Die Schiffbrüchigen seien damals im Mittelmeer aus einer akuten lebensbedrohlichen Situation gerettet worden, schreibt die Hilfsorganisation in einer Erklärung zum Prozessauftakt. Der Versuch, sie in einen sicheren Hafen zu bringen, sei aber zu einem sechswöchigen Tauziehen mit den italienischen Behörden geworden.
Schließlich lief das Schiff nach der Erklärung des Notstandes und unter Berufung auf internationales Seerecht am 11. Juli 2004 einen italienischen Hafen an. Dort wurden Bierdel, der Kapitän Stefan Schmidt und der 1. Offizier Vladimir Daschkewitsch kurzzeitig festgenommen, 35 der geretteten Afrikaner wurden offenbar innerhalb weniger Tage wieder abgeschoben.
Der Vorwurf lautet jetzt "bandenmäßig betriebene Beihilfe zur illegalen Einreise in einem besonders schweren Fall". Flüchtlingsorganisationen bezeichnen die Anklage als Skandal und als einen Versuch, "humanitäres Handeln zu kriminalisieren".
Es sei im Sommer 2004 augenscheinlich Strategie hoher Regierungsstellen in Deutschland und Italien gewesen, an der "Cap Anamur" ein Exempel zu statuieren, um potentielle "Nachahmungstäter" von Rettungsfahrten im Mittelmeer abzuhalten, so die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl in einer Stellungnahme. Sie hoffe "auf einen baldigen Freispruch und auf ein Ende des Rachefeldzuges gegen die Lebensretter" und mahnt an, dass das internationale Seerecht die Staaten verpflichte, "mit den Kapitänen zusammenzuarbeiten, die Menschen aus Seenot gerettet haben." Allen Schiffen sei daher das unverzügliche Anlegen und das Absetzen von Schiffbrüchigen zu ermöglichen.
Pro Asyl fordert eine umfassende Rehabilitierung der Cap Anamur-Crew. Nicht sie, sondern "eine verfehlte europäische Asyl- und Migrationspolitik, die maßgeblich dazu beiträgt, dass im Kanal von Sizilien, in der Ägäis, in der Meeresenge von Gibraltar, vor den Kanarischen Inseln See-Friedhöfe entstehen, die von Tag zu Tag größer werden" würden auf die Anklagebank gehören.
Auch die Organisation Cap Anamur verteidigt die Handlung ihres ehemaligen Vorsitzenden und seiner Mitarbeiter. Die Angeklagten hätten in keiner Weise gegen italienische Gesetze verstoßen. Schlielich könne und dürfe die Rettung in Seenot geratener Flüchtlinge keine Straftat sein.
Stefan Schmidt, Kapitän der Cap Anamur selbst erklärte zu den Vorwürfen: "Was wir getan haben, hilflose Menschen aus Seenot zu retten, hätte jeder anständige Mensch getan."