Die Parlamentarier sollten sich die Frage stellen, was passieren würde, falls das GKV-WSG nicht im April in Kraft trete. "Nichts", so der Kammerpräsident. "Die Abgeordneten sollten sich vielmehr die Zeit nehmen, aus den vorhandenen Möglichkeiten zu lernen. Die Politik könnte damit zeigen, dass sie bereit ist zuzuhören. Die Institutionen im Gesundheitswesen könnten bestehende Möglichkeiten und Verfahren besser anwenden, galoppierende Beitragssteigerungen und Verunsicherungen würden vermieden." Jonitz plädiert deshalb dafür, die Gesundheitsreform für mindestens ein Jahr auszusetzen.
Die Ärztekammer Berlin unterstützte die Aktionstage gegen das GKV-WSG vom 24. bis 26. Januar in Berlin. Der Hartmannbund Berlin und das Bündnis Berliner Kassenärzte hatten die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in der Hauptstadt zu Praxisschließungen aufgerufen. Mit den Aktionen wollten die Berliner Ärztinnen und Ärzte die Patienten auf die Folgen einer "völlig verfehlten Gesundheitspolitik" aufmerksam machen.
"Es ist wichtig, die Patientinnen und Patienten in der Hauptstadt weiterhin mit gezielten Aktionen auf die Konsequenzen für die medizinische Versorgung durch die Gesundheitsreform aufmerksam zu machen", meint Kammerpräsident Jonitz.
Berliner Hartmannbund: Keine Probleme schaffen
Statt Probleme zu lösen, schafften die Reformpläne der schwarz-roten Regierungskoalition nur neue und führten geradewegs in eine staatlich gelenkte Versorgung, so Vertreter des Bündnisses Berliner Kassenärzte und des Hartmannbundes Berlin am Freitag auf einer Pressekonferenz. Die Mediziner äußerten die Befürchtung, dass sich durch die Reform die ambulante medizinische Versorgung der Berliner erheblich verschlechtern wird.
Sie forderten die Politik auf, die Budgetierung aufzuheben und Ausgaben für die ambulante Versorgung dem Bedarf der Bevölkerung anzupassen. Die wohnortnahe Versorgung der Patienten dürfe nicht zerstört werden.An der dreitägigen Protestaktion, zu der das Bündnis Berliner Kassenärzte und der Hartmannbund Berlin aufgerufen hatten, hat sich etwa jeder zweite der rund 6.200 Berliner Kassenärzte beteiligt und seine Praxis tageweise geschlossen. Nach Ansicht der Organisatoren zeigt die hohe Beteiligung, wie groß der Unmut und die Ängste der Ärzte sind. Die Proteste seien notwendig gewesen, um den Druck auf die Politik weiter zu erhöhen.
Die Ärztevertreter wiesen den Vorwurf des Berliner Senats, die Proteste auf dem Rücken der Patienten ausgetragen zu haben, entschieden zurück. Die Patienten hätten im Gegensatz zur Politik verstanden, dass es um die Zukunft der ambulanten Versorgung in dieser Stadt gehe. Deshalb hätten die meisten von ihnen auch Verständnis für die zeitweiligen Praxisschließungen geäußert und sich mit den Ärzten "solidarisiert" - ein Sprachgebrauch, der für die traditionell konservative Ärzteschaft eher neu ist.
Viele Mediziner nutzten nach Angaben des Berliner Hartmannbundes die Aktionstage, um sich über neue gesetzliche Regelungen und Vereinbarungen zu informieren. Rund 1000 Ärzte hätten die Fortbildungsver-anstaltungen der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin besucht, "um sich unter anderen mit dem neuen Vertragsarztrecht vertraut zu machen oder über die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte zu informieren".