Informationskampagne
- Umweltschützer beklagen erneut Verwundbarkeit von Atomanlagen
- Friedens- und Umweltgruppen fordern sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke
- Schwere Vorwürfe gegen bayerisches Atomkraftwerk Gundremmingen
- Grüne fordern Konsequenzen aus Krebsstudie
- Französischem Atomkraftgegner droht Haft wegen Öffentlichkeitsarbeit
- Kinderärzte fordern schnelles Handeln wegen Kinderkrebs um Atomkraftwerke
- Ex-Umweltminister Klaus Töpfer mal für und mal gegen Atomkraftwerke
- IPPNW zweifelt an Seriosität der Strahlenschutzkommission
- Atomkraftgegner umringen RWE-Zentrale mit Großwerbeflächen
- Bürgermeister aus Bulgarien und Rumänien wenden sich an RWE-Aufsichtsrat
- RWE-Vorstand brüskiert Aufsichtsrats-Mehrheit wegen Atomkraftwerk Belene
- Unruhe nach neuem Leukämiefall bei Atomanlagen
- Gefahren der Atomkraft - Ethik-Kommission fordert Uralt-Atomkraftwerke vom Netz
Für Mitinitiatorin Kathrin Vogler (Bund für Soziale Verteidigung) hätten die schrecklichen Bombenanschläge in London erneut gezeigt, wie gefährdet moderne Gesellschaften gegenüber dieser Art von Bedrohung seien. Die meisten Atomkraftwerke seien gegenüber Flugzeugabstürzen nur unzureichend gesichert. "Nur abgeschaltete Atomkraftwerke sind keine potenziellen Atombomben in der Hand von Terroristen."
Über die Sicherheit von Atomkraftwerken ist seit den Anschlägen vom 11. September 2001 heftig diskutiert worden. Erstes Ergebnis war im Frühjahr 2004 die Ankündigung der großen Kraftwerksbetreiber EON, EN-BW, RWE und Vattenfall, mittels Phosphornebels, das von Rheinmetall geliefert werden würde, ihre Kraftwerke vor Angriffen zu schützen. Bundesumweltminister Trittin hielt das für nicht ausreichend.
Weiterhin fordert die Initiative aus der Friedens-und Umweltbewegung nach Angaben von Kathrin Vogler, dass ein Atomwaffenverzicht im Grundgesetz verankert wird. Ein erster Schritt dazu wäre der sofortige Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland und den Ausstieg der Bundesregierung aus der "atomaren Teilhabe" im Rahmen der Nato.
"Bei den Bundestagswahlen im September" - so Vogler weiter - "kann jeder die kandidierenden Parteien und Politiker daraufhin testen, ob sie diese Forderung umsetzen werden. Wir raten allen Menschen, zu ökologischen Stromanbietern zu wechseln, die keinen Atomstrom ins Netz einspeisen. So kann man dazu beitragen, dass alternative Energien stärker werden."
Umweltschützer beklagen erneut Verwundbarkeit von Atomanlagen
Atomkraftwerke wegen Terrorismus schließen
Internationale Umweltgruppen haben erneut die Schließung von Atomkraftwerken wegen möglicher Terrorgefahr gefordert. Greenpeace hat übersetzte Zusammenfassungen des alarmierenden deutschen Berichtes über die Gefahren von terroristischen Angriffen auf AKW an nationale Behörden für nukleare Sicherheit in 30 anderen Staaten geschickt. Sie forderten die jeweiligen Regierungen auf, ähnliche Studien zu erarbeiten.
Schwedische und dänische Umweltgruppen haben die Herausgabe von Hintergrundberichten und Dokumenten zu einer kürzlich veröffentlichten amtlichen Studie gefordet, die besagt, dass schwedische Reaktoren einem Flugzeugabsturz überstehen könnten. Große Sicherheitslücken beim Transport von waffenfähigem Plutonium in Frankreich und damit enorme Umwelt- und Gesundheitsrisiken hat Greenpeace International in einer weiteren Studie festgestellt. In dem Bericht heißt es, dass die Transporte der staatseigenen Areva/Cogema, die Paris und Lyon durchqueren, sowohl anfällig für schwere Verkehrsunfälle als auch für terroristische Attacken sind.
Die Behälter könnten weder hohen Temperaturen noch lang andauernder Hitze widerstehen. Die Tatsache, dass die Transporte regelmäßig alle 7-10 Tage auf derselben Route unterwegs seien, mache die Sache nicht besser, kritisierte Greenpeace. Eine Attacke durch Terroristen würde in diesem dicht besiedelten Gebiet verheerende Folgen haben. Frankreich verfüge nicht einmal über einen Sicherheitsplan für den nuklearen Notfall.
Am 30-03-2004
Friedens- und Umweltgruppen fordern sofortige Abschaltung der Atomkraftwerke
Informationskampagne
In einem bundesweit erscheinenden Informationsblatt fordern Gruppen der Friedens- und Umweltbewegung gemeinsam ein sofortiges Abschalten aller Atomkraftwerke. Rechtzeitig vor den Gedenktagen an die Atombombenabwüfe auf Hiroshima und Nagasaki wollen die über 40 unterstützenden Gruppen interessierten Menschen auch konkrete Tipps geben, was auch der oder die Einzelne für ein Ende des Atomzeitalters tun kann.
Für Mitinitiatorin Kathrin Vogler (Bund für Soziale Verteidigung) hätten die schrecklichen Bombenanschläge in London erneut gezeigt, wie gefährdet moderne Gesellschaften gegenüber dieser Art von Bedrohung seien. Die meisten Atomkraftwerke seien gegenüber Flugzeugabstürzen nur unzureichend gesichert. "Nur abgeschaltete Atomkraftwerke sind keine potenziellen Atombomben in der Hand von Terroristen."
