DIE Internet-Zeitung
"Rentner-Demokratie" oder "Revolution"?

Herzog und Miegel rufen zum Kampf gegen Senioren auf

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Vierzig Jahre nach dem Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke rufen der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog und der Bonner Sozialforscher Meinhard Miegel über die Springer-Blätter "Bild" und "Welt" zum Kampf gegen Senioren auf. Herzog und Miegel werden vielfach als "neoliberale" Botschafter kritisiert, die in Institutionen wie dem "Konvent für Deutschland" beziehungsweise dem "Institut für Wirtschaft und Gesellschaft" (IWG) mit der Deutschen Bank zusammenarbeiten. "Übernehmen die Alten die Macht?", fragt Bild. Herzog antwortet dem Springer-Blatt: "Ich fürchte, wir sehen gerade die Vorboten einer Rentner-Demokratie: Die Älteren werden immer mehr, und alle Parteien nehmen überproportional Rücksicht auf sie. Das könnte am Ende in die Richtung gehen, dass die Älteren die Jüngeren ausplündern."


Parallel dazu Miegel in der Welt: "Wir sind auf dem Weg in die Altenrepublik". Er rechne nicht damit, dass die Rentner in Zukunft freiwillig auf die Belastbarkeit der Jüngeren Rücksicht nehmen und ihre Ansprüche zurückschrauben würden. "Die ältere Bevölkerungsgruppe hat einen kurzen Zeithorizont und will in der Gegenwart Kasse machen", sagte Miegel und bringt die Möglichkeit der Außerkraftsetzung demokratischer Mehrheitsentscheidungen ins Spiel: Die Jungen würden "Mittel und Wege finden, sich der Belastung zu entziehen - da können die Mehrheitsverhältnisse sein, wie sie wollen." Miegel spricht gar von "Revolution".

Der Chef des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft rechnet für die Zukunft mit "harten Verteilungskämpfen" zwischen den Generationen. Er warnte in der Welt, dass die gesellschaftlichen Veränderungen eine Gefahr für die Demokratie darstellten. Der Spruch "Wer zahlt, schafft an" gelte immer.

Miegel: Auch den Beginn der Französischen Revolution hat keiner vorausgeahnt

Die Ausführungen von Miegel in der Welt können den Eindruck erwecken, als wünsche er sich schon bald eine Revolution, mit der eine seines Erachtens absehbare "Rentnerdemokratie" beseitigt wird: Wenn die älteren Wähler in Zukunft in der Mehrheit seien, so Miegel, und die Politik sich "einseitig" darauf ausrichte, "haben wir ein Demokratieproblem". Es sei aber nicht vorhersehbar, wann und auf welche Weise sich die Veränderungen vollziehen würden. Sehr massiv würden die demografischen Probleme ab dem Jahr 2030. Doch schon viele Jahre zuvor könnte es schlagartig zu einem veränderten Bewusstsein kommen. "Auch den Beginn der Französischen Revolution hat keiner vorausgeahnt."

Der "Sozialforscher" schärft den Blick einer jungen und egoistischen Öffentlichkeit für Senioren auf der Parkbank. So unterstrich Miegel in dem Springer-Blatt, dass der Mensch einerseits zwar ein soziales Wesen sei, andererseits aber auch stark an sich denke. Diejenigen, die in zehn oder 20 Jahren die Kosten zu tragen hätten, würden nicht akzeptieren, dass die Menschen dann noch so frühzeitig wie heute in den Ruhestand gingen. "Wer mit 65 Jahren topfit auf der Parkbank sitzt, erzeugt sozialen Widerwillen", meinte der Wissenschaftler. Die Natur habe eine solche lange Phase der Inaktivität nicht vorgesehen. Über Jahrtausende sei es üblich gewesen, dass der Mensch bis zum Tod, so weit er dies konnte, gearbeitet habe, so Miegel.

Metzger: Wir bekommen einen Generationenkrieg

Auch der ehemalige Grünen-Politiker Oswald Metzger, der in die CDU eintreten will, warnt via Bild: "Wir bekommen einen Generationenkrieg, wenn die Politik weiterhin aus wahltaktischen Gründen Geschenke verteilt. Denn: Die Rentenerhöhung, bescheiden genug, müssen Kinder und Enkelkinder über ihre Sozialbeiträge bezahlen! Die Rentner sind aber keine Raffkes. Sie würden auf die Rentenerhöhung verzichten, wenn die Politiker den Mut hätten, ihnen die Wahrheit zu sagen: Die Zeche zahlen eure Kinder und Enkelkinder!"

Metzger ist "Berater" der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM), die der SPD-Politiker Klaus Uwe Benneter einst als industrie-nahe "Tarnorganisation" bezeichnet hat, die "marktradikalen Konzepte" vertrete.

