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Scharfe Kritik vom Lehrerverband

OECD-Bericht sieht in Deutschland geringere Bildungschancen für Migrantenkinder

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Einem OECD-Bericht zufolge haben die Kinder von Zuwanderern in Deutschland schlechtere Bildungschancen als in zahlreichen anderen Ländern. Zudem seien die Leistungsunterschiede zu einheimischen Schülern in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich mit am stärksten ausgeprägt. Das ergab eine OECD-Analyse von 17 Ländern, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Sie basiert auf den Ergebnissen der PISA-Bildungsstudie aus dem Jahr 2003. Die in Deutschland geborenen Kinder ausländischer Eltern seien in ihren Leistungen sogar schlechter als Schüler, die später aus dem Ausland zugewandert sind. Der Deutsche Lehrerverband hält diese Kernbotschaften des OECD-Berichts für nicht zutreffend.


Der Studie zufolge konnten in Deutschland mehr als 40 Prozent der getesteten Migrantenkinder der zweiten Generation nicht einmal grundlegende Kompetenzen in Mathematik nachweisen. Damit müssen sie in ihrem späteren Berufsleben mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen.

Deutscher Lehrerverband: Die Integration gelingt nicht weniger schlecht als anderswo

Der Deutsche Lehrerverband übte massive Kritik "an der jüngsten OECD-Veröffentlichung". "Die OECD tischt einmal mehr Halbwahrheiten auf und tut so, als handle es sich hier um neue Daten", sagte Verbands-Präsident Josef Kraus. "Es ist auch nicht seriös, wenn der OECD-Sprecher die Datenpräsentation mit persönlichen Wertungen, etwa einem Plädoyer für Schuluniformen, verbindet und die Rütli-Schule für seine Einheitsschul-Ideologie instrumentalisiert."

Die schulische Integration von Migrantenkindern gelinge in Deutschland nicht weniger schlecht als in den meisten anderen OECD-Ländern. "Die PISA-Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund liegen nämlich im OECD-Durchschnitt um 36 Punkte hinter dem jeweiligen Landeswert. Migrantenkinder in Deutschland haben hier ein Minus von 40 Punkten."

Nur in Australien, Kanada und in den USA sähe das anders aus. Dort würden Migrantenkinder in etwa dieselben PISA-Werte wie die Kinder ohne Migrationsgeschichte erzielen. Allerdings sei das in diesen drei Einwanderungsländern wohl weniger eine Leistung der Schulen, sondern "Ergebnis einer anderen Migrationspolitik und einer anderen Haltung der Migranten zu Fragen der Integration und zur Landessprache des Einwanderungslandes". Dort, wo der Ausländeranteil vergleichbar mit Deutschland sei, sprächen die Migrantenkinder in der Regel die jeweilige Landessprache, in England eben englisch und in Frankreich französisch. "Anders in Deutschland: Hier tun sich immer noch zu viele Migrantenkinder mit dem Deutschen schwer."

"Gerade das vielgerühmte und zum PISA-Mythos hochstilisierte Finnland hat erhebliche Probleme mit Migrantenkindern, wiewohl von den finnischen Schülern nur 1,2 Prozent Eltern haben, die beide im Ausland geboren sind", so Kraus. In Deutschland seien es 15,2 Prozent der Schüler, deren Eltern beide im Ausland geboren seien. Selbst mit seinen wenigen Migrantenkindern komme das finnische Schulwesen schlechter zurecht als das deutsche. Während die PISA-Leistung von Kindern mit Migrationshintergrund im OECD-Durchschnitt um 36 Punkte hinter dem jeweiligen Landeswert liege, wiesen finnische Migrantenkinder einen Rückstand von 68 Punkten hinter dem finnischen PISA-Wert aus. Deutschland liege mit 40 Punkten Migrantenrückstand im OECD-Durchschnittsbereich.

Nach Auffassung des Lehrerverbandes können ohnehin die Schulen allein die Herausforderung der Integration von Migrantenkindern nicht bewältigen. Die mangelnde Integration habe auch mit "drei Jahrzehnten einer verfehlten Einwanderungspolitik" zu tun. Es reiche nicht aus, dass Schulen den Migranten zusätzliche Förderangebote machten. Vielmehr müssten diese Angebote verpflichtend angenommen werden. "Es gibt hier eine Hol-Schuld", meint Kraus. Leider sei aber aus vielen Beispielen bekannt, dass sich manche Migranteneltern weigerten, ihre Kinder an Grund- und Hauptschulen in zusätzliche Deutschkurse oder so genannte Sprachlernklassen zu schicken.

GEW: "Erschreckendes Zeugnis einer verfehlten Schul- und Integrationspolitik"

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nannte die Ergebnisse der Studie ein "erschreckendes Zeugnis einer verfehlten Schul- und Integrationspolitik". Insbesondere die in Deutschland geborenen Migrantenkinder hätten sehr schlechte Kompetenzwerte: "Sie hinken in Mathe und Deutsch um bis zu eineinhalb Schuljahre hinter Kindern aus deutschen Familien her", sagte die GEW-Vizechefin Marianne Demmer. Dies sei ein "bildungspolitischer Skandal".

Der OECD-Bericht lenke den Blick auf die Situation junger Migranten im Schulsystem. In Deutschland hätten mehr als ein Viertel der Menschen bis 25 Jahre einen Migrationshintergrund.

Die Aktivitäten der OECD fallen nach Auffassung der GEW "in eine Zeit, in der in Deutschland eine reichlich verquere Integrationsdebatte geführt wird". Zwar hätten auch "die Konservativen erkannt, dass Einwanderung Realität in Deutschland ist". Aber statt Integration als Prozess "auf Augenhöhe und Gegenseitigkeit" zu begreifen, verlangten sie "die bedingungslose Anpassung an eine deutsche Leitkultur".

Dazu würden Migranten "kriminalisiert oder zu Sündenböcken gemacht, beispielhaft so geschehen in der öffentlichen Debatte um die Ereignisse an der Rütli-Schule". Dies zeige sich an der Auseinandersetzung um die Frage, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssten, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten oder durch "den Versuch, rechtsradikal und rassistisch motivierte Angriffe auf Menschen mit fremdländischem Aussehen als normale Kriminalität zu interpretieren".

Allen diesen Debatten sei gemeinsam, dass die Integration von Migranten als Belastung, teilweise sogar als Bedrohung angesehen werde. Noch habe sich die Einsicht nicht allgemein durchgesetzt, dass die Erfahrung mit zwei Kulturen und die mehrsprachigen Kompetenzen der Migrantenbevölkerung "ein kultureller Schatz" seien, der in Zeiten von Internationalisierung und Globalisierung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden könnte.

Die GEW begrüßt den neuen OECD-Bericht, "weil dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, das Interesse einer breiten Öffentlichkeit auf die besonders schwierige Situation der jungen Migranten im deutschen Schulsystem zu lenken". In den bisherigen PISA-Debatten sei dieser Aspekt immer zu kurz gekommen. Entsprechend würden schulpolitisch auch keine spezifischen Konsequenzen gezogen.

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