Über die Sicherheit von Atomkraftwerken ist seit den Anschlägen vom 11. September 2001 heftig diskutiert worden. Erstes Ergebnis war im Frühjahr 2004 die Ankündigung der großen Kraftwerksbetreiber EON, EN-BW, RWE und Vattenfall, mittels Phosphornebels, das von Rheinmetall geliefert werden würde, ihre Kraftwerke vor Angriffen zu schützen. Bundesumweltminister Trittin hielt das für nicht ausreichend.
Weiterhin fordert die Initiative aus der Friedens-und Umweltbewegung nach Angaben von Kathrin Vogler, dass ein Atomwaffenverzicht im Grundgesetz verankert wird. Ein erster Schritt dazu wäre der sofortige Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland und den Ausstieg der Bundesregierung aus der "atomaren Teilhabe" im Rahmen der Nato.
"Bei den Bundestagswahlen im September" - so Vogler weiter - "kann jeder die kandidierenden Parteien und Politiker daraufhin testen, ob sie diese Forderung umsetzen werden. Wir raten allen Menschen, zu ökologischen Stromanbietern zu wechseln, die keinen Atomstrom ins Netz einspeisen. So kann man dazu beitragen, dass alternative Energien stärker werden."
Am 29-07-2005
Schwere Vorwürfe gegen bayerisches Atomkraftwerk Gundremmingen
"Häufung missgebildeter Kinder"
Der Bund Naturschutz (BN) erhebt schwere Vorwürfe gegen den Betrieb des bayerischen Atomkraftwerks Gundremmingen bei Ulm. "Tricksen und Vertuschen" sei "die bevorzugte Kommunikationsform" auch in Bayern. Zentrale Probleme des Reaktorbetriebs seien bis heute nicht aufgeklärt, kritisiert der Vorsitzende des Bund Naturschutz, Hubert Weiger. "Nie aufgeklärt wurde eine massive Häufung missgebildeter Kinder in den Landkreisen östlich von Gundremmingen." Deren Auftreten sei zeitlich mit dem Betrieb des Reaktors Gundremmingen A zusammen gefallen. Die Bayerische Staatsregierung hätte eine Studie veröffentlicht, "wonach es sich um tausende registrierter Fälle handelte, über den langjährigen Durchschnitt hinaus".
Die Genehmigungsbehörden hätten danach aber "jede Nachforschung unterbunden", schließlich sogar die Erhebung in Frage gestellt.
Auch sei die Havarie des damals noch vergleichsweise neuen Reaktors Gundremmingen A im Januar 1977 nie öffentlich aufgeklärt worden. Stattdessen sei der irreparabel geschädigte Atommeiler drei Jahre später "klammheimlich stillgelegt" worden.
Im Jahr 2001 stiegen nach Angaben der Umweltschützer die radioaktiven Abgaben der Gundremminger Reaktoren um das Vierfache an, "ohne dass jemals eine Erklärung dafür bekannt gegeben wurde", so die Umweltschützer.
Im Mai 2007 schließlich habe man in Gundremmingen ein undichtes Brennelement entdeckt, das 11 Tage später gemeldet, aber nicht ausgetauscht worden sei. Bis zum Brennelementewechsel im Juli 2007 seien zwei weitere undichte Brennelemente hinzu gekommen.
Trotz all dieser nach Auffassung der Umweltschützer "ungeklärten Vorfälle" hätten die Reaktorbetreiber im Zuge des Atomkonsenses die sofortige Genehmigung für den Bau "eines riesigen Atommüllzwischenlagers mit ungewisser Zukunft" erhalten.
Mit dem "Atomkonsens" habe die damalige Bundesregierung im Jahr 2000 den Stromkonzernen "weitgehende Freiheiten" zugestanden. So seien die Atommüllzwischenlager als 40 Jahre dauernde "Entsorgung" akzeptiert worden. Auch könnten die Atomkonzerne weiterhin "steuerfrei" über die Rücklagen zur Entsorgung - schätzungsweise 35 Milliarden Euro - verfügen. Die Haftung für große Reaktorunfälle übernehme der Staat.
Weiterhin habe die Bundesregierung der Atomindustrie zugesichert, dass "der ungestörte Betrieb" gewährleistet werde. Dies erkläre auch, warum ein Zwang zur Nachrüstung der Sicherheit nach den Anschlägen des 11. September ausgeblieben sei.
Der Bund Naturschutz fordert eine "Stillegung aller Atomkraftwerke vor der nächsten Reaktorkatastrophe, also sofort".
Am 20-07-2007
Grüne fordern Konsequenzen aus Krebsstudie
Krebs und Leukämie um Atomkraftwerke
Die Grünen-Bundestagsfraktion fordert Konsequenzen aus der Studie über gehäufte Krebserkrankungen von Kindern in der Nähe von Atomkraftwerken. Der forschungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Hans-Josef Fell, verlangte am 13. Dezember in einer Aktuellen Stunde des Bundestages von den Reaktorbetreibern den Nachweis, dass die Erkrankungen nicht mit dem laufenden Betrieb zusammenhingen. Sollte dies nicht gelingen, müssten die Atommeiler stillgelegt werden. Fell forderte ferner weitere Untersuchungen nach potenziellen Gefahren für Erwachsene.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hatte eine Studie vorgelegt, wonach die Häufigkeit von Krebserkrankungen bei Kindern unter fünf Jahren mit der Nähe zu Standorten von Atomkraftwerken zunimmt. Eine Ursachenklärung war nicht Gegenstand der Untersuchung.
Umwelt-Staatssekretär Müller: Die Strahlenschutz-Grenzwerte müssen überprüft werden
Umwelt-Staatssekretär Michael Müller (SPD) betonte in der Aktuellen Stunde ebenso wie andere Politiker das Vorsorgeprinzip. Außerdem erklärte er, dass die Strahlenschutz-Grenzwerte überprüft werden müssten.
