Mai 2007
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Gipfelgegner rufen auf zu Großdemonstration
"Gegenwind für G8 - Eine andere Welt ist möglich!" So lautet das Motto, unter dem ein breites Bündnis von Gruppen und Organisationen aus Protest gegen den G8-Gipfel für Samstag, den 2. Juni, zu einer internationalen Großdemonstration in Rostock aufruft. "Die Demo wird ein buntes und friedliches Bild bieten und gemeinsamer Ausdruck aller an den G8-Protesten beteiligten Strömungen und Organisationen sein", sagte Werner Rätz vom globalisierungskritischen Netzwerk Attac am Dienstag in Berlin. Obwohl der Weg nach Rostock weit und die Fahrt beschwerlich sei, rechnen die Veranstalter dennoch mit vielen Teilnehmern. Die Demonstration richtet sich gegen die - nach Auffassung der Veranstalter - "agressive" Wirtschaftspolitik der G8.
Brandanschlag auf Auto von "Bild"-Chefredakteur Diekmann
Als "Celler Loch" wurde ein Loch bekannt, das am 25. Juli 1978 in die Außenmauer der Justizvollzugsanstalt Celle gesprengt worden war. Inzwischen ist offenbar unstrittig, dass der Anschlag von der niedersächsischen Landesbehörde für Verfassungsschutz fingiert worden war. Der Anschlag wurde der Öffentlichkeit damals als Befreiungsversuch der Terrororganisation RAF präsentiert. 1986 wurde schließlich bekannt, dass nicht die linksradikale Terroristenszene für den Anschlag verantwortlich war, sondern der Verfassungsschutz und die "Anti-Terrorgruppe" GSG9. Der Fall von vor Jahren zeigt, wie schwer es für die Öffentlichkeit ist, gesicherte Informationen über die Urheber eines Anschlags zu erhalten. Derzeit häufen sich Berichte über Brandanschläge, die mit dem Protest gegen den G8-Gipfel in Verbindung gebracht werden. In der Nacht zum Dienstag soll auf das Auto von "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann ein Brandanschlag verübt worden. Wie eine Polizeisprecherin mitteilte, hätten Unbekannte die Limousine in der Nacht zum Dienstag im Hamburger Stadtteil Harvestehude in Brand gesetzt. "Ein politischer Hintergrund ist wahrscheinlich", sagte die Sprecherin. Der Staatsschutz ermittele. Ein Bekennerschreiben gebe es bislang nicht.
Bundeswehr soll auch nach tödlichem Anschlag in Afghanistan bleiben
Die deutsche Bundesregierung lehnt trotz des Todes tödlichen Anschlags auf deutsche Soldaten in Kundus einen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan ab. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte am 20. Mai, es dürfe "keinen aktuellen Rückzug geben", auch wenn er "bestürzt" über den "grausamen Anschlag" sei. Zwar sei es richtig, immer wieder über Auslandseinsätze der Bundeswehr selbstkritisch zu diskutieren. Deutschland sei jedoch auch in der Vergangenheit nicht ohne Prüfung in solche Einsätze gegangen. Links-Fraktionschef Oskar Lafontaine warf der Bundeswehr hingegen vor, sie sei in Afghanistan "mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt". Terror sei durch die rechtswidrige Anwendung von Gewalt definiert. In Afghanistan hätten die USA und ihre Verbündeten die Genfer Konvention verletzt.
Streit um Sicherheit bei G8-Gipfel
Die Sicherheitsvorkehrungen beim bevorstehenden G8-Gipfel in Heiligendamm sorgen weiter für Streit. Während Links-Fraktionschef Gregor Gysi am 21. Mai vor überzogenen Sicherheitsmaßnahmen warnten, verteidigte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, die Einrichtung einer 200 Meter breiten Bannmeile vor dem Metallzaun um den Tagungsort.
