In dem am 11. Juli angenommenen Bericht des deutschen Abgeordneten Jo Leinen (SPD) befürwortet das Parlament die Einberufung der Regierungskonferenz. Es begrüßt, dass das Mandat "sehr konkret" und präzise sei und viel von der Substanz des Verfassungsvertrags bewahre.
Auch den Umstand, dass das Mandat die Einfügung bestimmter neuer Elemente in die Verträge vorsieht, beispielsweise durch die ausdrückliche Erwähnung des Klimawandels und der Solidarität im Energiesektor, bewerteten die Abgeordneten mehrheitlich positiv. Sie fordern die Mitgliedstaaten daher auf, sich den "Verpflichtungen", die sie im Europäischen Rat eingegangen seien, "nicht zu entziehen".
Die Abgeordneten bedauerten, dass auf den Anspruch verzichtet worden sei, einen einzigen Verfassungsvertrag schaffen zu wollen, der die bisherigen Verträge ersetzt.
Nichtanwendung der Grundrechtecharta
Das Parlament hält es für einen "dramatischen Rückschlag und eine schwere Beschädigung" des innersten Selbstverständnisses der EU, wenn nun ein oder mehrere Mitgliedstaaten ein "opt out" von der Grundrechtecharta für sich in Anspruch nähmen.
"Eindringlich" appellierten die Abgeordneten an alle Mitgliedstaaten, noch einmal alle Anstrengungen zu unternehmen, diese "innere Spaltung" zu überwinden und doch noch zu einem Konsens über die uneingeschränkte Geltung dieser Charta zu kommen.
Der Leinen-Bericht wurde mit 526 Ja-Stimmen, 138 Nein-Stimmen und 26 Enthaltungen angenommen. Ein Änderungsantrag, der vorsah, das Mandat der Regierungskonferenz dahingehend auszuweiten, dass es auch eine Verlegung des Sitzes des Europäischen Parlaments von Straßburg nach Brüssel und des Europäischen Rates (Gipfel) von Brüssel nach Straßburg umfasst, wurde mit 280 Ja-Stimmen, 370 Nein-Stimmen und 33 Enthaltungen abgelehnt.
Parlamentsdebatte
Die Vize-Präsidentin der EU-Kommission, Margot Wallström, sagte in der Parlamentsdebatte, das Mandat stärke die demokratische Legitimität der Europäischen Union. Der rechtsverbindliche Charakter der Grundrechtscharta bleibe erhalten. Europa könne "künftig mit einer Stimme auf der Weltbühne sprechen" und es sei eine Stärkung "wichtiger Politikbereiche" durchgesetzt worden.
Der spanische Abgeordnete Íñigo Méndez de Vigo (Europäische Volkspartei) betonte, wie wichtig es aus Sicht seiner Fraktion sei, dass bei der Regierungskonferenz - wie zuvor im Rat - eine positive Einigung gefunden wird. "Wir müssen aus der Sackgasse der Verfassung herauskommen und dürfen nicht im Klima des Misstrauens fortfahren", sagte Méndez de Vigo. "Einige wollen Europa zerstören oder ein anderes Europa haben, aber wir müssen die gleiche Richtung einschlagen".
Der britische Abgeordnete Richard Corbett (Sozialdemokraten) sagte, es werde oft betont, dass 90 Prozent des Inhalts des Verfassungsvertrags gerettet worden seien, allerdings seien auch Menschen und Mäuse zu 90 Prozent genetisch identisch und gerade die 10 Prozent machten den Unterschied.
Der französische Europaabgeordnete Francis Wurtz (Linke) kritisierte "die panische Angst vor Referenden" auf Seiten der Europäischen Institutionen. In einigen Ländern werde argumentiert, dass neue Abstimmungen nicht notwendig seien, weil die Grundzüge des Vertrags erhalten blieben. In anderen werde genau das entgegengesetzte Argument vorgebracht. Seine Fraktion werde sich aber weiter für die Durchführung von Referenden einsetzen.
Wurtz kritisierte weiterhin, dass die im Verfassungsentwurf vorgesehenen "neo-liberalen wirtschaftlichen Strukturen" erhalten bleiben sollten. Auch seien die vielfach kritisierten neuen Regelungen im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik, die vielfach Befürchtungen vor einer weiteren Militarisierung der EU geschürt hätten, alle vollständig beibehalten worden.
Mit den Worten "Das Parlament ist so arrogant geworden", brachte sich der polnische Abgeordnete Bernard Wojciechowski (Fraktion Unabhängigkeit/Demokratie) sich in die Debatte ein. Zu erklären, einen offenen Dialog zu führen, sei "ein Witz". Der Parlamentarier sprach sich dafür aus, die Referenden zu wiederholen und nicht über die Köpfe der europäischen Bürger hinweg zu entscheiden. Ein neuer Vertrag "durch die Hintertür" sei gegen deren Willen.
Wojciechowski kritisierte, dass der gleiche Textvorschlag, der von den Bürgern in zwei Ländern sowie von einer großen Zahl von Europäern abgelehnt worden sei, nun ein zweites Mal in die Regierungskonferenz eingebracht werde.