Reinhold Thiel, der als Sprecher der Ulmer Ärzteinitiative die Kinderkrebsstudie vor Jahren mit auf den Weg gebracht hat, begrüßte diese Ankündigung. Damit würden zwei zentrale Forderungen der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW von der Politik aufgegriffen. Der europa- und verfassungsrechtliche Grundsatz der Risikovorsorge bedeute im Klartext: "Im Zweifelsfall für die Opfer und nicht für die wirtschaftlichen Interessen von vier Atomkonzernen", so Thiel.
Auch sei die Ankündigung des Umweltstaatssekretärs erfreulich, dass nun die deutschen Strahlenschutz-Grenzwerte auf den Prüfstand gestellt würden. Denn das Risiko der Radioaktivität werde von den Behörden bislang vermutlich deutlich unterschätzt, so Thiel.
So habe das EU-Forschungsprojekt "Soul" seinem Leiter Dr. Peter Jacob vom GSF Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit zufolge etwa 4mal höhere Strahlenschäden in der Umgebung der russischen Atomwaffenschmiede Majak festgestellt als nach dem Risikomodell, das der deutschen Strahlenschutzverordnung zugrunde liege, zu erwarten wären. Das bedeutet nach Auffassung der IPPNW, "dass die deutschen Strahlenschutzgrenzwerte offensichtlich zu hoch angesetzt sind". Auch sei inzwischen "weitgehend unstrittig, dass es für die gesundheitlichen Auswirkungen von Radioaktivität keinen Schwellenwert" gebe.
Pflugbeil: Andere mögliche Ursachen als die Radioaktivität wurden durch eine zusätzliche Fall-Kontrollstudie ausgeschlossen
Der Strahlenschutz-Experte Sebastian Pflugbeil, der als Mitglied des Expertengremiums die aktuelle Studie des Deutschen Kinderkrebs-Registers in Mainz jahrelang wissenschaftlich begleitete, widersprach der vielfach geäußerten These, die Studie gebe keine Hinweise für einen Kausalzusammen zwischen den radioaktiven Emissionen aus Atomkraftwerken und der erhöhten Krebsrate. Laut Pflugbeil wurde "in einer zusätzlich durchgeführten Fall-Kontrollstudie geprüft, ob sich das Hauptergebnis der Studie, eine signifikante Abstandsabhängigkeit der Risikos, auch durch andere mögliche Einflussfaktoren (Confounder) erklären lässt".
Einen solchen Confounder habe man aber nicht gefunden, so Pflugbeil. "Die Forscher vom Mainzer Kinderkrebsregisters stellten fest, dass lediglich der Abstand zu den Atomkraftwerken signifikante Ergebnisse lieferte", so Pflugbeil. "Wenn man davon ausgeht, dass die radioaktive Belastung ebenso mit der Entfernung abnimmt wie das beobachtete Risiko, liegt der Schluss nahe, dass die Ursache der erhöhten Krebsraten in den radioaktiven Emissionen aus den Atomkraftwerken zu suchen ist."
Am 13-12-2007
Französischem Atomkraftgegner droht Haft wegen Öffentlichkeitsarbeit
Neues Atomkraftwerk offenbar durch Flugzeugabsturz gefährdet
Die Öffentlichkeit sollte das eigentlich nicht erfahren: Das von Siemens mitentwickelte neue finnische Atomkraftwerk Olkiluoto-3 hält offenbar dem Absturz eines Linienflugzeugs nicht Stand. Mit dem Atomkraftwerk vom Typ "Europäischer Druckwasser-Reaktor (EPR) scheint auch das neue Flaggschiff von Siemens und AREVA, das eigentlich gegen alle Risiken gefeit sein sollte, gefährliche Schwachstellen aufzuweisen. Weil der Sprecher des französischen Antiatom-Netzwerks "Reseau Sortir du Nucleaire", Stephane Lhomme, ein entsprechendes Geheimgutachten zu Flugzeugabstürzen auf Atomkraftwerke veröffentlicht hat, droht ihm nun eine Freiheitsstrafe. Die deutsche Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg reagierte empört. Nach zehn Stunden Ingewahrsamnahme und Verhör durch den Geheimdienst DST sei Lhomme in der vergagenen Woche mit der Androhung von fünf Jahren Gefängnis und Zahlung von 75.000 Euro wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
"Die Affäre um die Geheimhaltung brisanter öffentlicher Sicherheitsbelange zeigt beschämend die Gradwanderung zwischen Atomkraftnutzung und demokratischer Rechte mündiger Bürger", sagte ein Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. "Statt unseren Freund und Mitstreiter Stephane Lhomme zu kriminalisieren, sollte die öffentlich nachvollziehbare kritische Auseinandersetzung mit den riskanten Fakten der Atomenergienutzung betrieben werden." Die deutsche Bürgerinitiative, die Mitglied in dem französischen Antiatom-Netzwerk ist, fordert die französische Regierung auf, Sorge dafür zu tragen, dass die Ermittlungen gegen Lhomme eingestellt werden.
