Überblick
Der neue Berliner Hauptbahnhof wurde von den Hamburger Architekten von Gerkan, Marg & Partner entworfen. Seine Architektur ist nach Darstellung der Bundesregierung "filigran, großzügig und lichtdurchflutet: Ein raffiniertes System großer Öffnungen in den Decken aller Ebenen lässt das Tageslicht bis zu den unteren Gleisen gelangen." Die gläserne Halle der in Ost-West-Richtung verlaufenden Stadtbahn ist 321 Meter lang. Sie wird von der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden 160 Meter langen und 40 Meter breiten Bahnhofshalle gekreuzt. Damit werde der vorgegebene Gleisverlauf auch architektonisch unterstrichen. Die Gleise der Nord-Süd-Verbindung befinden sich 15 Meter unter der Erde. Dagegen liegt die Ost-West-Verbindung 10 Meter über dem Straßenniveau.
Insgesamt sind 70.000 Quadratmeter Geschossfläche entstanden, davon 15.000 Quadratmeter für Handel und Gastronomie. Auf drei Etagen und 15.000 Quadratmetern Fläche bieten 80 Geschäfte ein umfangreiches Einkaufs- und Gastronomieangebot.
Trotz seiner Größe ist der neue Hauptbahnhof laut Bundesregierung ein "Umsteigebahnhof der kurzen Wege". 54 Fahrtreppen, 34 Aufzüge, "davon sechs spektakuläre gläserne Panoramaaufzüge, sowie zahlreiche feste Treppen erschließen eine Verkehrsfläche von insgesamt 430 mal 430 Metern". Die transparente Gestalt des Bahnhofs sowie "ein durchdachtes Wegeleitsystem" erleichterten zusätzlich die Orientierung. "Der neue transparente Hauptbahnhof steht für ein modernes, aufgeschlossenes und weltoffenes Land", so Merkel bei der Eröffnung.
Nach Auffassung von Bahn-Chef Mehdorn ist Berlin mit "dem neuen Verkehrskonzept" und dem Hauptbahnhof als Symbol "wieder eine Weltmetropole des Bahn-Verkehrs. So modern und zukunftsweisend ist kaum eine zweite Stadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ausgestattet." Ein alter Traum gehe in Erfüllung, die Ost-West- und Nord-Süd-Verkehre an einem Hauptbahnhof zu verknüpfen.
Mit der Inbetriebnahme der Nord-Süd-Verbindung, des Hauptbahnhofs, der Fernbahnhöfe Südkreuz und Gesundbrunnen sowie den drei Regionalbahnhöfen Potsdamer Platz, Lichterfelde Ost und Jungfernheide schließt die Bahn eines der größten Bauprojekte in der deutschen Eisenbahngeschichte ab. Der Bahnverkehr in Berlin wird laut Bundesregierung "grundlegend neu geordnet – mit verkürzten Reisezeiten, die sich bundesweit auf vielen Verbindungen auswirken werden".
Parallel nehme die Bahn auch die Strecke Leipzig-Berlin mit Tempo 200 in Betrieb. Die schnellsten Züge fahren dann eine Stunde zwischen den beiden Städten, die Fahrzeit verkürze sich um 50 Minuten. Im Regionalverkehr gibe es Zeitgewinne von bis zu 40 Prozent.
Kritik am Großprojekt
Die Bahn-Gewerkschaft TRANSNET begrüßte zwar die Eröffnung des Hauptbahnhofes in Berlin, betonte aber, dass sich "eine Renaissance des Schienenverkehrs" nicht an großen Bahnhöfen alleine festmache. Die Investitionen in die Schiene dürften sich "nicht alleine auf Magistralen und Ballungszentren" beschränken. Sämtliche Bauvorhaben müssten sich der Frage unterwerfen, ob sie zu einer stärkeren Verkehrsverlagerung auf die Schiene beitrügen.
"Wir brauchen ein flächendeckendes Angebot, das aufrechterhalten und ausgebaut wird und das eine sinnvolle Alternative zum Auto darstellt", forderte Gewerkschaftschef Norbert Hansen. Insbesondere der ländliche Raum dürfe nicht vom Schienenverkehr abgekoppelt werden. "Wir benötigen verstärkte Investitionen in das Verkehrssystem Schiene und wir brauchen ein integriertes Verkehrssystem in Deutschland." Aus einer Konkurrenz der Verkehrsträger müsse eine "sinnvolle Verknüpfung" werden.
In diesem Zusammenhang warnte Hansen auch noch einmal vor einer Kürzung der Regionalisierungsmittel. Die Gelder, die insbesondere für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) bestimmt seien, dürften nicht gekürzt werden. "Wer dort die Axt ansetzt, sägt an der Mobilität der Menschen, gefährdet die Umwelt und schwächt die Wirtschaft", meint der Gewerkschafts-Chef.
Von wesentlich härterer Kritik wurde die Bahnhofs-Eröffnung von Attac, der Initiative "Bahn von unten" sowie von der Bahnexpertengruppe "Bürgerbahn statt Börsenwahn" begleitet. "Erst eröffnen, dann verramschen?", fragten die Kritiker, die sich gegen den geplanten Verkauf der Bahn an private Investoren wenden. "Parallel zu den prunkvollen Eröffnungsfeierlichkeiten betreiben die Gastgeber den Ausverkauf der Bahn", kritisierte Hendrik Auhagen von Attac. "Wir wollen eine kundenfreundliche Bahn für alle. Statt dessen droht jetzt ein kurzsichtiges Verschleudern 170 Jahre alten Gemeineigentums."
Der neue Hauptbahnhof spiegele eine Bahnpolitik wider, "die gnadenlos auf die Profitinteressen der Investoren hin orientiert ist", sagte Winfried Wolf von der Bahnexpertengruppe. Der Hauptbahnhof sei nicht für die Reisenden geplant. Kaum ein anderer Fernbahnhof sei "so ungenügend" in den öffentlichen Nahverkehr eingebunden.
Die Kritiker warnen zudem vor den längerfristigen Folgen eines Bahnverkaufs. "Die Gewinne, die die Investoren einplanen, erfordern harte Einsparungen am Fahrplanangebot, an den Beschäftigten, an der Wartung, am Service", vermutet Kerstin Fürst von der Initiative "Bahn von unten". "Zuerst bekommen das die Bahnbeschäftigten zu spüren. Sie müssen um ihren Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen bangen."