Nationalsozialismus
Auch forderte Baring die "Eindeutschung" statt der Integration von Ausländern und bezeichnete rechtsextremistische Gewalttaten als "Jugendverirrungen". Im Anschluss an Barings Vortrag hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende Christean Wagner dem Referenten gedankt, "der vielen aus dem Herzen gesprochen" habe.
Grünen-Fraktionsvorsitzender Tarek Al-Wazir nannte es "schlimm, wenn auf Veranstaltungen der CDU-Fraktion Reden gehalten werden, die auch bei NPD-Veranstaltungen Beifall finden würden."
Ruth Wagner: Peinlich, unwissenschaftlich, nicht akzeptabel
Als peinlich, unwissenschaftlich und für eine christlichen Werten zugewandten Partei wie der CDU nicht akzeptabel bezeichnete Ruth Wagner (FDP) die Thesen Barings. Die Aussage von Christean Wagner, die SPD habe ein ungeklärtes Verhältnis zum Vaterland, sei angesichts der Tatsache, dass viele Sozialdemokraten in der Nazi-Zeit für die Demokratie gestorben seien, inakzeptabel.
Nach Protesten und einer Sitzung des Ältestenrats distanzierte sich Christean Wagner schließlich von seiner Äußerung. Er erkenne die historischen Verdienste der SPD um Deutschland und die Demokratie an und halte Sozialdemokraten keineswegs für "vaterlandslose Gesellen".
Al-Wazir sagte, dass erst in der letzten Woche die hessische CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach erklärt habe, dass Polen und Tschechen schon vor dem Zweiten Weltkrieg die Deutschen vertreiben wollten und Hitler und den Nationalsozialismus nur dazu benutzt hätten, ihren Wunsch in die Tat umzusetzen. "Es ist von Martin Hohmann über Erika Steinbach bis Christean Wagner immer die gleiche Melodie die da gespielt wird, und zwar nicht von irgendwem. Erika Steinbach ist Mitglied im CDU-Bundesvorstand, Christean Wagner ist in der Grundsatzkommission der Bundes-CDU sogar Leiter des Bereichs Innen und Recht. Wir haben die Hoffnung auf die Selbstreinigungskräfte der Landes-CDU inzwischen fast schon aufgegeben. Umso dringender ist es, dass die Bundesvorsitzende der CDU einen klaren Trennungsstrich zum rechten Rand zieht", forderte Al-Wazir.
Christean Wagner: "Halten Sie das für eine Verharmlosung und Relativierung der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft?"
Nach Darstellung von Christean Wagner sagte Baring - "im Zusammenhang" - wörtlich folgendes: "Natürlich ist vollkommen klar, dass die 12 Jahre Hitler mit uns sein werden solange es Deutsche gibt. ... Das ist nicht zu ändern, das ist eine Katastrophe gewesen und die Verbrechen haben uns anhaltend beschädigt. Aber es ist natürlich ebenso wahr, dass diese 12 Jahre und diese verbrecherischen Züge nicht das Ganze unserer Geschichte ausmachen; dass dies eine beklagenswerte Entgleisung gewesen ist; dass wir im Grunde genommen nur mit Trauer an diese Phase zurückdenken; dass dies eben eine Vergangenheit ist die nicht vergehen will; ..."
Das zeigt für den Fraktionsvorsitzenden der CDU: "Wenn man seine Ausführungen im Zusammenhang gehört hat, vermittelt sich ein anderes Bild, als das, was Sie von SPD und Grünen hier in durchschaubarer Absicht zu zeichnen versuchen." Der Zusammenhang spreche von "Katastrophe", "Verbrechen" und zitiere das Wort von der "Vergangenheit, die nicht vergehen" wolle. "Halten Sie das für eine "Verharmlosung und Relativierung der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft?", fragte Wagner. "Verlässt das den gesellschaftlichen Konsens in der Bewertung der Nationalsozialistischen Gewaltherrschaft?"
Für Christean Wagner ist Professor Baring ein hochangesehener Wissenschaftler, dessen internationales Renommee außer Zweifel stehe. Er sei 30 Jahre lang Hochschullehrer am Otto-Suhr-Institut und am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin gewesen. Baring sei für die Politik und politiknahe Einrichtungen "ein gefragter Berater und Impulsgeber". Der SPD wirft Wagner vor, ihr gehe es "gar nicht darum, über den Vortrag eines Historikers seriös zu diskutieren".
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) habe Baring zu seinem 70. Geburtstag wie folgt gewürdigt: "Ausgestattet mit einem hervorragenden wissenschaftlichen Renommee, dabei unangepaßt und kantig, mit diesen Voraussetzungen haben Sie die historisch-politische Streitkultur in Deutschland wesentlich mitgeprägt. Die Auseinandersetzung mit Ihren Veröffentlichungen, mit Ihren Analysen und Ihren oft auch unbequemen Thesen ist nicht nur für die Wissenschaft, sondern gerade auch für die Politik immer wieder anregend. ... Unsere Demokratie braucht Menschen wie Sie."
Die CDU habe eine Vortragsreihe ins Leben gerufen, in dessen Mittelpunkt der Diskurs stehe, so Wagner. "Ein solcher Diskurs darf auch kontrovers sein, ja, die Kontroverse ist ausdrücklich erwünscht. Das entspricht unserem Verständnis von Freiheit der Rede und Freiheit der Wissenschaft. Es versteht sich von selbst, dass wir uns einzelne Formulierungen und Auffassungen nicht zu eigen machen."