Gleichzeitig appellierte Wowereit an die FDP in Hessen, sich einer Beteiligung an einer Koalition mit SPD und Grünen nicht länger zu verweigern, obwohl die Liberalen das vor der Wahl versprochen hatten. "Einer muss umfallen oder sich bewegen oder wie man es immer nennen mag", sagte Wowereit. Sonst gebe es keine regierungsfähige Mehrheit. "Die FDP kann alles entscheiden." Wenn die FDP sich ihrer Verantwortung stelle und die Ampelkoalition eingehe, sei alles klar: "Dann ist das Thema Linkspartei in Hessen überhaupt kein Thema mehr."
Der hessische SPD-Vize Gernot Grumbach sieht inhaltliche Schnittmengen mit der Linken im Landtag. "Vor allem in der Bildungspolitik. Schnittmengen gibt es beim Ausstieg aus der falschen Verkürzung der gymnasialen Schulzeit und der Abschaffung von Studiengebühren", sagte Grumbach der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "Die Welt". Auch bei der Einführung von Mindestlöhnen und in der Energiepolitik sehe er Übereinstimmungen.
Grumbach, der zugleich Vorsitzender des linken Parteibezirks Hessen-Süd ist, nahm die hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti in Schutz. "Diese Debatte über einen Wortbruch ist der taktische Versuch, der SPD in Hessen eine bestimmte Richtung zu verbauen. Die SPD ist in Hessen für einen Politikwechsel gewählt worden. Für den Abbau von Studiengebühren zum Beispiel", sagte Grumbach. Das Problem eines Wortbruchs sei Ypsilanti "durchaus bewusst", aber eben auch bei den Inhalten.
Grumbach räumte ein, dass es in der SPD-Landtagsfraktion "Bedenken von dem einen oder anderen" gegen eine Ministerpräsidentenwahl Ypsilantis mit den Stimmen der Linken gibt. Sie selbst habe jedoch noch nicht entschieden, was sie tun werde. "Am Ende glaube ich aber, dass die Fraktion geschlossen hinter Andrea Ypsilanti stehen wird", sagte Grumbach.
Einzelnen Bundespolitiker der SPD wie auch der Hamburger SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann passt der neue Kurs jedoch nicht. Naumann warf Parteichef Kurt Beck am 28. Februar eine politische "Geisterfahrt" vor. Beck sah keine Anzeichen dafür, dass sich dies auf das mittelgute Ergebnis in Hamburg ausgewirkt habe. Naumann ist da ganz anderer Ansicht. In einem dreiseitigen Schreiben, das er laut stern.de in die SPD-Parteizentrale faxte, beklagte er, dass Becks Spekulationen über mögliche Bündnisse mit der Linken die Hamburger SPD mindestens drei Prozentpunkte gekostet hätten.
Der linke SPD-Abgeordnete Niels Annen meint, "dass der Versuch, die Linkspartei zu dämonisieren, sie zu entzaubern, in den letzten Jahren nicht gelungen" sei. Beck, habe daher "die richtige Antwort" auf die neue Fünf-Parteien-Landschaft gefunden.
Der konservative Seeheimer Kreis übernahm dagegen die Speerspitze des Widerstandes gegen den Vorsitzenden. In einem gemeinsamen Papier der "Prätorianer"-Garde der SPD hieß es am Donnerstag, Becks Öffnungskurs sei "Wortbruch" und ein "strategischer Fehler". Seeheimer-Sprecher Johannes Kahrs forderte den Vorsitzenden via "Bild"-Zeitung gar auf, den Vorstandsbeschluss zum Umgang mit der Linken zurückzunehmen.
Hessische Grüne wollen mit SPD über Regierungsbildung verhandeln Hessens Grüne wollen mit der SPD über den Abschluss einer Regierungsvereinbarung verhandeln. Mit dem Ergebnis solcher Verhandlungen könne man sich dann im Parlament eine Mehrheit suchen, sagten die Landesvorsitzenden der Grünen, Tarek Al-Wazir und Kordula Schulz-Asche, am 28. Februar in Wiesbaden. Sie betonten, die "Spekulationen über rechnerische Mehrheiten und theoretische Möglichkeiten der Regierungsbildung" müssten ein Ende haben. Es sei jetzt an der Zeit, sich um die Inhalte einer neuen Regierungspolitik zu kümmern, um den Wählerauftrag zu erfüllen.
Die Grünen hätten in den vergangenen Wochen mit SPD, CDU, FDP und der Linkspartei Gespräche geführt. Dabei habe sich herausgestellt, "dass die meisten Übereinstimmungen mit der SPD bestehen, es aber auch hier divergierende Vorstellungen gibt", sagten Al-Wazir und Schulz-Asche. Beide warfen der CDU vor, "noch immer nicht" realisiert zu haben, dass sie die Wahl verloren habe. Die FDP bewege sich zudem leider nicht und bleibe bei ihrem strikten Nein zu einer "Ampel"-Koalition.
Einen "Blankocheck" für die Wahl der SPD-Vorsitzenden Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin wollten die Grünen der SPD nicht ausstellen.
