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"Pfusch am Bau"

Kritik am Zustand des Reaktordruckbehälters in Krümmel

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Angesichts der Diskussion um eine mögliche Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel wies die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW darauf hin, dass dessen Reaktordruckbehälter zahllose grobe Fertigungsmängel und Materialfehler aufweise. Das Kernstück des Kraftwerks habe zum Teil schon vor der Inbetriebnahme der Anlage im Jahr 1983 nicht mehr den sicherheitstechnischen Anforderungen entsprochen, so Hayo Dieckmann von der IPPNW, der vor einigen Jahren gegen Krümmel klagte.


Bereits am 29. November 1974 habe der TÜV Nord eine unzureichende Durchvergütung der Bleche für den zylindrischen Mantel des Reaktordruckbehälters statuiert. Hierdurch könne atomarer Wasserstoff in den Stahl einwandern, in Fehlstellen rekombinieren und so hohe Drücke aufbauen. Es sei mit höherer Anfälligkeit gegen Wasserstoffversprödung zu rechnen. Die Fehlstellen könnten die Ultraschallprüfbarkeit und Fehlererkennbarkeit beeinflussen.

Am 16. Dezember 1975 sei dann in einem Krisengespräch der Stahl des Druckbehälters Gegenstand von Fachdiskussionen gewesen. Seitens des damals zuständigen Bundesinnenministeriums wurde den Angaben zufolge erklärt, dass der Stahl des Typs 22 NiMoCr 37 möglicherweise nicht mehr genehmigungsfähig sei. Erst auf Widerspruch von RWE hin habe man sich dann auf die Formulierung geeinigt, Stahl dieses Typs sei "verwendungsfähig".

Hinzu kommt laut IPPNW, dass bei fast allen für den Reaktordruckbehälter verwendeten Blechen Unterschreitungen der spezifizierten Festigkeit vorlägen. Dem Bauüberwachungsbericht des TÜV Nord vom 11. Oktober 1977 zufolge lägen lediglich "ausreichend gute" Werte nur im Oberflächenbereich vor.

IPPNW: Reaktordruckbehälter mit Hydraulikpressen auf der Baustelle zurechtgebogen

Schon seit Betriebsbeginn bestehe in Krümmel zudem ein erhöhtes Risiko für das Entstehen von Spannungsrissen. Das liege daran, dass die in Italien hergestellten Einzelringe für den Reaktordruckbehälter nicht passgenau gefertigt worden seien.

An der Baustelle vor Ort hätten sie daher mittels Hydraulikpressen zusammengefügt werden müssen. Als Folge seien an zwei Rundschweißnähten unzulässige "Kantenversätze" aufgetreten.

Diese Kantenversätze sind offenbar nicht zulässig: "Laut Spezifikation waren damals Kantenversätze von 8 Millimetern zulässig, heute sind nur noch 3 Millimeter zulässig", so Dieckmann. "In Krümmel betrug aber der maximale Kantenversatz im Bereich der Schweißstellen des Reaktordruckbehälters 23 Millimeter."

Dr. Wolfgang Kromp vom Institut für Risikoforschung der Universität Wien habe das Vorgehen mittels Hydraulikpressen als "geradezu abenteuerlich und völlig unzulässig" kritisiert, weil es die Gefahr berge, dass der Druckbehälter versage, berste oder explodiere. Seiner Meinung nach hätten die Einzelteile damals ins Herstellungswerk zurückgeschickt werden müssen und dort unter geeigneter Wärmebehandlung instand gesetzt werden müssen.

Auch die Bundesanstalt für Materialprüfung hat laut IPPNW im Jahr 1996 auf mögliche problematische Wechselwirkungen der Kantenversätze mit anderen Abweichungen hingewiesen, "wie Unrundheit des Reaktordruckbehälters, Wanddickendifferenz, Resteigenspannung durch Anwendung von Hydraulikpressen, unzureichende Vergütung der Mantelbleche sowie Blechdickenunterschreitungen".

Die IPPNW fordert, die veralteten Atomkraftwerke abzuschalten, "bevor es zu spät ist, und das Atomkraftwerk Krümmel nicht wieder ans Netz gehen zu lassen".

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