortbruch auf das erste schwarz-grüne Regierungsbündnis auf Länderebene geeinigt. Nach erneuten Gesprächen am 16. April sagte Bundestagsfraktionsvize Krista Sager (Grüne): "Wir sind mit den Verhandlungen durch." Details zu Vertragsinhalten wurden noch nicht genannt. Sie sollen erst am 17. April präsentiert werden.
Noch am Morgen hatte es Spekulationen über die letzten Hauptstreitpunkte, den geplanten Bau des Kohle-Großkraftwerks Moorburg und die Elbvertiefung, gegeben. Angeblich wollen die Grünen einer Elbvertiefung zustimmen, wenn im Gegenzug ein Gaskraftwerk anstelle des Kohlemeilers gebaut wird. Von einem engagierten Ausbau der erneuerbaren Energien ist nicht die Rede.
Nach der zwölften Verhandlungsrunde am 16. April sagte die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Antje Möller: "Wir haben alles besprochen, was wir besprechen wollten." Am 17. April gebe es "keine große Runde mehr", sondern lediglich noch "Feinabstimmungen". Die Verhandlungsführer, Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und GAL-Spitzenkandidatin Christa Goetsch, verließen den Tagungsort im Hotel Grand Elysee ohne Statement.
Der Elbvertiefung wollen die Grünen angeblich zustimmen, wenn Schiffe mit Ziel Hamburger Hafen künftig eine Art Elbmaut entrichten. Das so eingenommene Geld solle in einen Umweltfonds fließen, damit sichergestellt sei, dass es einen Ausgleich für die Vertiefung gebe, berichtete das "Hamburger Abendblatt". Der Kompromiss für das Ja der GAL zur Elbvertiefung soll jedoch an ein Nein zum Kohlekraftwerk Moorburg gebunden sein, wie die "Bild"-Zeitung schrieb. Die CDU soll einer europaweiten Ausschreibung für den Bau eines Gaskraftwerks zugestimmt haben. Weder CDU noch GAL wollten die Berichte kommentieren.
Umweltminister Gabriel für Kohlekraftwerk - Hamburger SPD-Fraktion für dezentrale Kraftwärmekopplungsanlagen und erneuerbare Energien
Noch vor der offiziellen Bekanntgabe der Entscheidung über das künftige Kraftwerk kritisierte Umweltminister Gabriel die Haltung der Hamburger Grünen. Er warf den Grünen vor, sich in Hamburg mit der CDU auf ein gefährliches Bündnis einzulassen. Sie führten einen populistischen Wahlkampf gegen Kohlekraftwerke, verschwiegen aber, dass wegen der europäischen absoluten Obergrenze für CO2-Emissionen der Kohlendioxid-Ausstoß durch neue Kraftwerke nicht steigen könne. "Das kurzfristige Interesse, Investitionen in neue, effizientere Kohlekraftwerke zu verhindern, führt dazu, dass alte Dreckschleudern weiter am Netz bleiben und der Druck für eine Verlängerung der Restlaufzeiten von Atommeilern stärker wird", sagte Gabriel.
Die Hamburger SPD-Fraktion hatte sich im Gegensatz zum Bundesumweltminister gegen das Kohlekraftwerk ausgesprochen. In einer Stellungnahme vom 12. März heißt es, anstelle des Kohlekraftwerks solle der "Bau von dezentralen Kraftwärmekopplungsanlagen und der Ausbau der regenerativen Energieerzeugung weiter gefördert, die Energieeffizienz gesteigert und das Energiesparen beschleunigt werden".