Bislang sei "beinahe der gesamte Bereich des Jugendstrafvollzugs" nicht ausreichend gesetzlich geregelt, sagte Gerichtsvizepräsident Winfried Hassemer. Es gebe nur wenige Einzelvorschriften im Jugendgerichtsgesetz und im Strafvollzugsgesetz, das seit 30 Jahren den Erwachsenenstrafvollzug regelt. Das Verfassungsgericht betonte, dass Eingriffe in die Grundrechte von Strafgefangenen einer gesetzlichen Grundlage bedürften. "Es gibt keinen Grund, weshalb für den Jugendstrafvollzug etwas anderes gelten sollte", heißt es in dem Grundsatzurteil des Zweiten Senats. Gefangene im Jugendstrafvollzug seien "Grundrechtsträger wie jeder andere Gefangene auch".
Hassemer sagte, der Jugendstrafvollzug sei "ganz anders als der Erwachsenenstrafvollzug". Eine Freiheitsstrafe wirke sich für Jugendliche besonders einschneidend aus. Jugendliche befänden sich "biologisch, psychisch und sozial in einem Stadium des Übergangs, das mit Spannungen, Unsicherheiten und Anpassungsschwerigkeiten verbunden" sei. Diesen Besonderheiten müsse im Vollzug Rechnung getragen werden. Es gebe hier in mehrfacher Hinsicht "Regelungsbedarf". So müssten etwa die Besuchsmöglichkeiten für familiäre Kontakte "um ein Mehrfaches über denen im Erwachsenenstrafvollzug angesetzt" werden. Der Gesetzgeber müsse zudem ein "wirksames Resozialisierungskonzept entwickeln, wobei er einen "weiten Spielraum" habe.
Anlass des Urteils war die Verfassungsbeschwerde eines jungen Mannes, der seit Mitte 2003 eine neunjährige Jugendstrafe verbüßt. Er wandte sich unter anderem gegen die Überwachung seines Schriftwechsels mit der Begründung, dafür gebe es keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. (AZ: 2 BvR 1673/04; 2 BvR 2402/04)
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sagte vor der Urteilsverkündung in Karlsruhe, der Bund habe bereits seit längerem einen Entwurf für ein Jugendstrafvollzugsgesetz erarbeitet. Die Umsetzung sei bislang aber an den Bundesländern gescheitert, weil diese Kostengründe angeführt hätten.