Ypsilanti betonte, sie habe sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht, sich eventuell doch von der Linken wählen zu lassen. Die SPD stehe gegenüber ihren Wählern aber auch in der Pflicht, einen Politikwechsel in Hessen einzuleiten. Dies sei letztlich wichtiger. "Das ist ein neuer Weg, den wir in Hessen beschreiten", sagte Ypsilanti. Dass dieser Weg nicht gefahrlos sei, sei auch klar.
Die SPD-Spitze hatte kürzlich auf Initiative von Parteichef Kurt Beck grünes Licht für ein solches Vorgehen gegeben. SPD-Bundestagsfraktionschef Peter Struck sagte am 4. März: "Die Frage wird in Hessen zu entscheiden sein, nicht in Berlin." Er gehe davon aus, dass die Fraktion den Vorstandsbeschluss zum Umgang mit der Linken bestätige. Aus seiner Sicht sei das Thema damit beendet.
Der Fraktionsvize und Sprecher des konservativen Seeheimer Kreise, Klaas Hübner, warnte indes, ein Zusammengehen mit der Linken in Hessen wäre ein Fehler: "Was man vor der Wahl gesagt hat, muss auch nach der Wahl gelten."
Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte insbesondere mit Blick auf den SPD-Vorsitzenden Beck: "Was sich in Hessen entwickelt, ist außerordentlicher Wortbruch." Selbstverständlich belaste dies die Arbeit in der großen Koalition im Bund. CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer sprach von einem "eiskalten Wählerbetrug", der von langer Hand vorbereitet worden sei. Ypsilanti habe nur auf den "Freibrief aus der SPD-Zentrale" gewartet und "noch nicht mal eine Schamfrist eingehalten".
Die Linke begrüßte die Ankündigung Ypsilantis, sich gegebenenfalls mit den Stimmen der Linkspartei zur neuen Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Ein Wahlziel der Linken in Hessen sei die Anwahl des bisherigen Amtsinhabers Roland Koch (CDU) gewesen, sagte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Er versicherte: "Dazu werden wir unseren Beitrag leisten."
Vehement widersprach der Linke-Politiker den Vorwürfen der Union, die SPD begehe einen Wortbruch. Ein Wortbruch von Ypsilanti läge nur vor, wenn sie ihre Wahlversprechen zur sozialen Wende nicht einhielte oder wenn sie mit der CDU eine Koalition eingehen würde. Alles andere sei eine "Wiederherstellung der Normalität", da das neugewählte Parlament über die künftige Landesregierung entscheide.
SPD und Grüne in Hessen wollen noch in dieser Woche mit ihren Verhandlungen beginnen. Nach den Vorstellungen der beiden Landesparteien soll eine rot-grüne Minderheitsregierung versuchen, Mehrheiten im Parlament mit Hilfe der anderen Fraktionen zu organisieren. Ypsilanti nannte als mögliche Partner die FDP, die CDU und die Linke.
Mit der Landes-CDU will die hessische SPD am 5. März zwar noch einmal reden. Die Chancen dafür, dass noch eine große Koalition zustande kommt, beurteilte Ypsilanti jedoch als gering. "Sehr enttäuscht" zeigte sie sich von der FDP. Die Liberalen hätten sich mit der Absage an ein "Ampel"-Bündnis ihrer staatspolitischen Verantwortung entzogen. Gleichwohl werde die SPD die Tür zu den Liberalen nicht zuschlagen.