Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am 29. August in Tokio, der Krisenstab des Auswärtigen Amtes unternehme "voll engagiert" alles Mögliche, um die Freilassung der deutschen Geisel zu erreichen. Zugleich erklärte Merkel nach einem Gespräch mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe, die Situation der südkoreanischen Geiseln ändere nichts an "Art und Umfang" der deutschen Bemühungen.
Der Deutsche Rudolf B. war am 18. Juli gemeinsam mit seinem später erschossenen Kollegen Rüdiger D. in Afghanistan verschleppt worden. Die Taliban haben angekündigt, die 19 südkoreanischen Geiseln frei zu lassen. Zuvor hatte die Regierung in Seoul sich bereit erklärt, ihre rund 200 Soldaten bis Jahresende aus Afghanistan abzuziehen. Südkorea hatte versichert, seine Soldaten bis zum Jahresende aus Afghanistan abzuziehen und jegliche "missionarische Arbeit" einzustellen, wie ein Präsidentensprecher in Seoul mitteilte.
Der ranghohe Taliban-Kommandeur, Mullah Abdullah, sagte "Spiegel Online": "Wenn Südkorea die Truppen und alle Missionare aus Afghanistan abzieht, werden wir die Geiseln freilassen." Abdullah hat nach Angaben des deutschen Nachrichtenmagazins in den letzten Wochen stets zuverlässige Informationen über die Verhandlungen um die 19 Geiseln geliefert. Entscheidend für den Durchbruch bei den Gesprächben sei eine schriftliche Anweisung des Taliban-Chefs Mullah Omar an die beteiligten Kommandeure in Ghazni gewesen.
Westliche Geheimdienste, die zum Teil in den Krieg in Afghanistan involviert sind, kritisierten die direkten Verhandlungen zwischen der südkoreanischen Regierung mit den Taliban. Dies sei ein "Durchbruch der Terroristen auf der internationalen Bühne".
Der Handelsminister der neuen, vom Westen gestützten afghanischen Regierung Amin Farhang hat das Nachgeben der südkoreanischen Regierung gegenüber den Taliban kritisiert. "Wenn das jede Regierung so macht, ist das der Beginn einer Art Kapitulation", sagte Farhang dem "Kölner Stadt-Anzeiger" mit Blick auf die Freilassung der 19 südkoreanischen Geiseln.
Die südkoreanische Regierung wies die Kritik an ihrem Verhalten im Geiseldrama zurück. Der Regierung war vorgehalten worden, dass Diplomaten wiederholt direkt mit den Taliban gesprochen hätten, was als Verletzung des internationalen Prinzips gewertet wurde, nicht mit Terroristen zu verhandeln. Ein Sprecher des südkoreanischen Präsidenten, Cheon Ho Sun, sagte dagegen, man sei nicht wesentlich von der internationalen Praxis abgewichen. Schließlich seien andere Staaten in ähnlichen Fällen ebenfalls mit den Entführern in Kontakt getreten. Falls es international Klärungsbedarf gebe, sei die südkoreanische Regierung bereit, ihre Position zu erläutern.
Die heute als Terroristen bezeichneten Taliban, waren von den USA jahrelang im Krieg gegen die Sowjetunion unterstützt worden. 2001 wurde die Taliban-Regierung durch einen Angriffskrieg der USA gestürzt, an dem sich bald danach auch andere westliche Länder wie Deutschland beteiligten. Der Westen installierte in Afghanistan eine neue Regierung. Dennoch kritisieren erhebliche Teile der afghanischen Bevölkerung eine "Besatzung" des Landes durch westliche Truppen. Inzwischen ist vielfach von einem "Volksaufstand" die Rede.
SPD-Chef Kurt Beck hatte sich wiederholt für Verhandlungen mit "gemäßigten" Taliban ausgesprochen. Dies war zuletzt von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) als "völlig abwegig" bezeichnet worden. "Solange die Taliban gewalttätig gegen die Bevölkerung Afghanistans und unsere Soldaten, Polizisten und zivilen Aufbauhelfer vorgehen, so lange sie nicht der Gewalt abschwören, sehe ich keine Möglichkeit zum Gespräch", sagte Jung der "Frankfurter Rundschau". Der deutsche Verteidigungsminister forderte von den Taliban Gewaltlosigkeit: Er würde sich sehr wünschen, dass "die Taliban oder Teile von ihnen einen gewaltlosen Weg" einschlügen.
Der Verteidigungsminister sprach sich dafür aus, eine öffentliche Debatte über dieses Thema zu vermeiden. Er könne "vor einer breiten Diskussion über Gespräche mit den Taliban oder einen Rückzug" aus Afghanistan nur warnen, sagte Jung. Die Taliban verfolgten die innenpolitische Debatte in Deutschland genau und wollten "mit konkreten terroristischen Aktionen unsere Debatte beeinflussen". Nach Ansicht des Verteidigungsministers gehen die islamistischen Gotteskrieger von einem "Dominoeffekt" aus, demzufolge ein Rückzug Deutschlands "zum Rückzug der NATO insgesamt führen würde".