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Zusammenhänge zwischen der Verknappung von mineralischen Rohstoffen, dem damit verbundenen Konfliktpotenzial und Ressourcenmanagementstrategien in den Industrieländern seien offensichtlich. Sie würden beispielsweise die Frage aufwerfen, inwieweit die Nachfrage aus den Industrieländern nach seltenen Mineralien Konflikte am Ort der Rohstoffgewinnung und -bearbeitung unterstützten.
Die Problematik bei Coltan besteht nach Darstellung der Auftragsforscher darin, dass der Coltanabbau in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) von Bürgerkriegsparteien "illegal" betrieben werde und dies zu erheblichen gesundheitlichen und ökologischen Schäden führe. "Aufgrund fehlender Verwaltungsstrukturen einer Zentralregierung setzte sich in Zentralafrika ein ungeregelter Abbau durch, der von Bürgerkriegsparteien aus dem Kongo oder gar den Nachbarstaaten gegen entsprechende Abgaben protegiert wurde." Der Abbau sei auch in Nationalparks mit erheblichen Wirkungen auf Flora und Fauna erfolgt.
Der Konflikt um den "illegalen" Coltanabbau im Kongo sei mit einer Hochpreisphase für Tantal in den Jahren 1999/2000 zusammengefallen. "In dieser Phase wurde Coltan aus der DR Kongo verstärkt vom Weltmarkt nachgefragt."
Der Abbau von Coltan habe zu einer "Intensivierung und Verlängerung des Krieges in der DR Kongo geführt, an dem sich zu unterschiedlichen Zeiten und entsprechend der Machtverhältnisse die jeweilige Regierung, Rebellen und Nachbarländer bereichert haben", heißt es in dem Forschungsbericht. Die Ursachen des Konflikts seien vielfältig und das humanitäre Ausmaß katastrophal gewesen.
Insgesamt könne man "noch keine" Konfliktlösung konstatieren. Die Situation in der DR Kongo bleibe angespannt. Die rechtliche Situation in den Abbaugebieten sei "unübersichtlich; zu den aktuell zunehmenden Direktinvestitionen liegen noch keine zuverlässigen Informationen vor".
Auf der Nachfrageseite sind nach Auffassung der deutschen Forscher die Rolle neuer industrieller Abnehmer (Optikindustrie) und die Rolle von Schwellenländern außerhalb der OECD (China) "kritisch zu sehen". Die hohen Rohstoffbedarfe führten zu neuen Strukturen und zu einer neuen Geografie im internationalen Rohstoffhandel. Nicht mehr nur die OECD-Länder und dort ansässige Unternehmen dominierten den Markt, sondern Länder wie China, "die sich bei den Rohstofflieferanten einkaufen, um die Rohstoffversorgung zu sichern". Dort würden Stoffe wie Coltan aus dem Kongo weiterverarbeitet und gelangten in die Produkte der Optikindustrie, in PCs und andere, die in die Europäische Union exportiert würden. Während deutsche Unternehmen inzwischen kein Tantal mehr aus Krisenregionen beziehen würden, würden nach wie vor Tantalerze wesentlich preiswerter aus diesen Regionen auf dem Markt gehandelt und in Form von Produkten auf den europäischen Markt geliefert.
Bayer-Tochter reagierte auf öffentliche Kritik
Die Berichte des UN-Sicherheitsrates hätten Informationen über die Situation im Kongo und den Verflechtungen zu ausländischen Unternehmen aufgedeckt. "Diese wurden stark kritisiert, mögen teilweise sogar unzutreffend gewesen sein", heißt es in dem Forschungsbericht. "Dennoch führten die Diskussionen zu Handlungen auf Seiten europäischer Unternehmen, die die Transparenz des Marktes erhöhten. Bei einem beteiligten deutschen Unternehmen (H.C. Starck) wirkte sich aus, dass es Tochter eines börsennotierten Unternehmens (Bayer AG) und Zulieferer für börsennotierte Telekommunikationsunternehmen ist; diese Unternehmen sind anfälliger gegenüber externer Kritik als andere Unternehmen und müssen umgehend an der Beseitigung von Reputationsrisiken arbeiten."
"Nach eigenem Bekunden" beziehe die Bayer-Tochter H.C. Starck derzeit kein Coltan aus der DR Kongo und verlange von allen Zulieferern eine Erklärung, dass das Coltan nicht aus "illegalen" Quellen stammt.
Deutsche Forscher beklagen "unklare Eigentumsrechte und Beteiligungsstrukturen" und fordern "Reformen" in Afrika
Nach Auffassung der Forscher zeigt der Verlauf der öffentlichen Diskussion daher, "dass Transparenz den illegalen Handel mit seltenen Mineralen eindämmen könne und somit Konfliktpotentiale vermindert werden könnten. "Unklare Eigentumsrechte und Beteiligungsstrukturen" erfordern nach Auffassung der deutschen Forscher aber "weitergehende Reformen und Maßnahmen".
Die aktuelle Situation in der DR Kongo nach den demokratischen Wahlen bietet nach Auffassung der Forscher im Auftrag des Umweltbundesamtes "neue Chancen zur Konfliktbewältigung im Rohstoffabbau". Allerdings sei auch nach dem Bundeswehr-Einsatz in der DR Kongo die rechtliche Situation der Rohstoffnutzung noch immer ungeklärt: "Die aktuelle Situation ist trotzdem sehr instabil", heißt es in dem Bericht. Und: "Die rechtlichen Unsicherheiten über den Zugang zu Rohstoffen bleiben bis auf weiteres bestehen."