Koch: Das "sehr spannende Feld" des Ausbaus der erneuerbaren Energien Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hat seinen Regierungsanspruch erneuert und wirbt dabei verstärkt um die Gunst der Grünen. Zwar gebe es große programmatische Unterschiede zur CDU, sagte Koch am 28. Februar in Wiesbaden. Wenn man sich aber auf das konzentriere, was ein Land leisten könne, gebe es bei den Grünen durchaus "pragmatische Ansätze". Koch verwies dabei auf das "sehr spannende Feld" des Ausbaus der erneuerbaren Energien.
Die SPD, Grüne, Linke wie auch Umweltverbände hatten Koch im Wahlkampf vorgeworfen, Hessen sei "Schlusslicht beim Ausbau der erneuerbaren Energien." Koch setzt politisch auf Atomstrom aus Biblis und auf ein neues Kohle-Großkraftwerk, obwohl Teile seiner eigenen Partei längst für den Ausbau erneuerbarer Energien einschließlich der Windkraft sind.
Die CDU sei bereit, sehr schwierige Gespräche zu führen, so Koch am 28. Februar. "Am Ende werden wir alle gezwungen sein, über unsere Schatten zu springen", so Koch. Zugleich wollte er eine große Koalition mit der SPD nicht ausschließen. Gespräche mit FDP und Grünen könnten "ein größeres Ergebnis geben als ein Gespräch mit der SPD", sagte er. Die CDU werde aber auch mit der SPD weiter reden.
Sobald SPD-Landeschefin Andrea Ypsilanti es für möglich halte, inhaltliche Gespräche zu führen, stehe die CDU bereit, sagte Koch. Voraussetzung dafür sei aber, dass die SPD die Frage der Zusammenarbeit mit der Linkspartei kläre. Die SPD müsse entweder erkennen, dass sie nicht die stärkste Partei sei und eben auch keinen Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten habe, oder Ypsilanti müsse einräumen, dass sie "das im Wahlkampf hundertfach gegebene Wort brechen muss".
Hahn: Keine "Ampel" wegen Schule, Energie und Wirtschaft
Die hessische FDP hat die Gespräche über eine "Ampel"-Koalition im Land für beendet erklärt. "Das Gelb in einer Ampel in Hessen wird es nicht geben", sagte FDP-Landes- und Fraktionschef Jörg-Uwe Hahn am Donnerstag in Wiesbaden. Hahn warf der SPD vor, den Liberalen kein echtes inhaltliches Angebot gemacht zu haben. "Wer verhandeln will, muss inhaltliche Brücken bauen", sagte Hahn. Wenn man Gespräche führen wolle, "stellt man nicht Dinge als gegeben hin". Die SPD sei aber auf die FDP inhaltlich nicht zugegangen und habe in keinem einzigen Punkt ein Angebot gemacht.
Als inhaltliche "k.o."-Faktoren nannte er vor allem die Bereiche Schule, Energie und Wirtschaft. Die FDP wolle das verkürzte Abitur G8 sowie die Schulvielfalt im Land erhalten, die SPD nicht. Bei den Studiengebühren hätte es durchaus Anknüpfungspunkte für eine gemeinsame Politik gegeben, sagte Hahn weiter. "Es wäre doch ein Leichtes gewesen, der FDP wenigstens in diesem einen Punkt entgegen zu kommen", sagte er. Auch bei den Finanzen habe die SPD kein Entgegenkommen signalisiert.
Hahn warf Ypsilanti vor, eine "Ampel"-Koalition nicht wirklich zu wollen, das Werben um die Liberalen nur als Vorwand zur Vorbereitung einer rot-grünen Minderheitsregierung zu betreiben. Dabei werde die FDP aber nicht mitmachen und deshalb "keine Vorbereitungsgespräche zur Bildung einer Ampelkoalition in Hessen führen". Hahn unterstrich zugleich, es gebe "Alternativen, eine Mehrheit in Hessen zu organisieren".
Mit den Grünen und der CDU sei man im Gespräch über Bedingungen für eine "Jamaika"-Koalition. Eine solche Koalition werde es aber "nicht am 5. April" geben, so Hahn. Sie könne sich nur in langsamem Herantasten unter einer geschäftsführenden CDU-Regierung entwickeln.
Schleswig-holsteinische SPD stellt Zusammenarbeit mit Linkspartei in Aussicht Als erster westdeutscher Landesverband hat sich die schleswig-holsteinische SPD offen für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgesprochen. "Rot-grüne Koalitionen werden immer unrealistischer. Daher müssen wir versuchen, die Linkspartei mit einzubinden", sagte Landesparteivize Andreas Breitner der "Bild"-Zeitung. "Sollte die Linkspartei in den Landtag einziehen, wird die SPD sie als politischen Faktor ernst nehmen und Gespräche führen."
Nach einem Bericht der Zeitung könnte es bereits nach der Kommunalwahl am 25. Mai zu einer engen Zusammenarbeit von SPD und Linkspartei kommen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag, Holger Astrup, sagte der Zeitung: "Wir sehen die Linkspartei sehr gelassen. Nach der Kommunalwahl wird vor Ort zu entscheiden sein, ob eine Zusammenarbeit mit den jeweiligen Mitgliedern der Linkspartei möglich ist oder nicht."