Die BI ist seit Jahren Mitglied im französischen Netzwerk mit über 650 Umweltinitiativen und entsendet Delegierte zu den Jahreshauptversammlungen. Die Mitgliederversammlung der BI, die am 29. März im wendländischen Trebel tagte, erklärt sich solidarisch mit Stephane Lhomme und kündigt an, das Gutachten auch in Deutschland der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Am 31-03-2008
Kinderärzte fordern schnelles Handeln wegen Kinderkrebs um Atomkraftwerke
Entschädigung für Familien
Wenige Tage vor dem 22. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl haben der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die Ärzteorganisation IPPNW und eine Initiative von über 100 Kinderärzten in einem dringenden Appell an die Bundesregierung Sofortmaßnahmen zur Verhinderung weiterer Kinderkrebserkrankungen im Umfeld deutscher Atomkraftwerke verlangt. Die Ende letzten Jahres veröffentlichte Studie des Deutschen Kinderkrebsregisters in Mainz habe belegt, dass es im Umfeld deutscher Atomkraftwerke eine deutlich erhöhte Zahl von Kinderkrebserkrankungen gebe. Die Studie zeige auch, dass die Zahl der Krebserkrankungen mit der Nähe des Wohnortes von Säuglingen und Kindern zum AKW ansteigt. Eine bislang unveröffentlichte Qualitätsprüfung der Mainzer Kinderkrebs-Studie, die im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) von den Professoren Karl-Heinz Jöckel, Eberhard Greiser und Wolfgang Hoffmann durchgeführt wurde, stütze inzwischen dieses Ergebnis. Das Problem sei jedoch weit dramatischer, als von den Autoren der Kinderkrebsstudie kommuniziert. Fast die Hälfte der Kinderkrebserkrankungen im Umkreis von fünf Kilometern um ein Atomkraftwerk gehe darauf zurück, dass sie in der Nähe des Atomkraftwerks aufwuchsen. Im Zeitraum von 1980 bis 2003 erkrankten in Deutschland demnach zwischen 121 und 275 Säuglinge und Kleinkinder zusätzlich an Krebs. Die Autoren der Studie hatten dagegen von höchstens 29 zusätzlichen Fällen gesprochen.
Die Qualitätsprüfung bewerte außerdem den kausalen Zusammenhang zwischen der AKW-Strahlung und den Kinderkrebsfällen neu. Ergebnis: Die radioaktiven Emissionen aus den Atomanlagen könnten keineswegs als Erklärung für das erhöhte Krebsrisiko bei Säuglingen und Kleinkindern in ihrer Nähe ausgeschlossen werden. Sie stellten im Gegenteil "die bislang plausibelste Erklärung" dar.
Nach Auffassung der Vorsitzenden der Ärztorganisation IPPNW, Angelika Claußen, darf der Zusammenhang zwischen Atomkraftwerken und Kinderkrebsfällen nicht länger geleugnet werden. Die Kinderkrebsstudie habe die Entfernung des Wohnortes der Kinder zum Atomkraftwerk ersatzweise als Bezugsgröße für die anzunehmende radioaktive Belastung angesetzt, um einen Zusammenhang zwischen Erkrankungsrate und Radioaktivität zu überprüfen.
"Berücksichtigt man die wissenschaftlichen Hinweise über die besonders hohe Strahlenempfindlichkeit ungeborenen Lebens, von Säuglingen und Kleinkindern, dann ist dieser Zusammenhang auch strahlenbiologisch einleuchtend", so Claußen. Ernsthafte Hinweise für erhöhte Raten von Krebserkrankungen in der Nähe von Atomkraftwerken gebe es seit über zwanzig Jahren "und seit acht Jahren liegen belastbare Beweise vor", so Claußen. Die Bundesregierung müsse jetzt endlich handeln.
Der Herforder Kinder- und Jugendarzt Winfrid Eisenberg forderte im Namen von mehr als 100 Kinderärzten von der Bundesregierung "eine schnellstmögliche Risikovorsorge. Wir fordern, die bisherigen regierungsamtlichen Annahmen zum Strahlenrisiko und die daraus abgeleiteten Emissionsgrenzwerte für radioaktive Abgaben zu überprüfen", so Eisenberg. Die Emissionsgrenzwerte müssten an den internationalen Forschungsstand angepasst werden. "Ausschlaggebend dabei müssen der Gesundheitsschutz und die Risikovorsorge für jene sein, die am strahlenempfindlichsten sind, also Embryos, Feten, Säuglinge und Kleinkinder." Die heutige Praxis der Emissionsmessungen müsse "durch neutrale Gutachter" überprüft werden. In der Nähe von Atomkraftwerken müssen nach Auffassung der Atomkraftgegner zudem "lückenlose und exakte amtliche Messungen der Radioaktivität durchgeführt werden".
Für den BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger sind die neuen Erkenntnisse "dramatisch". Nicht erst von explodierenden Atomkraftwerken wie im Falle Tschernobyls gingen enorme gesundheitliche und ökologische Risiken aus. "Die Gesundheitsgefährdung im sogenannten Normalbetrieb der Reaktoren ist ein akuter Grund, alle Atomkraftwerke sofort stillzulegen", so Weiger.
Er forderte zudem eine Umkehr der Beweislast. "Solange die Betreiber der Atomkraftwerke nicht ausschließen können, dass ihre Reaktoren für die Kinderkrebsfälle verantwortlich sind, müssen die Atomkraftwerke allein schon deshalb vom Netz genommen werden", fordert der BUND-Vorsitzende. "Und die Stromkonzerne müssen jene Familien finanziell entschädigen, die mit ihren Kinder nicht mehr in der Nähe von Atomkraftwerken wohnen wollen."
Die Vorsitzende der atomkritische Ärzteorganisation IPPNW, Angelika Claußen, sagte, mit der Studie des Kinderkrebsregisters habe die These, dass Atomkraftwerke auch im Normalbetrieb krank machten, "höchste wissenschaftliche epidemiologische Weihen erhalten". Sie kritisierte, dass die Autoren dieser Studie jedoch keinen Zusammenhang zwischen den Kraftwerken und den vermehrten Kinderkrebserkrankungen gesehen hätten.
Der Herforder Kinderarzt Winfrid Eisenberg als Vertreter einer Initiative von mehr 100 Kinderärzten forderte eine Überprüfung und Anpassung der Emissionsgrenzwerte für radioaktive Abgaben. Dabei müsse der Gesundheitsschutz für diejenigen ausschlaggebend sein, die am strahlenempfindlichsten seien, also Embryos, Feten, Säuglinge und Kleinkinder.
