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"Kostenlose Übernahme"

Forderungen nach Verstaatlichung des Stromverbundnetzes

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Aufgrund des kartellrechtlichen Drucks durch die EU-Kommission und einer möglichen Milliarden-Strafe trat der Energieriese E.On am 28. Februar die Flucht nach vorne an: Der Konzern schlug der Kommission vor, die eigenen rund 10.000 Kilometer langen Strom-Übertragungsnetze an einen Betreiber zu verkaufen, der nicht im Bereich der Stromerzeugung oder Stromversorgung tätig ist. Zudem wolle E.On 4800 Megawatt Kraftwerksleistung an Wettbewerber veräußern. Jetzt werden Stimmen laut, das Stromverbundnetz von E.On in die öffentliche Hand zu überführen. "Die Netze gehören in öffentliche Hände, um eine soziale und klimafreundliche Stromversorgung möglich zu machen", meint Alexis Passadakis vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac. Wegen der notwendigen Investitionen in "die veraltete Netzinfrastruktur" und der bisherigen systematischen Unterinvestition sollte die Entschädigung bei null Euro liegen, so Passadakis. Auch der Links-Abgeordnete im Deutschen Bundestag, Hans-Kurt Hill, forderte die Bundesregierung auf, "die kostenlose Übernahme der E.On-Netze durch den Bund zu organisieren". Das sei die "einmalige Chance, die Netze zum gesellschaftlichen Nutzen in die öffentliche Hand zu überführen und sie zugleich für die Aufnahme eines wachsenden Anteils erneuerbarer Energien fit zu machen". Es müsse verhindert werden, dass die sensible Infrastruktur in die Hände internationaler Spekulanten gerate, so Hill.


Die Kommission hatte in der Folge ihrer Sektorenuntersuchung im Energiebereich (Energy Sector Inquiry) eine Reihe von Wettbewerbsverfahren gegen Energieunternehmen durchgeführt, unter anderem in zwei Fällen gegen den deutschen Energieriesen E.On.

Mit dem Vorschlag für "strukturelle Maßnahmen" möchte E.On eigenen Angaben zufolge "alle laufenden Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission im Strombereich konstruktiv beenden". Auch wolle man dem Wettbewerb im deutschen Strommarkt "im Interesse der Haushalts- und Industriekunden" noch stärkere Impulse zu geben, heißt es in einer Mitteilung des Konzerns. Der Energiekonzern möchte erreichen, "dass die EU-Kommission die derzeit laufenden Kartellverfahren gegen E.On einstellt".

Hill: Es muss verhindert werden, dass die sensible Infrastruktur in die Hände internationaler Spekulanten gerät

Nach Auffassung von Hill zeigt E.On damit sein wahres Gesicht: "Kasse machen auf Kosten der Gesellschaft. Jahrelang hatte der Energiekonzern Milliardenprofite mit den Stromautobahnen gemacht und kaum Geld in die Übertragungsnetze gesteckt. 2006 betrugen die Einnahmen der Energieversorger aus den Netzgebühren über 21 Milliarden Euro, investiert wurde aber nur ein Zehntel davon." Geld sei bisher nur in die Hand genommen worden, wenn gefährliche Engpässe drohten oder bereits Schäden entstanden seien. "Jetzt, wo der Konzern um hohe Investitionen für den notwendigen Netzausbau nicht mehr herum kommt, drückt sich der Energieriese um seine Verantwortung und stößt die Netze ab", kritisiert der Abgeordnete.

Der Energiekonzern ist nach Auffassung von Hill "für versäumte Netzinvestitionen und Missbrauch der Netzinfrastruktur" in Haftung zu nehmen. Für genau diesen Fall lasse das Grundgesetz nach Artikel 15 die Vergesellschaftung zum Allgemeinwohl zu. "Es muss verhindert werden, dass die sensible Infrastruktur in die Hände internationaler Spekulanten gerät", fordert Hill.

Der Abgeordnete wirft den Netzbetreibern vor, sie hätten die Stromnetze nicht bedarfsgerecht an entstehende Windparks angepasst, da diese Zukunftsinvestitionen nicht der kurzfristigen Renditeerwartung entsprochen hätten. "Gängige Praxis durch E.On & Co. ist bis heute, an ertragreichen Tagen Windparks, Biomasse-Kraftwerke und Solaranlagen zwangsabzuschalten, um die veraltete Netzstruktur nicht zu überfordern", so Hill. Nachbar Dänemark hingegen habe die staatlich kontrollierten Stromnetze auf die erneuerbaren Energien ausgerichtet. Dort betrage der Anteil an erneuerbarem Strom mittlerweile fast ein Drittel.

Attac: Finanzinvestoren wollen Rendite sehen bis die Masten brechen

Attac geht davon aus, dass E.On das Stromnetz in Absprache mit der EU-Kommission an Finanzinvestoren verkaufen möchte. "Derzeit haben die vier großen Stromkonzerne die Hochspannungsnetze in Deutschland unter sich aufgeteilt. Wer sie durch Finanzinvestoren ersetzt, wählt zwischen Pest und Cholera", kritisert Jutta Sundermann von Attac. "Finanzinvestoren wollen Rendite sehen bis die Masten brechen."

