Juli 2006
Alle Artikel aus diesem Monat und Jahr sind hier zu finden.
Schüler und Studenten protestieren in Frankfurt gegen Studiengebühren
Mehrere tausende Schüler und Studenten aus Hessen und anderen Bundesländern haben erneut gegen die Einführung von Studiengebühren protestiert. In Frankfurt am Main versammelten sie sich am Donnerstagnachmittag zu einem Sternmarsch durch die Innenstadt. Nach Auffassung des Vereins Übergebühr bleibt es nicht bei 500 Euro Studiengebühren pro Semester - zuzüglich des Semesterbeitrags, der in Frankfurt rund 250 Euro beträgt. "Hessen zeigt, wohin die Reise noch geht - dort sollen Master-Studierende ab Wintersemester 2010/11 und 'Nicht - EU/EWR - AusländerInnen' bis zu 1500 Euro zahlen." Studiengebühren verschärften die soziale Ausgrenzung im Bildungssystem massiv. "Wer keine reichen Eltern hat, muss sich verschulden und zahlt dabei wegen der Zinsen auch noch drauf." Zudem seien die Zeiten längst vorbei, in denen ein Studienabschluss Garant für einen "guten" Job gewesen sei. "Längst dominieren in vielen Tätigkeitsfeldern prekäre - schlechtbezahlte, ungesicherte - Arbeitsverhältnisse, auch für AkademikerInnen."
Attac kritisiert Gesundheitsreform als "schamlose Abzocke"
Attac sieht in "dem angeblichen Kompromiss" zur Gesundheitsreform "nichts als eine schamlose Abzocke der Kranken und Versicherten". "Eine medizinische Versorgung für alle verlangt, dass deren Kosten allen je nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit getragen werden", meint der Chefarzt an der Hochrheinklinik in Bad Säckingen, Arndt Dohmen, zugleich aktiv in der Attac-AG "Soziale Sicherungssysteme". Eine solche solidarische Bürgerversicherung setze voraus "dass sich niemand mehr aus der Solidarität davonstehlen kann, also die Beitragsbemessungsgrenze fällt". Attac fordert daher die Abschaffung der privaten Krankenversicherung. Weiterhin müssten die Unternehmen die Hälfte der Kosten des Gesundheitssystems tragen, damit ein gesetzlicher Krankenversicherungsschutz für alle Menschen im Land finanzierbar sei.
"Auf jeden Fall besser für die Unternehmen"
In einem Interview mit dem Handelsblatt sprach Bundesfinanzminister Peer Steinbrück über die Senkung der Körperschaftssteuer, die einheitliche Bemessungsgrundlage für Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer sowie über die Frage, wie man die Kapitalflucht verhindern könne. Steinbrück schloss definitiv aus, dass die Firmen am Ende stärker besteuert würden als heute. "Das, was wir planen, ist auf jeden Fall besser für die Unternehmen als das, was wir heute haben", so Steinbrück. "Ich würde mich freuen, wenn auch der BDI und andere Wirtschaftsverbände sich erst einmal unterstützend äußern würden, um dann Verbesserungen im Detail anzuregen, anstatt reflexhaft wegen eines Details gleich alles zu verreißen."
Deutscher Luftwaffenpilot fliegt ins All
Der Der Tornado-Pilot der deutschen Luftwaffe, Thomas Reiter, flog am Dienstag abend mit der US-Raumfähre "Discovery" ins All. Ziel ist die Internationale Raumstation ISS. Der Soldat soll für ein halbes Jahr an der ersten Langzeitmission der European Space Agency (ESA) teilnehmen. Nach Angaben der deutschen Bundesregierung hat Oberst Reiter "wichtige wissenschaftliche Geräte" an Bord. In der Raumstation ISS soll er mit seinen Kollegen, dem russischen Kommandanten Pawel Winogradow und dem amerikanischen Flugingenieur Jeffrey Williams, ein umfangreiches wissenschaftliches Programm durchführen.
Die EU befasst sich mit den Rechten von Kindern
Erste EU-Strategie zu Kinderrechten Die Kommission hat am Mittwoch eine "Mitteilung" angenommen, in der sie Überlegungen zu einer EU-Kinderrechtsstrategie anstellt. Dies ist das erste Mal, dass die Kommission bei Kinderrechten einen derart breit gefächerten Ansatz wählt. Betroffen sei sowohl die Politik im Inneren als auch nach außen. Das Thema berühre mehr als zehn Einzelbereiche, darunter Zivil- und Strafrecht, Beschäftigung, Entwicklungszusammenarbeit, Handelsgespräche, Bildung und Gesundheit. Die EU richtet hierbei ihren Blick auch ins außereuropäische Ausland: "Die EU kann dank ihrer Präsenz und ihres Einflusses in der Welt die allgemeinen Kinderrechte in allen Ländern wirksam fördern."