Am 22-04-2008
Ex-Umweltminister Klaus Töpfer mal für und mal gegen Atomkraftwerke
Für Klimaschutz und neue Kohlekraftwerke
Der frühere Chef des UN-Klimareferats, Klaus Töpfer, hat die Bundesregierung zu stärkeren Anstrengungen beim Klimaschutz aufgerufen. "Künftig muss sicher noch nachgelegt werden", sagte Töpfer der "Rheinischen Post". "Das gilt für Mobilität, Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Die Bundesregierung hat die Aufgabe, sicherzustellen, dass Deutschland Technologieführer bleibt." Der CDU-Politiker und einstige "Atomminister" sprach sich für neue Kohle- und Atomkraftwerke aus. Im März 2007 hatte sich Töpfer noch gegen zahlreiche neue Atomkraftwerke ausgesprochen. Töpfer hatte damals auf einer Veranstaltung des Siemens-Konzerns der Atomenergie als Lösung für die Klimaprobleme eine klare Absage erteilt.
Der CDU-Politiker war am 21. März in München Hauptredner des SiemensForums mit dem Titel "Nachhaltiges Wirtschaften im Zeichen des Klimawandels". Laut Töpfer bräuchte man weltweit rund 3000 neue Atomkraftwerke und wegen der Uranknappheit zudem noch einen Einstieg in die Brütertechnologie, um die Klimaprobleme mit Atomenergie wirksam zu bekämpfen. So stelle er sich die Zukunft für seine Enkelkinder nicht vor, sagte der CDU-Politiker 2007, der Jahre zuvor als Umweltminister noch Stilllegungs-Forderungen für Atomkraftwerke zurückgewiesen hatte. Die auf der Veranstaltung anwesenden Siemensianer waren sprachlos. Die Siemens-Beteiligungsgesellschaft AREVA ist der weltweit führende Anbieter von Atomkraftwerken.
Gegenüber der "Rheinischen Post" riet Töpfer nun um Juni 2008 deutschen Unternehmen und Wissenschaftlern dazu, beim Bau von Atomkraftwerken aktiv zu bleiben: "Wir sollten uns Gedanken machen, ob wir als technologisch führendes Land bei der Weiterentwicklung der Kernenergie, in der Forschung und beim Bau von Reaktoren und deren Sicherheit nicht dabei bleiben sollten". Je nach Kontext plädiert Töpfer also mal für und mal gegen die Atomenergie.
Auch neue Kohle-Großkraftwerke sind für den ehemaligen Umweltminiister eine Klimaschutzmaßnahme. Töpfer nannte es "beunruhigend", dass aufgrund von Bürgerprotesten der Bau von neuen Kohlekraftwerken in Deutschland gebremst werde. "Hier wird gegen neue, effiziente Kohlekraftwerke protestiert. Solche Kraftwerke sollten gebaut werden, wenn sie auf Kraft-Wärme-Kopplung setzen, wenn sie den CO2-Ausstoß mindern und wenn sie alte Dreckschleudern ersetzen."
Am 16-06-2008
IPPNW zweifelt an Seriosität der Strahlenschutzkommission
Kinderkrebs um Atomkraftwerke
Vor dem Hintergrund der Kinderkrebs-Fälle um deutsche Atomkraftwerke fordert die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) dazu auf, die bestehenden Strahlenschutzgrenzwerte "an den tatsächlichen Stand des Wissens über Niedrigstrahlung anzupassen und hierbei das Vorsorgeprinzip anzuwenden, wonach im Zweifelsfall Grenzwerte drastisch abzusenken sind". Laut IPPNW weisen die Experten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) die Auffassung der Strahlenschutzkommission (SSK) zurück, die aus Atomkraftwerken freigesetzten Radionuklide könnten nicht die Ursache für die vermehrte Krebshäufigkeit sein. In ihrer fachlichen Stellungnahme vom 9. Oktober schreibt das BfS über die jüngste SSK-Stellungnahme zur Kinderkrebs-Studie: "Mögliche Unsicherheiten zum Stand des gegenwärtigen Wissens werden im Bewertungsbericht der SSK nicht diskutiert." Die IPPNW zweifelt wegen widersprüchlicher Aussagen inzwischen an der Seriosität der Strahlenschutzkommission.
Die Meinung, dass radioaktive Strahlung "grundsätzlich nicht" oder dass Strahlung nicht kausal mit dem Anstieg des Erkrankungsrisiko in Zusammenhang stehe, "werden allerdings vom BfS in dieser Stringenz nicht geteilt", so das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS). Es falle schwer nachzuvollziehen, auf welcher fachlichen Grundlage "ein Umweltfaktor mit nachgewiesenen leukämogenem bzw. karzinogenem Potential wie Strahlung" von der weiteren Diskussion "grundsätzlich" ausgeschlossen werde "und stattdessen über unbekannte Umweltfaktoren spekuliert wird", monieren die Fachleute des Bundesamtes für Strahlenschutz.
Thiel: Die SSK-Stellungnahme ist unseriös
Die IPPNW hält es für "abwegig, die nachweislich krebsauslösende Wirkung inkorporierter radioaktiver Partikel in Frage zu stellen", wie es der Tenor der SSK-Stellungnahme impliziere. "Wir haben massive Zweifel an der Unabhängigkeit der Strahlenschutzkommission", so Reinhold Thiel von der IPPNW. "Die SSK-Stellungnahme ist nicht seriös."
Nach Auffassung der IPPNW geht es nicht an, dass der Vorsitzende der Strahlenschutzkommission, Professor Dr. Rolf Michel, Journalisten gegenüber behaupte, als Ursache kämen Pestizide in Betracht, obwohl das Mainzer Kinderkrebsregister, das die Kinderkrebsstudie (KiKK-Studie) durchgeführt hat, mit einer zusätzlich durchgeführten Fall-Kontrollstudie Pestizide als Ursache verneint habe. "Herr Michel hat mit seinen Äußerungen gegenüber der Öffentlichkeit eine Grenze überschritten. Mit seriöser Wissenschaft hat das nichts zu tun", so Thiel.