Beim vorgeschlagenen Verkauf von Kraftwerken vermutet Sundermann in der Praxis eher Tauschgeschäfte von E.On, um neue Märkte zu erschließen. Eine Abkehr von besonders gefährlichen und klimaschädlichen Produktionsstätten sei nicht in Sicht. "E.On will mit diesem Schritt das kartellrechtliche Verfahren abschütteln - dabei ist es an der Zeit, dass wir E.On abschütteln", so Sundermann. "Frei nach dem Motto: E wie enteignen." E.On müsse ebenso wie die anderen drei Stromriesen "zerlegt und in demokratisch kontrollierbare Einheiten überführt werden", fordert die Globalisierungskritikerin.

Hempelmann: E.On reagiert auf die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes

Nach Auffassung des energiepolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Hempelmann, belegt der angestrebte Verkauf des E.On-Stromnetzes, "dass der 2005 mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes gesteckte und seither von der Bundesnetzagentur umzusetzende Regulierungsrahmen Wirkung entfaltet. Die Zeiten der Monopolrenditen sind erkennbar vorbei", meint Hempelmann. "Ganz offensichtlich ist das Netzgeschaeft sowohl für kleine als auch für große Netzbetreiber heute deutlich weniger attraktiv als noch vor einigen Jahren. Das bedeutet im Umkehrschluß, dass Politik und Regulierungsbehörden bei ihrem Bestreben, Kostensenkungspotenziale im Netzbereich im Interesse der Verbraucher zu erschließen, Erfolg haben."

"Daneben" hätten spielten für die großen Übertragungsnetzbetreiber "sicherlich auch die Vorschläge der EU-Kommission für eine Eigentumsentflechtung eine wesentliche Rolle, wenn jetzt über Netzverkäufe nachgedacht wird", vermutet Hempelmann. E.On gehe offenbar davon aus, dass eine Eigentumsentflechtung - gegebenenfalls nach mehreren Zwischenschritten - mittelfristig auch hierzulande auf die Unternehmen zukomme und versuche nun, durch frühzeitiges Handeln "möglichst hohe Erlöse" zu erzielen.

Dies sei aus Unternehmenssicht legitim, werfe aber zugleich neue Fragen auf. Eine Eigentumsübertragung allein löse ganz offensichtlich keine Probleme, meint der SPD-Politiker. Negative Auswirkungen auf die Investitonstätigkeit seien dann nicht auszuschliessen, "wenn als Kaufinteressenten der Netze vor allem am kurzfristigen Renditeverlauf interessierte Finanzinvestoren auftreten. Dies und genauso die in einer eigentumsrechtlich komplett entflochtenen Energieversorgungslandschaft zunehmend komplexer werdende Abstimmung von Netz- und Kraftwerkskonfiguration definieren neue Anforderungen, die alle Beteiligten im Auge behalten sollten, wenn in diesen Tagen über die zukünftige Struktur der Energieversorgung in Deutschland und Europa diskutiert wird."

Union wehrt sich gegen Entflechtung und mögliche Verstaatlichung des Stromverbundnetzes

Der Koordinator in Energiefragen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Joachim Pfeiffer, hält weder etwas von den Plänen der EU-Kommission, die großen Energiekonzerne zu entflechten noch das Strom-Verbundnetz zu verstaatlichen, um einen fairen Wettbewerb unter den Stromeinspeisern zu erreichen.

Die Entscheidung von E.On, die die Bundeskanzlerin und den Bundeswirtschaftsminister kalt erwischt hatte, sei "freiwillig" und basiere auf betriebswirtschaftlichen Überlegungen. "Staatlich angeordnete Zwangsveräußerung, am Ende noch verbunden mit einer Verstaatlichung der Netze, wie nun einige fordern, sind dagegen ein Bremsklotz auf dem Weg zu mehr Wettbewerb", meint Pfeiffer.

Der Unionspolitiker wehrt sich die Bestrebungen der EU-Kommission, die "durch den Zwangsverkauf der Netze" mehr Wettbewerb im Energiebinnenmarkt erreichen wolle. Die eigentumsrechtliche Entflechtung sei aber kein Allheilmittel. Bislang bleibe die Kommission auch "den Beweis" schuldig, dass die strickte Trennung von Netz und Produktion zu sinkenden Preisen und mehr Wettbewerb führe, so Pfeiffer.

Deutschland macht sich im Energieministerrat der EU für eine "Dritte Option" in den Verhandlungen zum Dritten Energiebinnenmarktpaket stark. Im Ministerrat sei nun beschlossen worden, diese weitere Option "gleichberechtigt zu behandeln". Nach Auffassung von Pfeiffer ein wichtiger Verhandlungserfolg "gegenüber" der EU-Kommission.

Der deutsche Energiemarkt brauche kurzfristig wirksame Liberalisierungsimpulse. "Die schlagkräftigen Maßnahmen des Bundeswirtschaftsministers, wie Anreizregulierung, Kraftwerksanschlussverordnung und ein verschärftes Kartellrecht, werden in kurzer Zeit mehr erreichen, als in einem langatmigen Verfahren Netz und Produktion zu trennen", so Pfeiffer.

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