Ärzte kritisieren baden-württembergische Abschiebepraxis
Die Ärzteschaft in Baden-Württemberg klagt über Menschenrechtsverletzungen bei der Abschiebung von Flüchtlingen mit Psychotrauma. Der Menschenrechtsexperte der Landesärztekammer in Stuttgart, Matthias Odenwald, warf den Landesbehörden am Dienstag vor, die Traumatisierung vieler Flüchtlinge nicht ernst zu nehmen. Odenwald nannte mehrere Beispiele, wonach Ausreisepflichtige direkt aus psychiatrischen Kliniken heraus abgeschoben wurden. In einem Fall habe sich ein Mann selbst abgezündet, um seine Abschiebung zu verhindern.
Gewerkschaften und Attac kritisieren Pläne zur Unternehmensteuerreform
Als Schritt in die falsche Richtung kritisieren Wissenschaftler und Vertreter von Gewerkschaften und globalisierungskritischem Netzwerk Attac den Beschluss des Koalitionsausschusses, die Unternehmen um 4 bis 8 Milliarden Euro zu entlasten. In einem Papier fordern sie eine grundlegende Änderung der Unternehmensbesteuerung. "Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Bundesregierung immer noch glaubt, die Unternehmen würden sich für die weiteren Entlastungen mit Investitionen und Mehrarbeitsplätzen bedanken", kritisiert Michael Schlecht, Verdi-Chefökonom. "Seit 1998 sind die Unternehmen steuerlich um rund 11 Milliarden Euro pro Jahr entlastet worden. Die positiven Effekte für Beschäftigung und Investitionen sind aber nicht eingetreten. Der öffentlichen Hand fehlen die Mittel für vernünftige und zukunftsweisende Infrastrukturpolitik", so Schlecht.
Sammlung, Behandlung und Recycling von Altbatterien und Altakkumulatoren
Nach zweijährigen Verhandlungen haben am Dienstag die Abgeordneten des Europäischen Parlaments eine Richtlinie angenommen, auf deren Grundlage es ab 2008 EU-weit Systeme zur Sammlung von Altbatterien und -akkumulatoren geben soll. Praktisch bedeutet das, dass sechs Jahre nach dem Inkrafttreten der Richtlinie 25 Prozent und nach zehn Jahren 45 Prozent der Altbatterien und ‑akkumulatoren "möglichst weitgehend getrennt gesammelt" werden müssen. Von den gesammelten Batterien wiederum müssen zwischen 50 und 75 Prozent des Gewichts recycelt werden. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.
Rechtsberatung kann künftig teuer werden
Sei 1. Juli können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Höhe der Gebühren für Beratung und Gutachten mit ihren Mandanten freier vereinbaren. Die gesetzlich vorgeschriebenen Sätze nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz fallen zu diesem Stichtag weg. "Anwälte und Mandanten sollten künftig gleich zu Anfang darauf achten, die außergerichtliche Vergütung ausdrücklich und möglichst schriftlich zu vereinbaren. Nur so lässt sich späterer Streit vermeiden. Eine solche individuelle Vereinbarung hat den großen Vorteil, dass der Mandant von vorneherein weiß, welche Rechnung ihn am Ende erwartet", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries. Eine Beratung kann die Verbraucher schnell mehr als 500 Euro kosten.
WTO-Verhandlungen ohne Ergebnis vertagt
Die WTO-Verhandlungen zur stärkeren Öffnung von Märkten für Agrarprodukte und Industriegüter wurde am Wochenende ohne Ergebnis vertagt. Die Minister aus 70 Ländern hatten sich in Genf getroffen um einen Teil der bestehenden Differenzen im Rahmen der WTO-Verhandlungen zu beseitigen. "Schon vor der Sitzung war klar, dass die Positionen noch sehr weit auseinander lagen", sagte Staatssekretär Gert Lindemann aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium und richtete seine Kritik an die USA: Man hätte sich "von den USA mehr Flexibilität erwartet." Die EU, die USA, Japan, Brasilien, Indien und Australien wollen jetzt offenbar bis Ende Juli versuchen, ihre Positionen anzunähern. Da die Verhandlungsbevollmächtigung, die der Kongress der US-Regierung erteilt hat, im nächsten Jahr ausläuft, will man versuchen bis zur Sommerpause Ende Juli doch noch einen Kompromiss zu finden.