Die IPPNW kann auch das Verhalten des Vorsitzenden der zuständigen SSK-Arbeitsgruppe, dem Strahlenbiologen Professor Dr. Wolfgang-Ulrich Müller von der Universität Essen, nicht nachvollziehen. "Herr Müller kann nicht einerseits in der aktuellen SSK-Stellungnahme die Radioaktivität aus Atomkraftwerken als Ursache für die Krebserkrankungen mit Sicherheit ausschließen, andererseits aber auf dem 13. Deutschen Atomrechtssymposium im Dezember 2007 erklären, dass man das wirkliche Ausmaß des Krebsrisikos im Dosisgrenzwertbereich unseres Strahlenschutzsystems überhaupt nicht kenne", moniert die Ärzteorganisation.
Professor Müller habe zudem auf einem Fachkongress des Bundesumweltministeriums am 19. Juni 2007 in Berlin ausführlich dargelegt, über welche biologische Mechanismen selbst niedrigste Strahlendosen zu Krebs führen können. Es ist nach Auffassung der IPPNW "nicht hinnehmbar, dass Herr Müller in der SSK-Stellungnahme auf diese Forschungsergebnisse mit keinem Wort eingeht".
Am 10-10-2008
Atomkraftgegner umringen RWE-Zentrale mit Großwerbeflächen
Erdbeben legte japanisches Atomkraftwerk lahm
In der Auseinandersetzung um die mögliche Beteiligung des Energiekonzerns RWE an dem geplanten Atomkraftwerk Belene in Bulgarien gingen Atomkraftgegner am Dienstag (2. Dezember) in die Werbe-Offensive: Auf Großwerbeflächen rund um die Konzernzentrale in Essen warnen sie vor den Plänen von RWE-Chef Jürgen Großmann, in Belene zu investieren. Ferner kritisieren die Umweltschützer eine mögliche Beteiligung von RWE am Atomkraftwerk Cernavoda in Rumänien, das ebenfalls in einem Erdbebengebiet liegt. Vor dem Hintergrund aktueller Erfahrungen in Japan glauben sie nicht an die von RWE behauptete "sichere Beherrschung" der Erdbebenrisiken.
Atomkraftwerke gehören nach Auffasssung von Christoph Bautz vom Online-Netzwerk Campact "einfach nicht in Erdbebengebiete". Das zeige das Beispiel Kashiwazaki-Kariwa in Japan: Dort gebe es viel Erfahrung mit Erdbeben "und trotzdem waren die Kraftwerksbetreiber beim schweren Beben im Juli 2007 fürchterlich überrascht, weil Bodenbeschleunigungen auftraten, die die offiziell angenommenen Extrema für diesen Standort um das Zweieinhalbfache überschritten haben. Bis heute steht das Kraftwerk still", so Bautz.
"Wegen solcher Risiken hat Konzernchef Jürgen Großmann Probleme, das Projekt im Aufsichtsrat zu verkaufen", so Heffa Schücking von der Umweltorganisation Urgewald. "Bisher hat er dort keine Mehrheit für Belene." Deshalb führen man die Kampagne "FINGER WEG" weiter und fordere zu weiteren Protesten auf. "Wir wollen RWE klarmachen wie groß das Risiko von Projekten wie Belene und Cernavoda für den Ruf des Konzerns ist", so Schücking. Schließlich hätten bislang schon rund 20.000 Menschen direkt bei Herrn Großmann protestiert und 15.000 bei den Aufsichtsräten von RWE. Mit den Plakatwänden wollen die Atomkraftgegner nun zusätzlich "direkt Menschen auf der Strasse ansprechen".
RWE will 1,5 Milliarden Euro in den Bau des Atomkraftwerks Belene in Bulgarien investieren. Der Konzern bewirbt sich außerdem um eine Beteiligung an den Atomkraftwerksblöcken Cernavoda-3 und -4 im Süden Rumäniens. Beide Projekte wurden zu Sowjetzeiten geplant und nach der Wende verworfen. Sie liegen in einer Region, in der regelmäßig starke Erdbeben stattfinden und gelten deshalb als zwei der risikoreichsten Atomprojekte, die derzeit in Europa geplant sind.
Das Belene Projekt steht kurz vor einer Entscheidung bei RWE. 1983 warnten selbst sowjetische Wissenschaftler vor dem Bau dieses Atomkraftwerks. Selbst der ehemalige Chef der bulgarischen Atomaufsicht, Georgui Kastchiev, kritisiert das Projekt.
Am 02-12-2008
Bürgermeister aus Bulgarien und Rumänien wenden sich an RWE-Aufsichtsrat
Protest gegen geplantes Atomkraftwerk Belene
Auf der RWE-Aufsichtsratsitzung am kommenden Donnerstag wird erneut über eine mögliche Beteiligung des deutschen Energiekonzerns an dem bulgarischen Atomkraftwerk Belene verhandelt. Im Vorfeld der Sitzung wandten sich nun bulgarische und rumänische Bürgermeister an die deutschen Aufsichtsräte und protestierten gegen den geplante Atomkraftwerks-Neubau. Da der Standort für Belene dicht an der Grenze zu Rumänien liegt, zählt auch der Präsident der Union rumänischer Kreisräte, Liviu Dragnea, zu den Absendern. Er schreibt: "Wir wollen nicht jeden Tag mit der Angst vor einem neuen Tschernobyl leben."
"Mit den Briefen aus Bulgarien und Rumänien erhalten die RWE-Aufsichtsräte nun weitere Argumente um diese Investition kippen", meint Heffa Schücking von der Umweltorganisation urgewald. Die Atomabenteuer, die RWE-Chef Jürgen Großmann im Ausland plane, seien "gefährlich und unüberlegt". Und sie bedeuteten für den Konzern einen erheblichen Imageschaden. "Hier muss der Aufsichtsrat ein Machtwort sprechen", fordert Schücking, die auf die kommunalen Anteilseigner und die Gewerkschafter im Aufsichtsrat hofft.
