Koch kündigte an, Infrastrukturprojekte wie den geplanten Ausbau der Flughäfen Frankfurt am Main und Kassel weiter vorantreiben zu wollen. Zugleich versprach Koch Änderungen in der Bildungs- und Umweltpolitik, für die er im Wahlkampf heftig kritisiert wurde. Beim verkürzten Abitur G8 werde es Nachbesserungen geben, außerdem sei die Einstellung von 1000 neuen Lehrern und ein Ausbau des Ganztags-Schulangebots sowie der Kinderbetreuung geplant.
Die Politik in Hessen müsse ein Gesamtkonzept bleiben und dürfe vor allem nicht die Finanzen aus den Augen verlieren. "Wir sind in dieser Frage eine Schicksalsgemeinschaft", sagte Koch in Richtung Opposition.
Als Zukunftsprojekte, über die der Landtag entscheiden müsse, nannte Koch unter anderem einen Masterplan zur Entwicklung der Frankfurter Uniklinik und die Einrichtung eines "Hauses der Geschichte Hessen". Gemeinsam mit Experten von außen solle über eine neue Form der Mittelstufe diskutiert und eine Nachhaltigkeitsstrategie entworfen werden.
Ypsilanti: Koch ist schlechter dran als einst Holger Börner
SPD-Fraktionschefin Ypsilanti entgegnete, es gehe nun um die politische Bewertung der entstandenen politischen Lage. Diese könne nicht getrennt betrachtet werden von den unterschiedlichen Zielen und Wähleraufträgen, die jede Partei einschließlich der CDU habe. "Weder der CDU-Vorsitzende Koch ist ziel- oder wertneutral geworden, noch sind wir es."
Ypsilanti führte Koch seine missliche Lage vor Augen. Kochs Situation sei für ihn ungünstiger als die der geschäftsführenden Regierung unter dem SPD-Politiker Holger Börner in den 1980er Jahren. "Holger Börner hatte seinerzeit keine Mehrheit in Parlament und Wählerschaft für sich, aber auch keine gegen sich", so Ypsilanti. "Er stand unterstützt von der SPD in der Mitte zwischen den in jeder Beziehung unvereinbaren Positionen von CDU und neu in den Landtag gewählten Grünen." Im Gegensatz zur Regierung Börner habe aber die geschäftsführende Regierung Koch "eine klare Wählermehrheit und dementsprechende Parlamentsmehrheit gegen sich", betonte Ypsilanti.
Zudem sei Börner im Gegensatz zu Koch 1982 "nicht von den Wählern abgewählt" worden. "Die CDU-Regierung von Herrn Koch ist jedoch eindeutig von den Wählern abgewählt worden, und die Mehrheit im Landtag besteht aus Mandatsträgern, die nicht zuletzt für die Ablösung dieser Regierung gewählt worden sind", so Ypsilanti. "Daraus ergibt sich klipp und klar die politische Bewertung: Die geschäftsführende Landesregierung Koch hat zwar ein von der Verfassung vorgegebenes beschränktes Mandat, das zu respektieren ist. Aber sie hat kein erneuertes politisches Mandat." Auch vor dem Hintergrund der hessischen Landesverfassung dürfe "das mittelfristige Ziel nicht aus den Augen verloren werden, eine Regierung mit parlamentarischer Mehrheit zu bilden und zu wählen".
Ypsilanti kündigte an, die SPD-Fraktion werde "ihre politischen Initiativen in direktem Dialog mit denjenigen Fraktionen vorantreiben, mit denen es dafür jeweils inhaltliche Schnittstellen und Übereinstimmungen gibt". Es gebe Mehrheiten im neuen Hessischen Landtag, "die nicht die gesamte Wirtschaft einem weiteren Konzentrationsprozess ausliefern wollen und die wissen, dass deshalb ein neuer landespolitischer Schwerpunkt bei der Stärkung regionaler Wirtschaftskraft und des Mittelstandes liegen muss", so Ypsilanti. Auch gebe es Mehrheiten, "die tatsächlich gleiche Bildungschancen ohne willkürliche Frühauslese wollen, und die wissen, dass dafür die Studiengebühren aufgehoben, eine G8-Reform durchgesetzt, Ganztagsschulen für die Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf eingeführt werden müssen.