Gespräche über gemeinsame EU-Grenzpolizei
Die Europäische Union will nach den Worten von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Möglichkeiten für eine gemeinsame Grenzpolizei ausloten. Denkbar sei dabei ein kombiniertes Vorgehen zwischen nationalen Grenztruppen und einer europäischen Grenzpolizei, sagte Schäuble am Montag in Eltville nach dem ersten Beratungstreffen der Zukunftsgruppe zur europäischen Innenpolitik. Vorteil einer gemeinsamen Polizeigruppe sei dabei die Wahrung einheitlicher Standards. Nationale Grenztruppen hätten dagegen den Vorteil regionaler Ortskenntnisse beim Sichern der Grenze.
Merkel und Putin streiten über Demonstrationsrecht in Deutschland und Russland
Die Bundesrepublik Deutschland begreift sich selbst traditionell als das Musterland der Demokratie. Jetzt muss sich dieses Land, das fast allen übrigen Ländern rund um den Erdball gerne die Verletzung demokratischer Grundrechte vorwirft, Vorwürfe aus Russland anhören. Zwischen Deutschland und Russland kam es im Rahmen des EU-Russland-Gipfels im russischen Samara zum Eklat. Beide Seiten warfen sich repressives Vorgehen gegen Demonstranten vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte kritisiert, dass Oppositionsführer daran gehindert worden seien, in der Wolgastadt Samara zu demonstrieren. Der russische Präsident Wladimir Putin konterte mit einem Verweis auf jüngste deutsche Praktiken. Er nannte konkret die Razzien gegen G8-Gegner im Vorfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm.
Geißler wird im Vorfeld des G8-Gipfels Mitglied von Attac
Der frühere Generalsekretär der CDU, Heiner Geißler, wird Mitglied des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac. Geißler nahm am Abend des 15. Mai während einer Talkshow des Senders N24 einen Aufnahmeantrag von Attac-Sprecher Pedram Shahyar an. "Ich trete bei Attac ein, weil ich das Recht auf gewaltfreie Demonstration, für das Attac eintritt, nachdrücklich unterstütze", bekräftigte der Christdemokrat am Mittwochvormittag seinen Entschluss. Auch inhaltlich unterstütze er die Anliegen des globalisierungskritischen Netzwerkes. Attac trete für eine soziale und ökologische Globalisierung ein. "Und genau das, die humane Gestaltung der Globalisierung, ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit - wenn nicht sogar die wichtigste Aufgabe", sagte Geißler.
Abhöraktion gegen Anwalt von El Masri verfassungswidrig
Die Abhöraktion der Staatsanwaltschaft München gegen den Anwalt des mutmaßlich von CIA-Agenten entführten Deutsch-Libanesen Khaled El Masri hat gegen das Grundgesetz verstoßen. Das entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am 16. Mai veröffentlichten Beschluss. Die Telefonüberwachung bei El Masris Anwalt Manfred Gnjidic habe dessen Fernmeldegeheimnis und Berufsausübungsfreiheit verletzt.
Bundesregierung will neue Kronzeugenregelung
Die Bundesregierung hat den Weg für eine neue Kronzeugenregelung frei gemacht. Das Kabinett verabschiedete am Mittwoch in Berlin einen entsprechenden Gesetzentwurf. Danach könnten Richter bei Straftätern, die zur Aufklärung oder Verhinderung von Verbrechen beitragen, eine mildere Strafe verhängen oder ganz von einer Strafe absehen. Ziel ist es nach Angaben von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), "größere und vor allem praktikablere Anreize für kooperationsbereite Straftäter zu schaffen". Der ehemalige Bundesrichter Wolfgang Neskovic hält die Regelung für nicht praxistauglich.
Merkel betont EU-Interesse an strategischer Partnerschaft mit Moskau
Einen Tag vor Beginn des EU-Russland-Gipfels in der Wolgastadt Samara hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das Interesse der Europäischen Union an einem partnerschaftlichen Verhältnis zu Moskau unterstrichen. Im Bundeskabinett betonte Merkel am Mittwoch nach Angaben des stellvertretenden Regierungssprechers Thomas Steg, dass auf dem Treffen deutlich werden solle, dass die EU gegenüber Moskau geschlossen auftrete und zugleich ein "nachdrückliches Interesse an einer strategischen Partnerschaft mit Russland" habe.