Im November 2008 trafen sich bulgarische Bürgermeister, Stadträte und Parlamentarier in der Stadt Svishtov, nahe am geplanten Atomkraftwerks-Standort. Sie stammen aus einem Umkreis von 100 Kilometern um Belene und wenden sich nun mit einem Brief direkt an die RWE-Aufsichtsräte. Sie kritisierten, dass die Meinung der lokalen Behörden und der lokalen Bevölkerung vor der Entscheidung für Belene nicht erfragt wurde.
Die Bürgermeister und Stadträte sorgen sich sowohl wegen des Erdbebenrisikos als auch der ungeklärten Frage der radioaktiven Abfallentsorgung. Vor allem befürchten sie negative Folgen für die regionale Wirtschaft, die vornehmlich von Landwirtschaft und Tourismus lebt.
Auch in Rumänien regt sich Widerstand: Der Kreis Teleorman mit 450.000 Einwohnern liegt direkt an der Grenze zu Bulgarien. Dort herrschen Bedenken wegen der Umweltauswirkungen des Atomkraftwerkes. Kreistagspräsident Dragnea fordert von RWE daher einen Rückzug aus dem Projekt.
Der weltberühmte bulgarisch-stämmige Literaturpreisträger Ilija Trojanow warnte den RWE-Aufsichtsrat davor, das Ausmaß der "Korruption und Kleptokratie" im bulgarischen Atomsektor zu unterschätzen. Und: "Seien Sie versichert, dass etwaige Profiterwartungen im Laufe der Jahre so konsequent nach unten korrigiert werden, dass auch RWE letztendlich zu den Verlierern zählen wird."
Am 09-12-2008
RWE-Vorstand brüskiert Aufsichtsrats-Mehrheit wegen Atomkraftwerk Belene
Morddrohungen gegen Atomkraftgegner
Am vergangenen Freitag (19. Dezember) hat das RWE-Management offenbar einen Vertrag zum Bau des Atomkraftwerks Belene in Bulgarien abgeschlossen, obwohl es im RWE-Aufsichtsrat für das Vorhaben zuletzt keine Mehrheit gab. Dabei geht es nach Angaben der Umweltorganisation Urgewald zunächst um eine Projektentwicklungsgesellschaft, die in den nächsten 18 Monaten die Voraussetzungen für die Realisierung des Atomkraftwerks in einem erdbeben-gefährdeten Gebiet schaffen soll. Erst dann soll den Angaben zufolge der Eigenkapitalbetrag vom RWE-Aufsichtsrat freigegeben werden. Umweltschützer glauben deshalb noch nicht an die Realisierung des neuen Atomkraftwerks. "RWE hat vollmundige Versprechungen gegenüber seinem Aufsichtsrat etwa zur Sicherheit von Belene gemacht, die nicht einzuhalten sein werden. Wir appellieren deshalb weiterhin an die Aufsichtsräte diese gefährliche und gewissenlose Investition zu streichen," so Heffa Schücking von Urgewald.
Schücking sieht Konfliktstoff nicht nur im Aufsichtsrat des Essener Energie- und Atomkonzerns: Mit dieser Entscheidung brüskiere RWE Chef Jürgen Großman nicht nur einen Teil der Aufsichtsräte, viele Anteilseigner und Kunden des Konzerns. "Er bringt die atomkritische Öffentlichkeit gegen RWE auf und steuert den Konzern geradewegs in einen Reputations-GAU", warnt Schücking.
Zu den Tücken des Projektes gehöre neben seinem geplanten Standort in einem Erdbebengebiet "das gefährliche politische Klima in Bulgarien": Nur eine Woche bevor RWE den Belene-Vertrag unterschrieben habe, erhielten laut Urgewald zwei der profiliertesten Gegner des Projekts in Bulgarien Morddrohungen. "Dies hätte ein Warnsignal für das RWE-Management sein müssen, dass Atomprojekte auf dem Balkan nicht nach hiesigen Maßstäben zu realisieren sind", meint Schücking.
Betroffen von den Morddrohungen sind die bulgarischen Atomkraftgegner Petko Kowatschew und Albena Simenowa. Beide wurden gewarnt, dass ihr Leben in Gefahr sei, wenn sie ihr Engagement gegen Belene fortsetzen. Für die 44-Jährige Umweltschützerin Simenowa ist dies keine neue Erfahrung. Die prominente Umweltschützerin wurde offenbar bereits 2005 wegen ihres Engagements gegen Belene bedroht. Die Biobäuerin engagiert sich laut Urgewald seit Mitte der Achtziger Jahre gegen das Belene-Projekt und war maßgeblich am Aufbau der bulgarischen Umweltbewegung nach Ende des Kommunismus beteiligt. Laut Jan Haverkamp von Greenpeace blieb im Jahr 2005 nicht nur bei Morddrohungen. Es habe auch zwei Anschläge auf die Atomkraftgegnerin gegeben. "Auch diesmal sind wir sehr besorgt", so Haverkamp.
Schücking wirft RWE vor, dass sich der Konzern nicht um die Sicherheit der Atomkraftgegner bemühe: "Nach unserer Bitte, beim bulgarischen Innenminister vorstellig zu werden, um sich für den Schutz der Atomkraftgegner einzusetzen, hat sich RWE jedoch nicht zurückgemeldet. Offenbar fühlt sich der Konzern hier nicht zuständig."
Umweltschützer kündigen Kampagne gegen RWE an
Laut Berichten der bulgarischen Presse möchte Großmann für 1,275 Milliarden Euro einen Anteil von 49 Prozent an der neu gegründeten Belene Projektentwicklungsgesellschaft erwerben. Außerdem wolle er eine Prämie von 500 Millionen Euro an den bulgarischen Energieversorger NEK zahlen.
Neben Belene will RWE sich auch an dem Bau der Blöcke 3 und 4 des rumänischen Atomkraftwerks Cernavoda beteiligen. Umweltschützer kündigten für 2009 eine breite öffentliche Kampagne gegen den nach ihrer Auffassung "aggressiven Atomkurs" von RWE an.