Auch gebe "Mehrheiten, die mehr soziale Gerechtigkeit – nicht nur für sich selbst – wollen, und dass sich Hessen dafür für gesetzliche Mindestlöhne einsetzt, dass das soziale Netz neu geknüpft werden muss und neue Initiativen für die Gleichberechtigung der Geschlechter ergriffen werden müssen". Die innere Sicherheit wolle eine Parlamentsmehrheit nicht mit Angstkampagnen, sondern durch eine Verbesserung und Ausweitung des Polizeidienstes "praktisch verbessern". Nicht zuletzt sieht die hessische SPD-Politikerin "Mehrheiten, die eine dauerhaft gesicherte und umweltfreundliche Energieversorgung wollen und wissen, dass dafür ein schneller und umfassender Wechsel zu erneuerbaren Energien vollzogen werden muss".
"Das großzügige Augenzudrücken gegenüber hessischen Millionären"
Für die Finanzierung der neuen Landespolitik verlangt Ypsilanti eine Durchforstung des Landeshaushaltes nach seinen bisherigen Prioritäten. Darüber hinaus werde es aber auch nötig sein, die Einnahmesituation des Landes zu verbessern. "Ein Weg dahin wird sein, die Steuerprüfpraxis der Finanzämter zu verbessern, besonders in Bezug auf das großzügige Augenzudrücken gegenüber hessischen Millionären." Dafür sei nicht nur mehr Personal nötig, das sich von selbst bezahlt mache, sondern auch mehr Transparenz gegenüber der Steuererhebungspraxis der Landesregierung.
Eine relevante neue Einkommensquelle für die öffentliche Hand lässt sich nach Auffassung von Ypsilanti weiterhin durch neue Investitionen und damit verbundene neue Arbeitsplätze für die Zukunftstechnologien der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienzsteigerung erschließen. "Wenn jetzt die Landesregierung dafür ein offenes Ohr zeigt, so bleibt die Frage, wie sie von der Negativkampagne gegen die Windkraft wieder herunterkommt", so Ypsilanti. "Und es bleibt die organisierte Verantwortungslosigkeit, mit der Hessen zum Schlusslicht unter den Bundesländern gemacht wurde."
Ypsilanti stellte massiv die finanzpolitische Solidität von Ministerpräsident Koch in Frage. "Herr Koch hat einen verfassungswidrigen Haushalt nach dem anderen vorgelegt. Er hat in seiner Amtszeit über 10 Milliarden Euro neue Schulden gemacht", so Ypsilanti. Ein Drittel aller Schulden des Landes seien unter seiner Verantwortung gemacht worden. Landesbesitz im Wert von über 2 Milliarden Euro sei verkauft worden, "um durch Einmaleffekte das strukturelle Defizit zu kaschieren. Wer das alles zu verantworten hat, ist ein schlechter Ratgeber und vor allem ein wenig glaubwürdiger Ratgeber in Fragen finanzpolitischer Solidität."
Al-Wazir kritisiert Kochs "Verteufelung der Windkraft" Auch Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir reagierte zurückhaltend auf Kochs Ankündigungen. "Neue Töne allein bedeuten noch keine andere Politik." Zu einer Energiewende gehöre auch, ideologische Vorbehalte über Bord zu werfen und etwa die "Verteufelung der Windkraft" zu beenden. Al-Wazir lud die anderen Parteien zu "einem Wettstreit der Ideen" ein. Statt über Farben und Allianzen solle der Landtag nun über Inhalte reden.
FDP-Fraktionschef Jörg-Uwe Hahn kündigte für seine Fraktion einen konsensorientierten Stil an. Für die neue Linksfraktion forderte Ulrich Wilken einen Politikwechsel in Hessen. "Wir vertrauen darauf, dafür eine Mehrheit in diesem Haus zu haben", fügte er hinzu.