"Teile und herrsche"

Der Vorstoß der Springer-Presse mit Herzog, Miegel und Metzger könnte von der alten machtpolitischen Strategie "Teile und herrsche" getragen sein. Eine Gesellschaft, die sich zunehmend einig darin ist, dass Manager zu viel Geld verdienen und weitgehend einhellig eine weitere Umverteilung von unten nach oben ablehnt, kann von den Profiteuren der gegenwärtigen Politik als Bedrohung wahrgenommen werden.

Neben dem Aufrechterhalten und Stabilisieren des Rechts-links-Gegensatzes mag auch ein "Generationenkrieg" als probates Mittel dafür angesehen werden, Zwietracht und Uneinigkeit in der Gesellschaft zu schüren, um so in der Machtausübung ungestört zu bleiben. Mit diesem Prinzip gelang es schon vielen Herrschern, ihre Position und Macht zu stabilisieren.

Der Konvent für Deutschland

Herzog, Miegel und Metzger haben enge Verbingungen zu einflußreichen und vermögenden Kreisen. Roman Herzog ist Vorsitzender des "Konvent für Deutschland", der unter anderem von der Deutschen Bank finanziert wird. Mitglied im "Konventkreis" ist auch Oswald Metzger oder der einflussreiche Unternehmensberater Roland Berger als Vorsitzender, den man wiederum im Kuratorium der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" findet. Der Chemie-Manager und ehemalige Bayer-Chef Manfred Schneider sitzt ebenso im Kuratorium des Konventkreises wie etwa Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel.

Mit dabei im Konventkreis ist auch der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Clement, der Aufsichtsratsmitglied des Energiekonzerns RWE Power ist, hat im Januar öffentlich dazu aufgerufen, die hessische SPD mit ihrer Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti (SPD) nicht zu wählen, weil diese eine Energiepolitik vertritt, von der Energiekonzerne wie RWE oder auch E.On nicht bevorzugt profitieren würden.

Da passt es, dass zu den Mitglieder und Förderern des Konvent für Deutschland e. V. RWE-Chef Jürgen Großmann und Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann zählen. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter, hatte sich im November für eine Rente mit 70 ausgesprochen.

Zu den Finanziers des Konvent zählen auch Fraport-Chef Wilhelm Bender, Deutschland-Chef der Bank of America Andreas Dombret, TUI-Vorsitzender Michael Frenzel, Linde-Chef Professor Wolfgang Reitzle sowie die Chefs von Porsche (Wendelin Wiedeking), Deutscher Bahn (Hartmut Mehdorn), Continental (Manfred Wennemer), Heinz-Nixdorf-Stiftung (Gerhard Schmidt), Messe Frankfurt (Michael von Zitzewitz), IBM Deutschland (Martin Jetter) und Bilfinger Berger (Herbert Bodner). Mit der Frankfurter Societätsdruckerei GmbH (Geschäftsführer Hans Homrighausen) gehört auch einer der Hauptfinanziers der einflußreichen und wirtschafts-nahen "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) zu den Geldgeber des "Konvent für Deutschland".

Miegel und das Institut für Wirtschaft und Gesellschaft

Meinhard Miegel war in den siebziger Jahren als Leiter Hauptabteilung Politik, Information und Dokumentation der Bundesgeschäftsstelle der CDU, enger Mitarbeiter von CDU-Generalsekretär Kurt Biedenkopf. Zusammen mit Kurt Biedenkopf gründete Miegel – ebenfalls in den 1970er Jahren - das "Institut für Wirtschaft und Gesellschaft" (IWG) in Bonn, dem er nunmehr seit rund dreißig Jahren vorsteht.

Das Privatinstitut finanziert sich überwiegend aus Spenden privater Unternehmen. Am 14.Dezember 2005 schrieb das "Handelsblatt" über das IWG: "Es finanziert sich zu zwei Dritteln aus Mitgliedsbeiträgen, die ihm meist von großen Unternehmen zufließen. Der Rest sind Einnahmen aus Auftragsforschungen, etwa für das 'Deutsche Institut für Altersvorsorge', das der Deutschen Bank nahesteht."

Miegel ist außerdem wissenschaftlicher Berater des von der Deutschen Bank gegründeten und finanzierten "Deutschen Instituts für Altersvorsorge GmbH" (DIA) in Köln.

Kritiker wie etwa die Nachdenkseiten und LobbyControl bezeichnen Miegel wegen seiner engen Verbindungen zur Versicherungsindustrie und insbesondere wegen seiner beruflichen Tätigkeit bei dem Deutschen Institut für Altersvorsorge (DIA) als Lobbyisten, der "neoliberale Reformen im Sinne der Arbeitgeberverbände" oder im Auftrag von Versicherungen und Banken verbreite.

Er trete in Fernsehshows, darunter auch im öffentlich-rechtlichen Sender Phoenix, als "Rentenexperte" auf und versuche mit "vermeintlicher Wissenschaftlichkeit" die Interessen der privaten Versicherungswirtschaft durchzusetzen.

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