Früher sei der Kongo ein sehr wichtiger Außenhandelspartner für Deutschland gewesen. "Bei der Revitalisierung der Beziehungen sollten auch andere Mineralien im Kongo mit einbezogen werden", fordern die Forscher.
Durch die Bildung von Provinzregierungen sei im Kongo die Chance, mit diesen für eine Regelung des Tantal- bzw. Rohstoffabbaus zu sorgen. "Dialoge über die nachhaltige Förderung und Nutzung von Rohstoffen sollten deshalb einen zentralen Stellenwert einnehmen", so die Empfehlung an die Bundesregierung. "Angesichts der – erhofften – Beendigung des Bürgerkriegs könnte die Bundesregierung die Initiative für eine internationale Konferenz übernehmen, deren Thema der Beitrag der nachhaltigen Rohstoffförderung und -nutzung für die Entwicklung in der DR Kongo wäre."
Die UN-Truppe MONUC
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes ist die von Deutschland mitfinanzierte UN-Truppe MONUC in die Kampfhandlungen in der DR Kongo voll involviert: "Ende Mai 2004 fiel die an der kongolesisch-ruandischen Grenze liegende Stadt Bukavu nach Kämpfen zwischen abtrünnigen kongolesischen Soldaten einerseits und Regierungstruppen und MONUC andererseits in die Hände der aufständischen Truppen."
Im April 2005 wurde bekannt, dass die UN-Truppe MONUC am 1. März 2005 ein Lager der Miliz "Front nationaliste et intégrationiste" (FNI) in der Nähe der Ortschaft Loga, rund 30 Kilometer außerhalb der Regionalstadt Bunia, angegriffen hatte. Bei dem UN-Angriff wurden einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) zufolge mindestens 50 Milizionäre getötet.
Zunächst habe ein Sprecher der Vereinten Nationen den Angriff mit der Sorge um die Sicherheit der in der Nähe des Milizenlagers lebenden rund 8000 Flüchtlinge begründet. Später hatte dann offenbar der französische Generalstabschef von MONUC, Jean-François Collot d'Escury, zugegeben, dass es sich bei dem UN-Angriff um einen Racheakt gehandelt hatte: die Milizenführer in Ituri seien von der UN für die Ermordung von neun Blauhelmsoldaten in der Woche zuvor verantwortlich gemacht worden. Der Angriff auf die Milizen sei eine "direkte Antwort auf die Ermordung der neun Soldaten", hatte der UN-General laut FAZ gesagt.
In einer Pressemitteilung vom 31. März 2005 hatte die damalige deutsche Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller (Grüne), "ausdrücklich" das jüngste resolute Vorgehen der Vereinten Nationen begrüßt. Nach Auffassung Müllers "muss das robuste Mandat von MONUC voll ausgeschöpft werden, wie es auch vom Sicherheitsrat in seiner neuen Resolution gefordert wird. Ich begrüße daher auch ausdrücklich das jüngste resolute Vorgehen MONUCs im Distrikt Ituri, das ein klares Signal an alle Friedensstörer ausgesandt hat."
"Außenpolitische Strategie zu Zentralafrika"
In seiner "Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika", datiert vom Dezember 2003, hat das Auswärtige Amt die "politischen Interessen Deutschlands in Zentralafrika" skizziert. Dort heißt es unter anderem, dass die wirtschaftliche Bedeutung der Region für Deutschland noch gering sei. Sie könne jedoch aufgrund der Bevölkerungszahl, des in einigen Staaten wachsenden Volkseinkommens und der verfügbaren Rohstoffe zunehmen.
"Schon jetzt sind einige Staaten in Zentralafrika wichtige Erdölproduzenten (Republik Kongo, Gabun, Äquatorialguinea); mittelfristig, insbesondere nach Ende des gegenwärtigen länderübergreifenden Konfliktes, dürfte vor allem die DR Kongo aufgrund ihrer Größe, des Rohstoffreichtums und der zentralen Lage an politischem und wirtschaftlichem Gewicht erheblich gewinnen." Nach der Einsetzung der Übergangsregierung unter Joseph Kabila habe "das internationale Interesse deutlich zugenommen".
Mit "Zentralafrika" meint das Auswärtige Amt die Staaten Demokratische Republik Kongo (DR Kongo), Republik Kongo, Ruanda, Burundi, Gabun, Äquatorial-Guinea, Sao Tomé und Principe, Kamerun, Zentralafrikanische Republik und Tschad. Die Region verfüge über "hochwertige Rohstoffe, die Auslöser gewaltsamer Auseinandersetzungen sind", heißt es in der Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika mit Stand vom Januar 2004. "So ist das sporadische Aufflackern von Kämpfen in der DR Kongo insbesondere auf die Ausbeutung der dortigen Rohstoffe durch die Kriegsparteien zurückzuführen." Dieser "Krieg der Rohstoffe" werde vor allem um Diamanten, Gold und Coltan geführt. "Dies unterstreicht die Bedeutung eines Zertifizierungssystems für Diamanten (Kimberley Prozess) sowie die Forderung nach wirksamer Unterbindung illegaler Exporte strategischer Rohstoffe, damit die Einkünfte primär der Regierung in Kinshasa zugute kommen."
Das Auswärtige Amt verweist auf den Abbau der folgenden Rohstoffe in der Region: Erdöl (Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Äquatorialguinea, Tschad, in geringem Umfang auch DR Kongo), Gold (DR Kongo), Diamanten (DR Kongo, Zentralafrikanische Republik), Kupfer (DR Kongo), Kobalt (DR Kongo), Tantal ["Coltan"] (DR Kongo), Bauxit (Kamerun), Zink, Zinn, Kadmium, Germanium, Wolfram (DR Kongo), Mangan, Niobium (Gabun).