Am 22-12-2008
Unruhe nach neuem Leukämiefall bei Atomanlagen
Atomkraftgegner wollen schärfere Grenzwerte
Ein neuer Leukämiefall in der Elbmarsch bei Hamburg hat die Debatte um die Sicherheit von Atomkraftwerken neu angefacht. Umweltschützer und Mediziner verlangten am Montag (20. April) schärfere Grenzwerte für radioaktive Emissionen sowie die Stilllegung der Atomkraftwerke. Auf Kritik stieß vor allem die geplante Wiederinbetriebnahme des Atomkraftwerks Krümmel in Geesthacht Schleswig-Holstein. Am Wochenende war bekanntgeworden, dass ein neunjähriges Mädchen aus der Ortschaft Horburg auf der niedersächsischen Elbeseite an Blutkrebs erkrankt ist. In einem Umkreis von etwa fünf Kilometern um das Atomkraftwerk Krümmel haben damit in den vergangenen 20 Jahren 19 Kinder oder Jugendliche Leukämie bekommen. Dies gilt als die weltweit höchste Rate. In der Nähe befindet sich auch die Atomanlage GKSS. Dort soll es 1986 möglicherweise einen Unfall mit der Freisetzung radioaktiver Partikel gegeben haben.
Kinder und Embryos seien empfindlicher gegenüber radioaktiver Strahlung als Erwachsene, sagte der Sprecher der bundesweiten Anti-Atom-Initiative "ausgestrahlt", Jochen Stay, in Gorleben. Die derzeit gültigen Grenzwerte nähmen darauf aber keine Rücksicht. Stay verwies auf die im vergangenen Jahr veröffentlichte Kinderkrebs-Studie des Bundesamts für Strahlenschutz. Danach erkranken Kinder, die in der Nähe eines Atomkraftwerks wohnen, deutlich häufiger an Krebs als andere.
Verbesserungen im Strahlenschutz verlangte auch die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW. Familien in der Nähe von Atomkraftwerken müssten "verständlich und sachgerecht" über ein erhöhtes Erkrankungsrisiko bei Kleinkindern aufgeklärt werden.
Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) erneuerte seine Forderung nach Abschaltung aller Atomreaktoren. "Es dürfen keine weiteren Kinder gefährdet werden", sagte Vorstandsmitglied Udo Buchholz. Die Dauerbestrahlung durch Atomanlagen und das unlösbare Atommüll-Desaster seien nicht länger hinnehmbar.
Grünen-Politiker sprachen sich dafür aus, das AKW Krümmel endgültig stillzulegen. Seit einem Brand in der Transformatoranlage im Juni 2007 ist der Reaktor abgeschaltet. Am Sonntag wollen Atomgegner anlässlich des Jahrestages der Tschernobyl-Katastrophe in Krümmel demonstrieren. In ihrem Aufruf wenden sie sich gegen das geplante Wiederanfahren des Meilers.
Der Grund für die Häufung der Leukämiefälle in der Elbmarsch ist nach offizieller Darstellung der Landesregierungen in Kiel und Hannover unbekannt. Beide Bundesländer haben schon mehrfach Expertenkommissionen eingesetzt, um die Ursachen aufzuklären. Die Wissenschaftler kamen jedoch zu keinem einheitlichen Ergebnis. Eine Reihe von Wissenschaftler kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass es 1986 einen Unfall der Elbmarsch gegeben hat (ngo-online berichtete).
Am 20-04-2009
Gefahren der Atomkraft - Ethik-Kommission fordert Uralt-Atomkraftwerke vom Netz
Bundesregierung soll Vorschlag von Ethik-Kommission umsetzen
Die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner begrüßt den Vorschlag der Ethik-Kommission um den ehemaligen Bundesumweltminister Klaus Töpfer, Biblis A und B, Philippsburg 1 und Neckarwestheim 1 sowie drei weitere Uralt-Atomkraftwerke sofort vom Netz zu nehmen. "Auch für Rheinland-Pfalz wäre das ein Tag von größter Bedeutung, das Ende einer unverantwortlichen Bedrohung wäre in Sicht."
Wie unter anderem DPA vorab meldete, wird die Ethik-Kommission der Bundesregierung einen Atomausstieg bis 2021 vorschlagen sowie ein sofortiges Aus für die sieben Uraltmeiler, die mit dem so genannten Moratorium vorübergehend herunter gefahren wurden. "Die Vorschläge der Kommission bedeuten im Prinzip ein Zurück zu dem von Rot-Grün beschlossenen Atomausstieg und ein Ende der unverantwortlichen schwarz-gelben Laufzeitverlängerung. Außer Gewinnmaximierung für vier Konzerne gab es dafür ohnehin nie Argumente", so Rößner weiter.
Rößner bedankt sich bei der BürgerInnenbewegung: "Nicht nur Tschernobyl und Fukushima haben die Gefahren der Atomkraft verdeutlicht, die war vielen Millionen Menschen auch vorher schon bewusst. Ohne deren Aufklärungsarbeit wäre ein vorzeitiges Aus von Uralt-Meilern nicht möglich. Das zeigt sich etwa in Frankreich, wo eine BürgerInnenbewegung fehlt und heute die Bereitschaft zum Atomausstieg nicht gegeben ist."
Welche Gefahren von Schrottreaktoren wie Biblis A und B, Philippsburg 1 oder Neckarwestheim 1 ausgehen, hat heute noch einmal die Rhein-Zeitung in einem Bericht veranschaulicht: Demnach riss im Oktober in Biblis A eine Dichtung des inneren Druckreaktorbehälters. Das war dem Betreiber RWE nicht einmal eine Meldung wert. "Atomkraftwerke bedeuten eine enorme Gefahr für Gesundheit und Leben der Anwohnerinnen und Anwohner. Dieser Verantwortung sind Konzerne wie RWE oder EnBW offensichtlich nicht gewachsen", so Rößner abschließend.
Am 11-05-2011