Braunkohle
RWE: Wirkungsgradsteigerungen im Vergleich zu Altanlagen
RWE-Chef Harry Roels sagte, dass RWE mit dem Kraftwerk Neurath Maßstäbe in der technologischen Entwicklung der Braunkohlenverstromung setze. Dafür investiere RWE 2,2 Milliarden Euro. Greenpeacerin Gabriela von Goerne betrachtet dies als Fehlinvestition: "Statt Milliarden Euro für ineffiziente, klimaschädliche Kraftwerke zu verschenken, müssen Politik und RWE endlich die Energieversorgung neu gestalten und Erneuerbare Energien massiv fördern. Das schafft Arbeitsplätze und sichert eine lebenswerte Zukunft."
Roels beschreibt das neue Kohlekraftwerk als eine Form nachhaltiger Klimavorsorge: Mit der neuen Technologie steige der Wirkungsgrad der Stromerzeugung auf Basis Braunkohle um mehr als 30 Prozent im Vergleich zu Altanlagen. Entsprechend gehe der Kohlendioxid-Ausstoß pro erzeugter Kilowattstunde Strom zurück.
Greenpeace: In Neurath wird mehr Kohlendioxid emittiert als in ganz Neuseeland
Für Greenpeace sind das Peanuts: Die Verfeuerung von Braunkohle zur Stromerzeugung verschärfe den Klimawandel erheblich. Kein anderer Energieträger erzeuge pro Kilowattstunde Strom mehr Kohlendioxid. Selbst die neuen Kraftwerke seien ineffizient - nicht einmal die Hälfte der eingesetzten Energie werde genutzt, der Großteil entweiche als Abwärme über die Kühltürme. RWE wolle in den nächsten Jahren für zwölf Milliarden Euro zehn neue Braunkohlekraftwerke errichten. Allein in Neurath würde nach der Fertigstellung mehr Kohlendioxid ausgestoßen werden als in ganz Neuseeland.
Greenpeace bezeichnete RWE als "Europas größten Klimazerstörer unter den Energieerzeugern". Der Konzern sei für 15 Prozent der europäischen Kohlendioxid-Emissionen aus der Stromproduktion verantwortlich und mit jährlich 168 Millionen Tonnen Kohlendioxid der größte Produzent von Treibhausgasen in Europa. "RWE macht mit der Klimazerstörung Milliardengewinne und die Bundesregierung hilft ihr dabei", so von Goerne.
BUND: Das RWE-Kraftwerk "vertreibt" mehr als 7.600 Menschen aus ihrer Heimat
Der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte, dass das neue Braunkohlekraftwerk im Regelbetrieb stündlich mindestens 1.800 Tonnen Kohlendioxid ausstoßen würde. Zwar sei die Stromausbeute gegenüber den Altkraftwerken "etwas höher", RWE wolle aber unverändert viel Kohle einsetzen, womit das BoA-Kraftwerk ein "klimaschutzpolitisches Nullsummenspiel" sei. Außerdem weigere sich RWE "beharrlich", Altkraftwerke stillzulegen. Seit Inbetriebnahme des 950-Megawatt-Kraftwerks Niederaußem im Jahr 2002 sei lediglich ein 150-Megawatt-Block in Frimmersdorf vom Netz genommen worden.
"Ein Skandal ist, dass dieser klimaschutzpolitische Wahnsinn auch noch mit mehr als 3 Milliarden Euro indirekter Subventionen durch die Bundesregierung gefördert wird", kritisiert BUND-Geschäftsleiter Dirk Jansen. "Nur durch die kostenlose Zuteilung von Emissionsrechten für 18 Jahre und die milliardenschwere Bevorzugung gegenüber wesentlich weniger umweltschädlichen Gaskraftwerken wird der Bau dieses Klimakiller-Kraftwerks lukrativ."
Ökologisch bedenklich sei auch die Einleitung von Kühlwasser in die Erft. Dadurch werde dieser Fluss "dauerhaft tropenähnliche Temperaturen aufweisen". Heimische Flora und Fauna werde dadurch verdrängt, vermuten die Umweltschützer. Auch weigere sich RWE, zur Reduzierung der Feinstaub-Belastung die aktuelle Filtertechnik einzubauen. "Auch deshalb hat der BUND gegen die Genehmigung des Kraftwerks eine EU-Beschwerde eingelegt."
Die Umweltschützer verweisen auch auf unmittelbare Folgen für die Menschen in der Region. Das RWE-Kraftwerk "vertreibt" laut BUND mehr als 7.600 Menschen aus ihrer Heimat, da der Großteil der Kohle aus dem 48 Quadratkilometer großen Tagebau Garzweiler II kommen solle.
Laut RWE "sichert" der Betrieb des neuen Kraftwerks rund 2000 Arbeits- und Ausbildungsplätze in den Tagebauen, der Verwaltung und am Standort selbst. Der BUND hebt hervor, dass das Braunkohle-Kraftwerk aber "keine neuen" Arbeitsplätze schaffe. Allein im letzten Jahrzehnt habe RWE Power die Zahl der Arbeitsplätze in den Tagebauen und Kraftwerken des Rheinlands auf heute 8.477 mehr als halbiert. Dem gegenüber hätten die Hersteller erneuerbarer Energieanlagen und -systeme in Nordrhein-Westfalen 2005 rund 3,5 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet. Der BUND verweist auf den Arbeitsplatz-Effekt: "Über 15.000 Menschen arbeiten in Nordrhein-Westfalen derzeit in der jungen Branche; bundesweit waren es im Jahr 2005 insgesamt 170.000 Arbeitsplätze."
"Unterm Strich" werde mit dem neuen Kraftwerk "die bisherige, das Klima und die Umwelt schädigende Energiepolitik für weitere 40 Jahre zementiert", kritisiert der Umweltverband. Der dringend notwendige Ausbau effizienter Energiespartechnologien und Erneuerbarer Energien erleide durch "diese 2,2 Milliarden-Euro-Fehlinvestition" einen herben Rückschlag. Das Kraftwerk sei das erste von bundesweit mindestens 12 geplanten neuen Kohlekraftwerken. Mit deren Realisierung verabschiede sich Deutschland endgültig vom Klimaschutz.