Vattenfall
Am 20. September 2004 habe der Betreiber gemeldet, dass seit Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Krümmel im Jahr 1983 die Überstromauslösung eines 10-kV/660-V-Notstromtrafos zu niedrig eingestellt war bzw. die auftretenden Ströme zu groß sein konnten, so die IPPNW. Im Rahmen einer Prüfung sei es daher zum Ausfall des Notstromtrafos und zudem auch noch des zugeordneten Notstromdiesels gekommen.
Die Gutachter kamen laut IPPNW zu dem Ergebnis, dass es sich um einen "konzeptionellen Auslegungsfehler" handelte, der weder bei der Inbetriebsetzungsprüfung noch bei den wiederkehrenden Prüfungen erkannt worden war, da die Langzeitumschaltung "nicht anforderungsgerecht" unter maximal möglicher Last geprüft worden war. Durch den konzeptionellen Fehler hätte es zum vollständigen Ausfall der Stromversorgung - über das öffentliche Stromnetz und über die Notstromdiesel - in mehreren Teilsystemen kommen können.
Krümmel wurde nach Einschätzung der Atomkritiker "also über 20 Jahre lang in einem Zustand betrieben, bei dem möglicherweise die Stromversorgung für die Notkühlung des Reaktorkerns nicht hinreichend gewährleistet war".
In einem anderen Fall sei in Krümmel am 20. August 2004 festgestellt worden, dass bei Montagearbeiten während der Revision 2003 zwei elektrische Steuerstabantriebe inklusive der Kabel an falschen Steuerstabantrieben montiert worden seien. Der Einbaufehler blieb laut IPPNW fast ein Jahr lang unentdeckt. Die Gutachter seien zu dem Ergebnis gekommen, dass die "Prüfanweisung" für die Montagearbeiten nicht die erforderlichen Nachkontrollen und Funktionsprüfungen ("Einzelscrams") forderte. Zudem seien die Montagearbeiten während der Revision schlecht geplant worden, weil sie nach bestimmten Prüfungen stattgefunden hätten, mit denen man den Fehler möglicherweise hätte entdecken können.
IPPNW: Kein schneller Austausch von fehleranfälligen elektrotechnischen Bauteilen
Am 11. März 2004 sei in Krümmel festgestellt worden, dass eine Armatur des sicherheitstechnisch wichtigen Kernflutsystems einen Schließbefehl nicht ausgeführt habe. Als Ursache wurde laut IPPNW ein "schwergängiges Koppelschütz" - also ein Schalter - vom Typ 3TJ der Firma Siemens festgestellt. Gutachter hätten Alterungserscheinungen vermutet.
Aufgrund von vergleichbaren Problemen unter anderem im Atomkraftwerk Brokdorf legten Siemens und die Gutachter offenbar einen Austausch der Siemens-Schütze vom Typ 3TJ nahe. Der Betreiber des Atomkraftwerks Krümmel soll kurzfristig aber nur das unmittelbar betroffene Bauteil ausgetauscht haben. Einen Austausch der übrigen Siemens-Schütze vom Typ 3TJ wolle der Betreiber erst "langfristig" vornehmen, obwohl man davon ausgehen müse, dass sicherheitstechnisch wichtige Komponenten dadurch versagen könnten, kritisiert die IPPNW.
In einem vierten Fall konnte den Angaben zufolge am 16. September 2003 in Krümmel eine Kühlpumpe nicht aktiviert werden, weil die "Wartungsvorgaben" für einen Leistungsschalter der Pumpe keine "Überprüfung der Leichtgängigkeit des Schalters" vorgesehen hätten.
IPPNW: Fleischfirma wird dicht gemacht - Atomindustrie wird verschont
Nach Auffassung der IPPNW wäre es "für die Atomaufsicht in Kiel wie auch in Berlin ein Leichtes, anhand dieser und vieler anderer Vorkommnisse in Krümmel den Entzug der Betriebsgenehmigung und die Stilllegung dieses gefährlichen Kraftwerks gerichtsfest zu begründen". Ein ernsthafter politischer Wille der zuständigen SPD-Minister in Bund und Land sei aber nicht erkennbar, so ein Sprecher der Organisation. "Es geht wie üblich nur um Muskelspiele für die Öffentlichkeit."
Im Rahmen des Gammelfleischskandals hätten die Behörden erst am 11. Juli einem schwäbischen Kühlhausbetrieb wegen fortgesetzter Unzuverlässigkeit die Betriebsgenehmigung entzogen. Die Sicherheit der Bevölkerung habe Vorrang vor Firmeninteressen, habe es zur Begründung geheißen. Ebenso muss nach Auffassung der IPPNW nun auch im Fall Krümmel vorgegangen werden. Es könne nicht sein, dass man bei kleinen Betrieben die Gesetze anwendet und "die mächtige Atomindustrie wieder einmal verschont".