Bundeswehreinsatz im Inneren bleibt in Koalition umstritten
Die von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) forcierte Möglichkeit des Bundeswehr-Einsatzes im Innern bleibt umstritten. Schäuble will einen neuen Versuch starten, das Grundgesetz zu ändern, um eine Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern rechtlich zu ermöglichen. Er will dabei die Streitkräfte angeblich für die Abwehr von Terrorangriffen aus der Luft und von See heranziehen. Wie Vize-Regierungssprecher Thomas Steg nach einem Spitzentreffen der großen Koalition unter Leitung von Kanzleramtschef Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch in Berlin sagte, sollen die Gespräche darüber fortgesetzt werden.
Laut Hoppe könnten Ärzte "von Freiberuflern zu Freiheitskämpfern" werden
Der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Jörg-Dietrich Hoppe, hat auf dem 110. Deutschen Ärztetages in Münster am 15. Mai die "Gesundheitsreform" kritisiert. Durch die Finanzierung des neuen Gesundheitsfonds – im Wesentlichen lohnbezogene Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern – fließe kein zusätzlicher Euro in das System. Die begrenzten Mittel würden lediglich "neu verteilt". Die künftige Festlegung des allgemeinen Beitragssatzes durch die Bundesregierung sei letztlich nichts anderes als ein Globalbudget, über das innerhalb der jeweiligen Regierung jedes Jahr neu verhandelt werde, so Hoppe. Die Bundeszuweisungen an die Krankenkassen würden vermutlich mehr von haushaltspolitischen Erwägungen bestimmt werden – "und weniger von der Notwendigkeit einer bedarfsgerechten Versorgung". Hoppe sieht Deutschland auf den Weg in eine "Fließbandmedizin". Er sprach von "Industrialisierungstendenzen" im Klinikbereich und davon, dass Ärzte "von Freiberuflern zu Freiheitskämpfern" werden könnten. Außerdem verwahrte er sich gegen "Lauschangriffe" auf Ärzte und Patienten.
Justiz-, Polizei- und Politikkreise in kriminelles Netzwerk verstrickt?
Medienberichten zufolge sind hohe Justiz-, Polizei- und Politikkreise in Sachsen in ein kriminelles Netzwerk größeren Ausmaßes verstrickt. Den Berichten zufolge machten sich laut sächsischem Verfassungsschutz höchste Leipziger Kreise erpressbar, weil sie Anfang der 1990er Jahre in einem Bordell verkehrt haben sollen, in dem minderjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen wurden. Mit dem vom sächsischen Verfassungsschutz offenbar jahrelang ausgespähten kriminellen Netzwerk soll sich nun auch Generalbundesanwältin Monika Harms befassen, damit nicht der Eindruck aufkommt, es würde etwas vertuscht.
G8-Gegner werfen der Polizei Gewaltbereitschaft vor
Nach der Großrazzia am 9. Mai gegen "militante Gipfelgegner" sind alle 21 so genannten "Terrorverdächtigen" nach wie vor auf freiem Fuß. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft sei es weder zu vorläufigen Festnahmen gekommen noch habe die Bundesanwaltschaft Haftbefehle beantragt. Dennoch warnen Polizei und Sicherheitsbehörden immer wieder vor militanten Gegnern des G-8-Treffens im Juni und deren Gewaltbereitschaft. Die Gipfelgegner drehen nun den Spies herum und werfen der Polizei "Gewaltbereitschaft" vor. Die Berliner Gipfelsoli Infogruppe kritisiert insbesondere einen "gewaltbereiten Einsatzleiter". Dieser sei von früheren Einsätzen gegen Demonstranten als gewaltbereit bekannt, behaupten die Gipfelkritiker.
Linke in Linkspartei gegen Anbiederung an SPD und Grüne
Die Linke innerhalb der Linkspartei wendet sich gegen einen Kurs der Anbiederung an die SPD und die Grünen. Das Wahlergebnis in Bremen, wo die Linke 8,4 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt, hat nach Ansicht der Politiker Sahra Wagenknecht, Tobias Pflüger, Thies Gleiss, Ulla Jelpke, Nele Hirsch und Sabine Lösing gezeigt, dass man mit einem "konsequent geführten Oppositionswahlkampf" weiter kommt als mit "Buckeln gegenüber SPD oder Grünen". Damit habe man in Berlin ein Desaster erlebt.
