Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sagte nach der Kabinettssitzung am Mittwoch in Berlin, Ziel sei es, Kindern früher vor Vernachlässigung oder Misshandlungen zu schützen und den Eltern zu helfen. Ein Gericht könne beispielsweise im Fall von Sprachmängeln eines Kindes Sprachförderung oder den ganztägigen Besuch einer Kindertagesstätte anordnen. Bei Verhaltensstörungen oder Unterernährung des Nachwuchses müssten Sozialarbeiter zu Rate gezogen werden.
Mit dem verstärkten Einsatz der Gerichte werde "die staatliche Autorität" erhöht, so Zypries. Die Maßnahmen sollten unter Androhung des Entzugs des Sorgerechts oder eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden. Bisher hätten die Gerichte häufig zu spät von Kindesvernachlässigungen erfahren. In 80 Prozent dieser Fälle hätten die Jugendämter sofort das Sorgerecht entziehen müssen. Künftig solle das Sorgerecht länger bei den Eltern bleiben.
Zypries: Nachbarn sollen den Staat informieren
Auf die Richter kämen mehr Verfahren und Fortbildungsveranstaltungen zu, sagte Zypries. Die Ministerin forderte die Bürger auf, die Behörden rechtzeitig zu informieren. "Es kann jeder eine Anregung abgeben, das kann auch der Nachbar oder die Oma sein", sagte Zypries. Das Gesetz soll im Januar 2008 in Kraft treten.
Die frühere Bundesjustizministern Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte, die Länder dürften nicht länger bei Justiz und Jugendschutz sparen.
Die jugendpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Diana Golze, warf der Regierung vor, sich als "Retter" des Familien- und Kindeswohls" zu inszenieren und gleichzeitig die Mittel für Jugend- und Familienhilfen zu kürzen.
Gerichtliche Klärung der Vaterschaft
Mit dem zweiten Gesetzentwurf will die Regierung Männern die gerichtliche Klärung ihrer Vaterschaft erleichtern. Heimliche Vaterschaftstests bleiben demnach weiter verboten.
Zudem sollen Männer das Recht erhalten, die Abstammung ohne Angabe von Gründen feststellen zu lassen, wie Zypries sagte. Das gleiche gilt dem Entwurf zufolge für Mütter und Kinder. Bislang muss ein "Anfangsverdacht" dargelegt werden. Laut Zypries bestätigten 80 Prozent aller anonymen Vaterschaftstests, dass der Vater der Erzeuger sei. Stimme ein Familienmitglied dem Test nicht zu, könne eine Gericht den Anspruch des Antragstellers durchsetzen.
Sperre sich ein Familienmitglied nach bisher geltendem Recht, bleibe nur die Möglichkeit einer Klage, die auch weiterhin gegeben sein soll. Hintergrund für die Initiative ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Februar, wonach heimliche Vaterschaftstests weiterhin nicht als Beweismittel vor Gericht verwendet werden dürfen und das Kindeswohl stärker beachtet werden muss.
Zypries kündigte zudem die Einführung einer Härtefallklausel für Kinder an. Das Verfahren könne zum Schutz von Kindern zunächst ausgesetzt werden. "Das ist eine Sache, die zwischen Mann und Frau abzumachen ist, das Kind darf nicht darunter leiden", sagte Zypries. Der Vater müsse in solchen Fällen bis zu einem Jahr warten, um Gewissheit zu bekommen.