Der Koalitionsvertrag stehe dieser Entscheidung nicht im Weg. "Wenn sich beide Partner einig sind, ist der Vertrag keiner Erwähnung mehr wert", meinte Scheer.
Eine am Gemeinwohl orientierte Bahn lasse sich nicht als Aktiengesellschaft in privater Hand führen. Ein privater Aktionär habe laut Aktienrecht einen einklagbaren Anspruch auf eine höchstmögliche Rendite. "Eine privatisierte Bahn müsste zwei Unternehmenszielen folgen, die nicht kompatibel sind", so Scheer. Gemeinnützigkeit und eine hohe Rendite schlössen sich für die Bahn aus.
Statt mit Börsenkapital könne sich die Bahn anders finanzieren: "Ich halte die Idee einer Bahnanleihe für sehr attraktiv und werde sie vorschlagen. Sie kann verknüpft werden mit Anreizen für die Bahnkunden", sagte Scheer. Gegen einen Verkauf der DB-Logistiktöchter spreche aus seiner Sicht nichts.
Wolf: Branchenfremde Konzernteile verkaufen
"Warum muss die Bahn globale Speditionen und Logistikunternehmen besitzen? Sie soll sich endlich wieder auf ihre Aufgabe konzentrieren, bürgernahen und verlässlichen Bahnverkehr zu gewährleisten", sagte Winfried Wolf von "Bahn für Alle".
Würde man die branchenfremden Konzernteile wieder verkaufen, käme mehr Geld in die Kasse als durch einen Börsengang, so Wolf. Auch eine Bahnanleihe könne er sich gut vorstellen. "Wenn der FC Bayern München als erfolgreichster Fußballclub den Börsengang des Klubs ablehnt und sich primär über die Geldanlage seiner treuesten Fans und einer FC-Bayern-Sparcard finanziert, sollte die Bahn ähnlich kreativ sein können."
Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und Bahn-Experte gehört zu den ersten Kritikern eines Börsengangs der Bahn. Wolf hatte schon in den 1990er Jahren gemeinsam mit der Umweltschutzorganisation Robin Wood die so genannte "Bahnreform" heftig kritisiert, in deren Zuge die Deutsche Bundesbahn und die ostdeutsche Reichsbahn in die bislang bundeseigene Deutsche Bahn AG umgewandelt und zu Lasten des Staates entschuldet worden war.
Neben zahllosen Streckenstilllegungen gelang es der Deutschen Bahn AG mit ihrem nunmehr privatwirtschaftlichen Management, innerhalb weniger Jahre erneut Milliardenschulden anzuhäufen. Die Umwandlung der Bahn in eine Aktiengesellschaft war zuvor vor allem mit dem hohen Schuldenstand der Bundesbahn begründet worden.
"Eisenbahner wollen keine Privatisierung" - Kritik an Gewerkschaft Transnet
"Wir wollen eine bundeseigene Bahn, aber sehr viel besser, als sie heute ist. Unser Ziel ist der Status quo plus", so Peter Conradi von der Expertengruppe "Bürgerbahn statt Börsenbahn". Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete forderte ein Eisenbahngesetz, "das der Bundesregierung Pflichten, aber auch Rechte gegenüber der Bahn gibt."
"Eisenbahner wollen keine Privatisierung", behaupete Hans-Gerd Öfinger von "Bahn von unten", einem Zusammenschluss privatisierungskritischer Transnet-Gewerkschafter. Transnet müsse sich endlich gegen den Ausverkauf der Bahn positionieren. Öfinger: "Bei jeder Privatisierung kommen die Interessen der Beschäftigten unter die Räder."
Das Bündnis "Bahn für Alle" begrüßte "das absehbare Scheitern der Bahn-Privatisierung" und stellte einen Musterantrag für die Bundestagsfraktionen vor, der einen endgültigen Stopp der Börsenpläne fordert.
Die Links-Abgeordnete Dorothee Menzner sagte, dass "zur Vorbereitung der Kapital-Privatisierung" bei der Bahn bereits über 5000 Kilometer Schienennetz stillgelegt und 200.000 Arbeitsplätze im Unternehmen und bei Zulieferern abgebaut worden wären. "Der Börsengang würde diesen Trend zum Nachteil von Fahrgästen und Beschäftigten verstärken. Von der Verschleuderung der mit öffentlichen Mitteln aufgebauten Bahn würden lediglich die institutionellen Anleger profitieren."