Warnung vor "wirtschaftlichem Ausverkauf Afrikas"
Mehrere Nicht-Regierungsorganisationen aus Europa sowie aus Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum (AKP-Staaten) warnen angesichts der Tagung des EU-Ministerrats vor einem "drohenden wirtschaftlichen Ausverkauf Afrikas". Die Organisationen Brot für die Welt, Evangelischer Entwicklungsdienst, Oxfam Deutschland, WEED und andere fordern insbesondere die deutsche Ratspräsidentschaft auf, "den derzeitigen Zuschnitt regionaler Handelsabkommen, der so genannten "Economic Partnership Agreements" (EPAs), zugunsten nachhaltiger und gerechter Alternativen zu korrigieren". Ein "durchgesickerter" Entwurf der EPA-Abschlusserklärung des Ministerrates zeige, dass die EU entgegen offizieller Verlautbarungen unverändert auf eine umfassende Marktöffnung der armen Länder setze.
Bundesärztekammer warnt vor Verschlechterung der Kindergesundheit
Die Bundesärztekammer warnt vor einer Verschlechterung der Kindergesundheit in Deutschland. Essstörungen und Bewegungsarmut unter Kindern und Jugendlichen nähmen zu, 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen seien übergewichtig und 20 Prozent der 7- bis 17-Jährigen hätten psychische Probleme, sagte Rudolf Henke, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer in Düsseldorf. Das Thema Kindergesundheit ist einer der Schwerpunkte des Deutschen Ärztetages, der am 15. Mai in Münster begann.
Vorläufiges amtliches Endergebnis der Bremer Bürgerschaftswahl
Bremen hat gewählt. Die Wahlbeteiligung war mit 57,6 Prozent so niedrig wie nie zuvor (2003: 60,0 Prozent). Nach dem am 13. Mai vom Landeswahlleiter abends veröffentlichten vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die SPD auf 36,8 Prozent der abgegebenen Stimmen (-5,5 Prozent), die CDU kam auf 25,7 Prozent (-4,1 Prozent), die Grünen auf 16,4 Prozent (+3,6 Prozent), Die Linke auf 8,4 Prozent (+6,7 Prozent), die FDP auf 6,0 Prozent (+1,8 Prozent) und die DVU auf 2,8 Prozent (+0,5 Prozent).
Wählervereinigung "Bürger in Wut" soll wegen einer Stimme außen vor bleiben
Die rechtspopulistische Wählervereinigung "Bürger in Wut" wird das Ergebnis der Bremer Bürgerschaftswahl vom Sonntag voraussichtlich anfechten. Der Vorsitzende der Vereinigung, Jan Timke, sagte am Montag, man werde gegen die Stimmenauszählung seiner Wählervereinigung Einspruch einlegen. "Bürger in Wut" erhielt in Bremerhaven laut vorläufigem amtlichen Endergebnis 4,99 Prozent. "Sollte sich dieses Ergebnis mit dem amtlichen Endergebnis decken, werden wir entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten", kündigte Timke an. Laut Landeswahlamt hätte eine Stimme mehr für die Gruppierung den Einzug in die Bremer Bürgerschaft bedeutet.
Merkel wirbt erneut für EU-Verfassung
Bundeskanzlerin und EU-Ratspräsidentin Angela Merkel (CDU) hat erneut für den Neuanlauf zu einer europäischen Verfassung geworben. Zu einem solchen Schritt gebe es "keine Alternative", weil die EU mit ihrem derzeit gültigen Vertragswerk die Aufgaben der Zukunft nicht bewältigen könne, sagte Merkel am Montag vor den Mitgliedern der Europaausschüsse aller EU-Mitgliedsstaaten sowie der Beitrittskandidaten im Bundestag in Berlin. Der Vertrag von Nizza sei "keine Grundlage", mit der die EU mit ihren nunmehr 27 Staaten handlungsfähig bleiben könne. Auch Bundesaußenminister Walter Steinmeier hatte unlängst erklärt, warum die Verfassung seines Erachtens nötig ist.