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"In Billigjobs zwingen"

Diskussion über die Vorschläge des Sachverständigenrates zum Arbeitslosengeld

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Die große Koalition diskutiert weiter über die Vorschläge des Sachverständigenrates der Bundesregierung zu Arbeitslosengeld II und Kombilöhnen. Der Sachverständigenrat hatte am Freitag vorgeschlagen, die Unterstützung für Langzeitarbeitslose von derzeit 345 Euro pro Monat um 30 Prozent zu kürzen und im Gegenzug die Hinzuverdienstmöglichkeiten zu erweitern. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) forderte am Montag stärkere Anreize zur Aufnahme von Arbeit. Der Arbeitsmarkt- und Sozialexperte der Union, Ralf Brauksiepe (CDU), wandte sich gegen eine generelle Kürzung der Regelsätze. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Klaus Brandner, mahnte, die Wirkung der jetzigen Hinzuverdienst-Regeln erst einmal abzuwarten. Links-Fraktionsvize Klaus Ernst warf den Experten vor, sie hätten den Bezug zur Realität verloren. Sein Kollege Herbert Schui kritisierte, der Sachverständigenrat wolle "die Menschen in Billigjobs zwingen".


Althaus sagte, die Einkommen, die sich über "Hartz IV"-Leistungen, Zuschläge und Wohnungsgeld erzielen ließen, seien oft zu hoch. Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) I oder II hätten oftmals genauso viel oder mehr Geld in der Tasche wie Beschäftigte. Das sei "ein Missstand, den wir beheben müssen". Es gebe genügend Arbeit. "Es gibt nur zu wenig Arbeit zu Preisen, die die Unternehmen bezahlen können", sagte er. Es müsse gelingen, Arbeit zu Marktpreisen zu vermitteln und nicht staatlich zu subventionieren. Althaus erinnerte in diesem Zusammenhang an das in der thüringischen Landesregierung entwickelt Modell eines "solidarischen Bürgergeldes", das jedem Bürger, ob Kind oder Erwachsenem, gezahlt werden solle. Damit könnten alle über ein garantiertes bedingungsloses Grundeinkommen verfügen, das aus Steuermitteln finanziert werde.

"Wem wir keine Arbeit anbieten können, oder wer sich ehrlich, aber erfolglos um Arbeit bemüht, dem kürzen wir auch nicht das Geld", sagte der CDU-Politiker Brauksiepe, ohne allerdings auf die Höhe der Entlohnung für die angebotenen Jobs einzugehen. Sehr erwägenswert seien die Vorschläge zur Lockerung der Hinzuverdienstregelungen. "Die Richtung stimmt: Bei geringem Hinzuverdienst soll weniger anrechnungsfrei gelassen werden, bei höherem Hinzuverdienst soll dagegen großzügiger verfahren werden", sagte er. Es gehe nicht an, dass jemand freiwillig seine Arbeitszeit reduziere, um in vollem Umfang seine Transferansprüche zu wahren. "Die Frage darf nicht lauten: Wieviel Geld darf ich noch hinzuverdienen, um den umgeschmälerten ALG-II-Anspruch zu behalten?", forderte er.

Brandner sagte, eine Neuregelung der Zuverdienstmöglichkeiten für "Hartz IV"-Empfänger sei verfrüht. "Die aktuellen Verdienstgrenzen sind erst seit April 2006 endgültig in Kraft - es gibt absolut noch keine Daten dazu, welche Wirkung sie haben", sagte er. Auch sehe er keine Notwendigkeit, die Arbeitsanreize für Langzeitarbeitslose zu erhöhen. "Die bestehenden Ein-Euro-Jobs erfreuen sich großer Resonanz, ich sehe keinen Mangel an Arbeitsbereitschaft", sagte Brandner. Zudem warnte er vor der flächendeckenden Ausweitung von Arbeitsgelegenheiten. Dies wäre eine Gefahr für normale Beschäftigung, vor allem im Handwerk.

Ernst sagte, viele "Hartz IV"-Empfänger lebten heute schon unter der Armutsgrenze . Dennoch wolle ihnen der Sachverständigenrat weitere 30 Prozent wegnehmen. "Hochbezahlte Professoren, offenbar frei von Sachverstand und Realitätsbezug, fordern weitere Kürzungen bei den Ärmsten", kritisierte er. Pofalla warf er vor, die Bundestagsabgeordneten zu belügen: "CDU-Generalsekretär Pofalla schreckt auch nicht vor einer Lüge zurück, um seine Abgeordneten zur Verteidigung des Sachverständigenrates zu mobilisieren. Entgegen seiner Behauptung im Bundestagsplenum, Leistungskürzungen seien nur bei Arbeitsverweigerung vorgesehen, fordert der Sachverständigenrat eine flächendeckende Reduktion der Leistungssätze für Erwerbsfähige um 30 Prozent."

Der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Herbert Schui, kritisierte, der Sachverständigenrat wolle "die Menschen in Billigjobs zwingen". Gleichzeitig sage er, dass es nicht genug Billigjobs gebe. Das sei ein wichtiges Eingeständnis: "Selbst Minimallöhne bringen nicht die nötigen Arbeitsplätze."

Dennoch richte sich der nicht legitimierte politische Ehrgeiz des Sachverständigenrats "gegen die Arbeitslosen". Er drohe ihnen eine Kürzung des ALG II-Regelsatzes um 30 Prozent an. Für Arbeitslose, die keinen Billigjob fänden, solle verstärkt die Möglichkeit gemeinnütziger Beschäftigung angeboten werden.

Letztlich verlange das Gutachten, "dass Arbeitslose sich ihre Unterstützung durch unterbezahlte Arbeit verdienen. Dabei gilt: je verzweifelter die Lage der Menschen, desto geringer das anrechenbare Einkommen und damit die Entlastung der Sozialkassen. Deswegen brauchen wir einen gesetzlichen Mindestlohn, den der Sachverständigenrat ablehnt." Vier der Sachverständigen nähmen einfach nicht zur Kenntnis, dass Beschäftigung auch eine Frage der Massenkaufkraft sei, kritisiert Schui. "Sie sind mit ihrer Weisheit am Ende."

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